Vorhang auf!

Endlich machen Bundestagswahlen wieder Spaß. Und das Spektakel ist noch steigerungsfähig. Vorschläge von elke wittich

Warum sich Polit-Analysten jahrzehntelang immer so furchtbar darüber gefreut haben, dass das deutsche Stimmvieh gewohnheitsmäßig recht eindeutige Präferenzen zeigte und sich anders verhielt als zum Beispiel die italienischen Wähler, ist seit dem 18. September völlig unverständlich. Klare Wahlergebnisse, das steht seit der Verkündung der ersten Prognosen um 18 Uhr fest, sind nämlich vor allem eines: definitiv unsexy und absolut nicht glamourös. Zufriedenen Gewinnern und traurigen, um Haltung bemühten Verlierern beim »Zuerst einmal sollte hier den Wählern gedankt werden …« zuzuschauen, ist nichts, was man als mündiger Bürger, der beim Kreuzchenmachen schwer darauf geachtet hat, ein pain in the ass zu sein, wirklich möchte.

Umso schöner sind die diesjährigen Wochen nach der Wahl: Ein mit irgendeiner zweifellos illegalen Substanz angefüllter Machtinhaber reizt offenkundig die mental wie medikamentös darauf nicht vorbereitete Wannabe-Kanzlerin bis aufs Blut. Ratlose Korrespondenten versuchen in Rund-um-die-Uhr-Sondersendungen, unwillige oder viel zu willige Politiker zu interviewen. Der böse Bayer macht freche Bemerkungen – gut, das ist so neu nicht, aber rundet das Ganze ab.

So weit, so gut. Egal, wer jetzt mit wem und unter wessen Führung koaliert: Bei der nächsten Wahl machen wir das bitte wieder genau so! Allerdings in entscheidenden Punkten professioneller. Denn natürlich gehört so eine echte Politshow in die Hände von Experten. Und das Amt des Bundeskanzlers wird im Rahmen einer großen Show vergeben.

Denkbar wäre es, so eine Art Wahl-Big-Brother zu inszenieren. Die beiden Kandidaten der SPD und der CDU sowie ausgewählt nervtötende Vertreter der kleineren Parteien würden dazu vier Wochen vor dem Wahltermin in, ja, genau, einen Container in Köln-Hürth gesperrt und dort rund um die Uhr von Fernsehkameras beobachtet. Primär sitzt man dort wahrscheinlich herum und langweilt sich, was den Vorteil hat, dass schon am dritten Tag die ersten Verluste an Contenance zu bestaunen sein werden. Ein angesichts eines verlorenen Battle auf Dauergemüse-Diät gesetzter und deswegen sehr gereizter SPD-Politiker, eine vom Dauermobbing der eigenen Bezugsgruppe völlig entnervte CDU-Frau, dazu ein bisschen Alkohol, als Belohnung für die bestandene Wochenaufgabe – »Hauptstädte auswendig lernen« –, und schon dürfte es rund um den BB-Whirlpool rundgehen wie zu Zeiten von Zlatko, Manu und Kerstin.

Wobei durchaus auch weitere Features aus anderen Erfolgsformaten in die Show eingebaut werden können. Wie im Dschungel-Camp entscheidet das Publikum zum Beispiel täglich, wer am Abend zur Primetime eklige Mutproben absolvieren muss. Und am Wochenende gibt es dann die große Show, in der die Container-Insassen die Wähler von ihren Vorzügen zu überzeugen haben. Schließlich ist der richtige Mann oder die richtige Frau für den Job vor allen Dingen jemand, den man beruhigt mal ins Ausland schicken kann, ohne dass man beständig versucht ist, CNN anzuschalten und sich persönlich davon zu überzeugen, dass das künftige Kanzlerdings einen gerade nicht ganz furchtbar blamiert. Eine Fremdsprachenklausur, eine Prüfung in gewandtem Parlieren sowie ein Manieren-Test sind dazu unabdingbar, locker verpackt in eine große Unterhaltungssendung mit viel Musik und prominenten Wettpaten.

Auch ein Durchgang der Kandidaten in Badekleidung erscheint zwingend angeraten, da niemandem daran gelegen sein kann, beim sonntäglichen Frühstück von den Ferienbildern eines mit einem knappen, die Fettpölsterchen unangenehm betonenden Schwimmhöschen bekleideten Kanzlers oder einer Kanzlerin in einem hässlich geblümten, die Schwachstellen offenlegenden Bikini überrascht zu werden. Da das Politpack angesichts der zu erwartenden Dauerkrise notorisch Urlaub im eigenen Land machen wird, sind solche Fotos zwangsläufig zu erwarten, was zu einem drastischen Anstieg der Wahlbeteiligung führen wird. Denn wer die BB-Regierungschef-Swimsuit-Show gewissenhaft verfolgt hat, wird ganz genau wissen, wo das Kreuzchen hingehört. Lautet die Alternative Teufel oder Beelzebub, wäre man schließlich schön doof, wenn man nicht den attraktiveren Höllenfürsten wählte.