Nachrichten

Blätterwald I

Groove. Der Groove ging es schon seit längerem nicht mehr so gut. Als Anfang der Neunziger Techno groß wurde, ging es dem Blatt besser, die Groove war eines der Zentralorgane der Bewegung und dementsprechend beliebt bei Anzeigenkunden. Doch nun wurde das Magazin verkauft, an den Verlag Piranha Media von Alexander Lacher. Es soll ein neues Leben für die Zeitschrift geben, so kurz vor dem Tod.

Die Groove wurde vor 15 Jahren als kostenloses Magazin gegründet, lag alle zwei Monate im Plattenladen Ihres Vertrauens aus und widmete sich Techno und anderen Spielarten elektronischer Musik. Da sie sich allein über Anzeigen finanzierte, kam sie nun in die Bredouille. Denn außer ein paar Labels und Technikfirlefanzfirmen wollte kaum noch jemand in einem Spartenmagazin inserieren, das sich einer Musik widmete, die allgemein gar nicht mehr als besonders hip gilt. Techno ist einfach nicht mehr die dominierende Jugendkultur, große Marken wollen aber nun mal immer bloß dort auftauchen, wo die Musik gerade spielt.

Die Groove wurde also immer dünner und dünner. Doch bevor sie letztlich ganz verschwunden ist, konnte Alexander Lacher nochmals den Retter in der Not spielen. In dieser Rolle hatte er sich zuletzt die marode Spex zusammengekauft, die seitdem mit der Spex von früher hauptsächlich den Namen teilt. Lacher, der ansonsten Werbebroschüren für Burger King und Saturn erstellt, kann sich nun als uneingeschränkten Herrscher der deutschen Popkultur-Printerzeugnisse bezeichnen. Egal, für welche Musik man sich interessiert, an Lachers Gemischtwarenladen kommt man kaum noch vorbei. Mit der Juice gibt er das führende Hip Hop-Magazin heraus, mit der Spex bedient er den aufrechten Indie-Typen, und die Groove ist nun was zum Schmökern für die Freunde der elektronischen Musik.

Das Konzept ist bei allen seinen Magazinprojekten dasselbe: Einer Musikzeitschrift aus dem Piranha-Verlag liegt immer eine CD bei, die Modestrecke bringt ein paar Euro extra, und inhaltlich erstellt man eine Mischung aus Szeneglaubwürdigkeit und Wischiwaschi.

Vor ein paar Jahren hatte Lacher bereits versucht, ein anderes Druckerzeugnis des Techno in sein Portfolio aufzunehmen. Von Jürgen Laarmann wollte er den Namen »Frontpage« haben, um damit an das legendäre, von Laarmann aber früh zu Tode gerittene Magazin anzuknüpfen. Der Deal kam aber nicht zustande. Laarmann wollte den Namen »Frontpage« nicht verticken, schließlich ist der das letzte, was der Mann überhaupt noch besitzt.

Die Groove wird ab Januar weiterhin alle zwei Monate erscheinen. Einem Teil der Auflage wird die obligatorische CD beiliegen, dafür wird diese auch etwas kosten. Der andere Teil wird wie bisher für lau ausliegen.

Blätterwald II

Spitzenopern. »Mein Haus, mein Boot, meine Frau.« So ähnlich geht es inzwischen auch bei den so genannten Qualitätszeitungen zu. Die SZ hatte damit begonnen, neben dem Mutterblatt auch Bücher und klassische CDs zu verticken, die Zeit gibt seit kurzem ein Lexikon heraus. Klar, dass nun auch die FAZ mitmischen muss, nachdem die SZ bereits angekündigt hat, noch viel mehr Bücher und CDs herausbringen zu wollen. »Die 20 wichtigsten Opernaufführungen – ausgewählt vom Feuilleton der FAZ« hat die Zeitung nun im Angebot. Die Gesamtedition gibt es zum Vorzugspreis von schlappen 339 Euro. Na wenn das nichts ist: Die zwanzig wichtigsten Opernaufführungen! Und das für ein Taschengeld. Unser Dank gebührt der FAZ.

Blätterwald III

SZ 2. Die taz hat ihre zaz zwei, einen echten Bringer, eine echte Revolution des Zeitungswesens. Nun droht auch die SZ mit einem Blatt im Blatt, das originellerweise SZ 2 heißen soll. Ob es sich dabei um ein eigenständiges Format handeln soll oder um eine Beilage, ist alles noch nicht so recht klar. Wann das Teil erscheinen soll, auch noch nicht. Ob überhaupt, erst recht nicht. Vor kurzem wurde gemeldet, nun gehe es los. Doch kurz danachach hieß es: Na ja, keine Ahnung, mal sehen. So wollen wir es also auch fürs Erste halten: mal sehen.

Leben und Sterben in Nürnberg

Kevin Coyne. Vor ein paar Wochen ist John Peel verstorben und nun auch Kevin Coyne. Letzterer ist ungleich weniger berühmt als der große englische Radio-DJ, dennoch verbindet ihn etwas mit diesem. Denn John Peel betrieb Ende der Sechziger auch ein kurzlebiges Label namens Dandelion, und einer der wenigen Acts, die er für dieses gesigned hatte, war eben Kevin Coynes damalige Band Siren.

Der große Durchbruch ist Kevin Coyne deswegen aber nicht geglückt. Er blieb immer einer von der Sorte »legendäre Typen«, das sind diejenigen, die zwar heiß geliebt werden, aber nur von so wenigen, dass es kaum zum Leben reicht. Ähnlich seltsame Käuze dieser Spezies sind wohl nur noch der Kerl, der hinter My Dad is Dead steckt, und das Enigma Wreckless Eric.

Coyne veröffentlichte also all die Jahre hinweg weiter brav Platten, überlebte die Siebziger, dann die Achtziger und sogar die Neunziger, wurde von den Kritikern gemocht und von seinen weltweit 97 Fans auch. Es kam dennoch, wie es kommen musste: Coyne fing das Trinken an, kaum jemand wollte überhaupt noch seine Musik veröffentlichen, es folgten Nervenzusammenbrüche und Depressionen. Und am Ende von allem: Nürnberg. Ausgerechnet dort blieb Coyne hängen, und ausgerechnet dort begann es für ihn wieder aufwärts zu gehen. Coyne brachte einen Entzug hinter sich und bekam gar 1992 den Kulturpreis der bayrischen Stadt. Dennoch hat nun seine Leber aufgrund von Spätfolgen schlapp gemacht.