Schluss mit lustig

F.K. Waechter ist tot, Robert Gernhardt zum Klassiker geworden. Die Neue Frankfurter Schule hat sich aus den Satiremagazinen in die Bibliotheken der Hochkomik verabschiedet. von jörg sundermeier

Das Land Hessen hat einen vielseitigen Künstler und einen großen Humanisten verloren. Über den Tod von F. K. Waechter bin ich sehr traurig«, sagte Udo Corts, der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, vor zwei Wochen. Die unverwüstliche Bürgermeisterin des früher schönen, freien und weltläufigen Frankfurt, Petra Roth (CDU), bedauerte Waechters Tod im Namen der Stadt. Roger Willemsen verlor »einen der wirklich Großen auf dieser Erde«, »dem ich ein paar der glücklichsten Stunden des Lesens und Betrachtens verdanke«. Andere vermissen, wieder einmal, einen »großen Humoristen«.

Man mag argwöhnen, dass Willemsen Waechter, als dieser schon im Sterben lang, noch totloben wollte, dass die hessischen Christdemokraten den Nachruf als Chance nutzten, ihren ehemaligen Steuerzahler posthum zu sich herabzuziehen, doch trifft all das nicht zu. Der Zeichner, Dramatiker, Filmer und Kinderbuchautor Friedrich Karl Waechter war einer der wenigen Satiriker, auf den sich alle einigen konnten, sofern sie sich denn trotz aller ihrer Funktionen und Beschädigungen das Menschliche bewahren konnten.

Waechter, der am 16. September dem Krebs erlag, hat gemeinsam mit Robert Gernhardt, F. W. Bernstein und Chlodwig Poth in den sechziger Jahren das begründet, was später unter dem Namen »Neue Frankfurter Schule« bekannt werden sollte. Sie waren mit ihrem Humor für das verantwortlich, was man von der damaligen Pardon in Erinnerung behalten sollte, waren entscheidend für den Ruf der Titanic zuständig, aus der sich Waechter 1992 zurückzog, in der er allerdings präsent blieb als ein, wenn man so will, abwesender Vater.

Nur wenige aus dem Kreis der »Neuen Frankfurter Schule«, zu der, neben den oben Genannten, noch Eckhard Henscheid, Hans Traxler und Bernd Eilert zu zählen sind, wurden oder werden nicht mit Preisen und Ehrungen überschüttet. Doch sie haben sich auf jeweils verschiedene Weise verändert. Traxler ist nahezu versöhnlerisch geworden, Gernhardt tendiert in letzter Zeit zu moralinsauren Anflügen und neigt dazu, dem falschen Lob des Feuilletons zu glauben, Henscheid dagegen gefällt sich seit Jahren in einer unmoralischen Pose, und das auf die allerhässlichste Weise. Poth, der sich hingegen, wie Waechter, treu blieb, verstarb im letzten Jahr.

Die, die auf die »Neue Frankfurter Schule« folgten, konnten das Erbe nicht antreten, einigen immerhin gelang und gelingt es, es angemessen zu verwalten. Bernd Pfarr, der auch im letzten Jahr starb, wurde vom Erfolg nicht blöde, das Duo Rattelschneck, das zurzeit eigentlich nur aus Marcus Weimer besteht, beweist oft großen Humor. Hans Zippert jedoch, der die späten Kohl-Jahre hindurch die außerparlamentarische Opposition als Titanic-Chefredakteur anführte, verdingt sich heute mit launigen Fernsehkommentaren, die man als reinen Broterwerb verstehen sollte. Der nicht selten mordskomische Eugen Egner wiederholt sich allzu oft. Ernst Kahl ist heutzutage kaum noch präsent, in der immer öfter aus Abiturientenwitzen gefertigten Titanic wirken seine wunderbar drastischen Bilder leider oft deplatziert. Andere, wie Gerhard Henschel, zogen sich weitgehend aus dem Humorgeschäft zurück, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Die dringeblieben sind, vergessen stets, woraus sich guter Humor speist, und versuchen stattdessen, »ätzend« zu sein. Das, was ihnen dabei gelingt, ist jedoch nur Häme, mit der, links wie rechts, niemand als der Stammtisch etwas anfangen kann.

»Der Hauptquell für Komik kommt aus dem Leiden, aus Niederlagen«, hat Waechter gesagt. Davon waren seine Bilder gekennzeichnet, selbst dann, wenn sie ein Schwein zeigten, das nachts auf einer Straße »Käsekuchen, Käsekuchen« schreit, oder eine Ente, die mit dem Kopf in einem Stiefel steckt, die Füße gen Himmel reckt und dabei glaubt: »Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein.« Just so ein Schwein steht davor und denkt: »Toll.« Oder ein Junge, der einen sehr alten Mann bescheißt: »Gott staunte nicht schlecht über meinen neuen Kartentrick.«

Dass der gute Humor derzeit nicht produziert wird, liegt nicht ausschließlich an der Eitelkeit der komischen Zeichner und Autoren, auch nicht an dem mangelnden Talent vieler Komiker oder gar an »den Medien«. Dieser Humor braucht vielmehr verlässliche Strukturen, an denen es heute mangelt. Bernd Eilert, der neben Gernhardt wesentlich für den Erfolg von Otto Waalkes verantwortlich zeichnet und noch heute mit ihm arbeitet, bemerkte unlängst in einem Interview, dass es, wie er und Waalkes mehrfach getestet hätten, heute keinen Sinn mehr habe, Zitate aus Klassikern, die früher zum Schulwissen gehörten, zu verballhornen, solch ein Witz werde einfach nicht mehr verstanden.

Ähnlich verhält es sich mit der Blasphemie. Nicht, dass die Menschen aufgeklärter wären, nur ist der noch vor wenigen Jahrzehnten streng gelehrte und praktizierte Gottesglaube einer diffusen Frömmelei gewichen, in der Konfessionen und Schriften keine Rolle mehr spielen, sodass die Begeisterung für den Papst und den Dalai Lama keinen Widerspruch mehr darstellt, sodass Bibel und Laotse verwechselt werden dürfen, auch von Kirchenfürsten. Genauso selbstredend Mao, Castro und Lafontaine. Eben deshalb hat es kaum noch Sinn, den »Großen Vorsitzenden« zu verulken, Gottes Allwissenheit zu testen oder Jesus mit Jörg Haider schlafen zu lassen.

Das beweist jedoch nicht, wie vielfach behauptet wird, eine »Krise der Bildung«, denn es ist ja nicht so, dass die Leute dümmer werden. Sie können sich nur – abgesehen von Meinung, Mutmaßung und Spekulation – nicht mehr verständigen, da ihnen in ihrer sozialen Schicht nichts mehr sicher oder heilig ist. Dementsprechend sind die Niederlage und das Leid, das eine oder einer verspürt, immer nur privat und einsam zu verarbeiten. Das Subjekt, das einem der Kapitalismus verkauft hat, glaubt, im Leid zu scheitern, muss den Schmerz daher leugnen oder aber sich darin einrichten. Daher geht es allen immer gut und zugleich irgendwie mies.

Viele Satiriker versuchten, dem Problem zu begegnen, indem sie keine Witze über Gott machten, sondern Witze über Witze. Oder, indem sie, wie etwa Max Goldt, den Alltag zum absurden Ereignis machten und das Absurde als das Normale ausgaben. Heute kann man sagen: Sie alle sind damit gescheitert, diese Witze funktionieren nicht mehr, auch hängt ihnen schon jetzt belastend die Zeit an, in der sie entstanden.

Auch tragen die Verlage Diogenes und Haffmans, die einen Großteil der Bücher dieser Zeichner und Autoren publizierten, mit ihrer unseligen Rede von der »Hochkomik« die Verantwortung dafür, dass das Schaffen der Satiriker, nun ja, versteinerte. Sie machten die Witze zum Objekt für »Kenner«, wie sich Geschmäckler gern nennen, und nahmen ihnen damit die Massenbasis. Stattdessen wurde der Humor, der stets fließend ist, nun zu einer Materie, die von Sachwaltern verwaltet wurde, die ihm Rahmen gaben und sein Gewicht schätzten. Viele der Autoren und Zeichner hielten sich nun, lobestrunken, selbst für kulturbetriebstauglich und betrachteten jede Skizze, jede Notiz als Meisterwerk. Für Leute, die lediglich lachen wollen, ist das teure Witzbuch im Leinendeckel aber zu sehr Kunstobjekt. Es verschließt ihnen den Mund und lässt sie – wir sind in Deutschland – ehrfürchtig werden. Das ist das Ende des Humors.

Dennoch, die Witze, wie Waechter sie machte, bleiben und werden diese verwirrte Zeit überleben. »1946 errege ich zum ersten Mal Heiterkeit mit einer Zeichnung, die Gott in Gummistiefeln bartlos und mit Jägerhütchen zeigt, wie er Moses auf dem Berge Sinai die Gesetzestafeln überreicht. Ich bin sehr gekränkt«, schrieb der 1937 geborene Waechter in einem Lebenslauf. Schon dieser erste, damals noch unfreiwillig gemachte Witz ist einfach schweinegut.