Arbeiten im Schatten

Die EU-Innenminister tun sich schwer damit, einheitliche Richtlinien gegen Nazisymbole und Rassismus zu verabschieden. Auch darüber, wie Migranten am besten fernzuhalten sind, ist man sich nicht einig. von karin waringo, brüssel

Die Euroskeptiker in Großbritannien können es als einen Erfolg feiern: Die EU wird Prinz Harry nicht vorschreiben können, wie er sich zum Maskenball ausstaffieren soll. Der Vorschlag der luxemburgischen Präsidentschaft, Nazisymbole durch eine einheitliche Richtlinie aus der EU zu verbannen, ist zunächst vom Tisch. Der luxemburgische Justizminister, Luc Frieden, führte pragmatische Gründe an, wieso er eine Entscheidung darüber vertagte. Man sei sich rasch bewusst geworden, dass die Diskussion um ein einheitliches Verbot von Nazisymbolen viele Fragen aufwerfe, und ihm sei es vor allem darum gegangen, die Diskussion um die europäische Rahmenrichtlinie gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder aufzunehmen.

Auf der Tagung der europäischen Justiz- und Innenminister am Donnerstag vergangener Woche in Brüssel wurden die Tagesordnungspunkte entweder pragmatisch abgehandelt oder auf ein späteres Datum verschoben. Die Frage, die viele Journalisten am meisten beschäftigte, war, wie es die luxemburgische Ratspräsidentschaft geschafft hatte, Max-Peter Ratzel, den ehemaligen Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität beim deutschen Bundeskriminalamt, an die Spitze der europäischen Polizeibehörde Europol zu hieven. Der Posten ist seit Schaffung der Institution vor zwölf Jahren fest in deutscher Hand, was anderen EU-Staaten missfällt. Frankreich, Italien und Spanien hatten daher eigene Kandidaten nominiert. Der luxemburgische Justizminister Frieden reagierte auf der Pressekonferenz auf Fragen von Journalisten allerdings nur mit einem zufriedenen Lächeln und mit Schweigen.

Sehr erfreut zeigte man sich auch über die Reaktionen auf das neue Grünbuch der Kommission zur Arbeitsmigration. Es habe vor allem positive Rückmeldungen gegeben, erklärte der amtierende Vorsitzende der Innenministertagung, der luxemburgische Außen- und Einwanderungsminister Nicolas Schmit. Kein Wunder, enthält das Dokument doch eine Sammlung von Allgemeinplätzen und widersprüchlichen Vorschlägen, wie der italienische Wirtschaftswissenschaftler Tito Boeri in dem Zeitungsforum im Internet Project Syndicate feststellt. Boeri erläutert, dass zwei Drittel der 26 Reformen, die seit 1995 in der europäischen Einwanderungspolitik durchgeführt wurden, die Verfahrenshürden für Visaanwärter erhöht, den Zeitraum der Arbeitserlaubnis verkürzt oder Familienzusammenführungen erschwert hätten. »Mit diesen Regelungen ist, auch wenn sie tatsächlich angewendet werden, nichts zu erreichen, außer dass Einwanderer und ihre zukünftigen Arbeitgeber gezwungen werden, auf andere Weise zueinander zu finden. Das Grünbuch der Europäischen Kommission über die Wirtschaftsmigration erscheint wie eine Einladung in die Schattenwirtschaft«, sagt Boeri.

Um Vorstellungen entgegenzuwirken, wonach die Union Einwanderer ins Land holen wolle – tatsächlich betonen EU-Experten immer wieder, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft wesentlich von der Fähigkeit abhänge, mehr Arbeitskräfte aus Drittstaaten anzuziehen –, stellte der EU-Kommissar Franco Frattini klar, dass die Verantwortung im Bereich Migration weiterhin bei den einzelnen Mitgliedsstaaten liege. Jedes Mitgliedsland legt die Zahl und die Bedingungen, unter denen Arbeitsmigranten aus Drittstaaten einreisen können, selber fest.

Keine konkreten Entscheidungen fielen auch im Zusammenhang mit der Aufnahme von biometrischen Daten in europäische Visa. Dass die Daten aufgenommen werden, war bereits vor zwei Jahren beschlossen worden, im Zuge einer Reihe von Maßnahmen, die Personaldokumente »sicherer« machen sollen, im Prinzip aber vor allem darauf abzielen, eine umfassende Kontrolle zu errichten. Allerdings sind sich die EU-Minister weiter darüber uneinig, welches Verfahren am besten geeignet ist. Zudem wollen einzelne Staaten an ihren jeweiligen Verfahren festhalten.

Einigen konnten sich die Innenminister darauf, dass die biometrischen Daten in das europäische Visainformationssystem VIS eingehen und auch den Polizeibehörden zugänglich gemacht werden sollen. Das Monopol auf diese Informationen war bislang Grenzschützern vorbehalten.

Deutlich verhaltener wurde dagegen der Vorschlag der luxemburgischen Präsidentschaft und des zuständigen Kommissars Frattini diskutiert, eine Art Frühwarnsystem aufzubauen, mit dem die EU-Staaten untereinander über anstehende nationale Maßnahmen im Bereich der Einwanderungs- und Asylpolitik informieren sollen. Der Vorschlag kam, als der deutsche Innenminister, Otto Schily, und die niederländische Einwanderungsministerin, Rita Verdonk, empört auf die spanische Initiative reagierten, so genannten illegalen Einwanderern ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen.

Bei der Pressekonferenz tat Frattini den Begriff »Frühwarnsystem«, den er in seinem Schreiben an die Minister benutzt hatte, als »Bezeichnung einiger Minister« ab. Darüber, was sein Vorschlag im Kern beinhaltet, den er noch vor Ende Juni dem Rat unterbreiten möchte, ließ er sich aber nicht aus. Der luxemburgische stellvertretende Außen- und Einwanderungsminister Schmit wies Vermutungen zurück, dass es sich bei dem Vorschlag für ein »Frühwarnsystem« um eine Reaktion auf das spanische Regularisierungsverfahren handle. Er betonte allerdings, dass es langfristig darum gehe, zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik zu kommen. Bei einem reinen Informationsaustausch über nationale Maßnahmen wird es also nicht bleiben, absehbar ist, dass jede Initiative, der der Ruf der Liberalität anhaftet, heftig kritisiert werden.

Auch die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird bei der nächsten Ratstagung erneut Thema sein. Eine Entscheidung darüber wurde mit der Begründung vertagt, man wolle den neuen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit geben, von dem Dokument Kenntnis zu nehmen, wie der luxemburgische Justizminister erklärte. Das Dokument, in dem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als eigenständige Straftatbestände definiert werden, soll dann entweder noch unter der jetzigen Präsidentschaft oder zu Beginn des britischen Vorsitzes verabschiedet werden. Frieden machte klar, dass er zu wesentlichen Abstrichen nicht mehr bereit ist. »Entweder dieser Text geht durch, oder wir werden gar nichts machen«, erklärte er auf der Pressekonferenz.

Zuspruch kam auch von Kommissar Frattini, der erklärte: »Wir können nicht davon abrücken, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der EU keinen Platz haben.« 2003 war es die italienische Regierung, der Frattini als Außenminister angehörte, die sich einer Annahme widersetzte. Der Inhalt der Richtlinie verstoße gegen die Meinungsfreiheit, hieß es damals zur Begründung.