»Links ist das nicht«

Ein Gespräch mit wilhelm achelpöhler, dem Sprecher des Kreisverbandes Münster der Grünen, über die Zukunft seiner Partei.

Die Grünen sind mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus der Regierung geflogen. Hat die Partei, nachdem der Sozialabbau in Gang gekommen ist und deutsche Kriegsbeteiligungen möglich geworden sind, ihre Mission erfüllt und wird jetzt nicht mehr gebraucht?

Das kommt darauf an, was man als Mission der Grünen bezeichnet. Wenn man darunter versteht, größere Teile der ehemals kritischen Linken ins System zu reintegrieren, dann haben die Grünen in den vergangenen Jahren dazu sicherlich einen wichtigen Beitrag geleistet. Wenn man der Auffassung ist, dass die Grünen die Aufgabe haben, außerparlamentarische Initiativen zu unterstützen und die Perspektive sozialer Emanzipation weiter zu verfolgen, dann haben die Grünen noch jede Menge zu tun.

Wie zufrieden sind Sie denn mit dem Wahlergebnis?

Ich bin mit weichen Knien zu unserer Wahlparty gefahren, weil ich befürchtet hatte, dass am Abend marodierende schwarz-gelbe Jugendliche durch die Stadt ziehen. Das ist uns erspart geblieben.

Schröder hatte sich zum Ziel gesetzt, die Agenda 2010 mit einem neuen Plebiszit auszustatten. Mit der großen Koalition kann er, oder wenigstens die SPD, jetzt an die Politik anknüpfen, die 2003 bzw. 2004 de facto von einer großen Koalition gemacht worden ist. Das erfüllt mich mit Sorge.

Früher war es so, dass die Grünen davon profitiert haben, wenn die SPD ein schlechtes Wahlergebnis erzielte. Diesmal hat die Linkspartei davon profitiert.

Die Grünen haben ein Merkmal verloren: Sie wurden bisher als einzige Partei links von der SPD wahrgenommen. Nun hat sich aber mit der Linkspartei auch im Westen eine Partei links von der SPD etabliert. Damit ist für die Grünen eine neue Situation entstanden. Sie sind links nicht mehr konkurrenzlos.

Was heißt da links? Katrin Göring-Eckardt etwa plädiert dafür, auch schwarz-grüne Koalitionen einzugehen. Auch von Renate Künast hört man das.

Manche in der Partei verdienen tatsächlich nicht das Prädikat »links«. Sie legen auch selbst keinen Wert darauf. Wer in die Opposition geht, aber »Regierungsfähigkeit« bewahren will, sogar für eine Koalition mit der CDU, der muss doch noch einige Anpassungsleistungen von der Partei fordern. Links ist das nicht mehr, was da stattfindet.

Was soll das für eine Opposition werden, die von vornherein sagt, sie könne sich eine Koalition mit der Regierungspartei vorstellen?

Das ist das Verheerende daran. Das Projekt von Joschka Fischer und den Seinen war seit 1985 die Koalition mit der SPD. Man könne nur etwas bewegen, wenn man mit der SPD regiere, und nicht, wenn man gesellschaftliche Opposition verkörpere, hieß es.

Aber rot-grüne Koalitionen sind weit und breit nicht mehr zu sehen, allenfalls regional. Nun sind manche auf der Suche nach neuen Ufern und denken sich, wenn es mit der SPD nicht klappt, vielleicht klappt es dann ja mit den Schwarzen. Das bedeutet natürlich, dass die Grünen weiter in die Mitte rutschen. Ich weiß nicht, wie man mit so einer Politik im Parlament – unter einer großen Koalition, rechts in der Opposition die FDP, links die Linkspartei – die Zukunft der grünen Partei sichern möchte.

Was hält einen Linken noch bei den Grünen?

Bei den Grünen gibt es ja durchaus noch vernünftige Leute. Die Aufgabe der Linken ist es, sich dafür einzusetzen, dass die Partei wieder mehr mit den Gewerkschaften und außerparlamentarischen Initiativen zusammenarbeitet.

Das hieße dann möglicherweise, dass die Grünen demnächst wieder an Protesten gegen die Reformen teilnehmen, die sie selbst beschlossen haben.

Das Hauptproblem der Grünen wird sein, dass von der SPD oder der großen Koalition erklärt wird: Wir setzen die Politik der Agenda 2010, die soziale Erneuerung Deutschlands fort, wir kämpfen für Deutschlands gute Stellung auf den Weltmärkten usw. Dagegen sollen die Grünen dann opponieren. Und das geht eigentlich nicht, wenn sie in jedem Nebensatz erklären müssen: Im Grunde finden wir das richtig, wir hätten nur die eine oder andere Anregung. Das nimmt doch dann niemand mehr ernst.

Zeigt nicht schon das Personal, das sich gerade um den Fraktionsvorsitz bemüht, dieses Problem, also Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager, Renate Künast und Jürgen Trittin?

Ich weiß nicht, wie diejenigen, die in der Vergangenheit die Politik der Agenda 2010 so klar verkörpert haben wie Katrin Göring-Eckardt, jetzt einen Beitrag dazu leisten sollen, die Opposition zu einer großen Koalition sichtbar zu machen. Da wird dann eher über schwarz-grüne Koalitionen in den Ländern spekuliert.

Diese Funktion hatten ja auch die Gespräche über eine Jamaika-Koalition. Ich sehe darin keine Anerkennung der Grünen, das erinnert mich alles eher an die Geschichte von dem wilden Tiger, dem der Jäger anbietet, über die künftige Rolle als Bettvorleger zu reden. Nicht der Tiger wird anerkannt, sondern der Bettvorleger.

Welche zukünftigen Projekte könnten die Grünen denn verfolgen?

Ein nicht eingelöstes Versprechen der Regierung ist zum Beispiel der Abschied von Gorleben als einem Endlagerstandort. Ich denke, es wird jetzt wieder auf die Tagesordnung kommen, ein Endlager für atomare Abfälle in Gorleben zu schaffen. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Menschen an den Protesten dagegen beteiligen. Aber Jürgen Trittin wird, wenn es im November zu Castor-Transporten kommt, echte Schwierigkeiten haben zu erklären, warum er dagegen ist.

Kommt bei dem Abgang von Joschka Fischer ein wenig Erleichterung auf?

Ich weiß nicht, ob da eher Erleichterung aufkommt oder die Sorge, dass es noch schlimmer wird. Fischer wollte wenigstens noch Rot-Grün. Die anderen wollen etwas mit den Schwarzen machen.

Warum bleiben Sie als jemand, der sich als Linker betrachtet