Gefährlich für Polen

Der polnische Geheimdienstchef hat die Präsenz der CIA in der »inneren Zone« des geheimdienstlichen Ausbildungszentrums des Landes eingeräumt. von oliver hinz

Die neue rechte Regierung in Warschau ließ mehrere Wochen verstreichen, bevor Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz am 10. Dezember eine Untersuchung zu »allen denkbaren Standorten« von CIA-Gefängnissen ankündigte: »Diese Angelegenheit muss endlich abgeschlossen werden, weil sie sich als gefährlich für Polen erweisen könnte.« Eine Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem Europarat schloss der Regierungschef zunächst aus.

Nach den ersten Berichten über Geheimgefängnisse der CIA in Polen war man in dem Land noch davon ausgegangen, dass nichts dran sei. »Polen wird als ein Land dargestellt, das im Auftrag der USA illegale und unmoralische Taten vollbringt«, kritisierte die linksliberale Zeitung Gazeta Wyborcza Anfang November die ihrer Meinung nach »wenig glaubhafte Geschichte« von Geheimgefängnissen in den Masuren. Damals hatte die New Yorker Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zum ersten Mal darauf hingewiesen, dass im September 2003 ein Flugzeug des US-Geheimdiensts CIA aus Kabul, mit dem üblicherweise mutmaßliche al-Qaida-Terroristen transportiert würden, in Polen gelandet sei. Die Dementis aus Warschau kamen sofort. »Die USA haben uns niemals die Unterbringung von Terroristen vorgeschlagen«, versicherte der Chef des polnischen Geheimdienstes, Zbigniew Siemiatkowski.

Doch die Beteuerungen der Politiker und Experten haben viele Polen nicht überzeugt. Und auch die Gazeta Wyborcza und andere seriöse Blätter haben längst Beweise für CIA-Aktivitäten auf dem einstigen Militärflughafen in Szymany in den Masuren angehäuft. Selbst Geheimdienstchef Siemiatkowski rückt nun scheibchenweise mit der Wahrheit darüber heraus, was sich in seinem Ausbildungszentrum in der Kleinstadt Stare Kiejkuty abspielt, das nur 20 Kilometer von diesem Flugplatz entfernt liegt. »Es gibt eine innere Zone, zu der unter anderem die CIA Zutritt hat«, räumte er am Donnerstag ein. Dass dort al-Qaida-Verdächtige verhört und festgehalten worden seien, bestritt er jedoch weiterhin. Der Stern hatte dagegen berichtet, die 100 mal 50 Meter große »innere Zone«, die eine drei Meter hohe Mauer und Stacheldraht schützen würde, dürften einzig Amerikaner betreten.

Einige polnische Zeitungen spekulieren inzwischen schon darüber, was Polen drohen würde, falls es in dem Land doch ein kleines Guantánamo gegeben haben sollte: Wenn das EU-Recht verletzt worden sei, drohe sogar der Verlust des Stimmrechts in Brüssel, heißt es sorgenvoll. Die rechtsextreme Partei »Liga polnischer Familien« fordert mitt­lerweile einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Immerhin hat der Geheimdienstausschuss des Parlaments bereits den Chef des Flughafens Szymany und mehrere Grenzschutzoffiziere zum Verhör geladen.

Offene Fragen gibt es genug. Wurde Kalid Sheikh Mohammed, der angebliche frühere Militärchef und Chefplaner von al-Qaida, in dem polnischen Geheimdienstcamp gefangen gehalten, wie es der US-Fernsehsender ABC herausgefunden haben will? Nach einem Bericht der Washington Post vom 2. November seien die etwa zehn Gefangenen in Polen nach Informationen von Human Rights Watch nach Nord­afrika gebracht und die Spuren verwischt worden.

Zur Aufklärung der Vorwürfe trug auch Staatspräsident Aleksander Kwasniewski nicht wirklich bei. Der Sozialdemokrat, der die Amts­geschäfte am 23. Dezember an den Rechts­populisten Lech Kaczynski abgibt, stellte fest: »Polen ist ein zuverlässiger Verbündeter, deshalb gibt es offensichtlich eine Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten.« Allerdings seien weder er noch der Regierungschef über die Zusammenarbeit zwischen polnischen und amerikanischen Geheimdiensten genau informiert.