Auf der Suche nach …

Dominique ist eine Band, die man nur, aber unbedingt, seinen besten Freunden empfehlen sollte. von doris achelwilm

Wenn es um Liebe geht bzw. darum, diese mit manischem Komplexitäts- sowie Stilwillen zu beschreiben, haben Marcel Proust und Dominique einiges gemeinsam. Allerdings nimmt sich die Band aus Berlin im Gegensatz zum französischen Schriftsteller die Melancholie eines »Erwachsenen in love« nicht mit epischen Nebensatzserien vor, sondern mit Songwriting. Mit einem sorgfältig arrangierten Popentwurf, der mit der Perspektive spielt, dass das Thema Nummer eins auch in ihrem Kunstgewerbe, auch hier und heute noch nicht zu Ende erzählt ist. Was Dominique in diesem Sinne vermeiden, ist die x-te Wiederholung des gefälligen Kanons aus Verklärungen und (hetero-) typischer Zweisamkeit. Was sie vielmehr wissen wollen ist: Wie klingen Popsongs, die zu viel Gefühl nicht nur feiern oder verfluchen, sondern vor allem restlos ernst nehmen? Welchen Sound verdienen Eifersüchte, die der Verstand längst belächelt und die man dennoch nicht verdrängen kann?

Nachzuhören sind die Songs über diese und weitere Fragen auf dem Album »Speak to me« (2002) sowie auf der vor kurzem erschienenen Platte »The same You«. Dominiques Lieder klingen hier samt Gesang, Gitarren, Orgelspur und durchaus soliden Songstrukturen nicht wahnsinnig »neu«, das ist wahr. Aber so soll es offenbar auch sein. Nicht wahnsinnig neu. Sondern wahr.

Falls es nun Bedenken gibt: Dominique gehen sozusagen bewusst in die Authentizitätsfalle. Weltfremd erscheint ihnen nämlich weniger ein Wahrhaftigkeitsanspruch als solcher als das Einvernehmen, mit dem er im Format »Liebeslied« regelmäßig aufgelöst und gekauft wird: »Boy meets girl« heißt es dort, und am Ende ist vieles ein Jammer. Doch dem lässt sich etwas entgegensetzen: Angefangen beim »schlichten« »Boy meets boy«, drehen sich die Songs von Dominique z.B. um das (schwierige) Ende persönlicher Eitelkeit. Oder auch um das Ende von illusorischer Festigkeit: z.B. um Liebeskummer, der mit einer neuen Person, und sei es für nur eine Nacht, unsentimental betäubt werden kann. Das lakonische c’est la vie schwingt dabei genauso mit wie sachte bohrendes Bedauern.

Was bei Dominique alles zusammenkommt, hat übrigens – und bei ihren zahlreichen Brüchen verwundert das nicht – wenig konzertiert angefangen, nämlich als vage (Band-) Idee, die der in Berlin lebende Künstler und Kunstkritiker Dominic Eichler einst alleine mit sich herumtrug. Er erzählte von ihr, in seinem Bekanntenkreis, und so fand das Konzept »Dominique« zu seiner Form: Es schlossen sich weitere Musikerinnen und Musiker an, die den effeminierten Vornamen des Bandbegründers zum übergeschlechtlichen Sammelwort machten.

Nicht nur die gendermäßige (Gruppen-) Identität, auch die personelle Klammer von Dominique blieb dabei jederzeit offen. Gegenwärtig gehören neben Eichler (Gesang und Rhodes) mit Paul Davis (Vocals, Bass) ein Houseproduzent aus London, die Schweizer Filmemacherin Ninon Liotet (Vocals) und der aus Glasgow kommende Konzeptkünstler Dave Allen (Gitarre) zum Kern, außerdem der wie Eichler in Australien geborene (Jazz-) Schlagzeuger Ben Clark, Michael Papuks (Gitarre, ansonsten bildender Künstler aus Bremen) sowie die Berliner Cellistin Anna Stark.

Als erster Ausdruck ihrer speziellen Einheit ist 2002 »Speak to me« erschienen, eine Platte, die unangekündigt in meinen Briefkasten gelangte und auf den ersten Blick willkommen war. Das Artwork zeigt: ein angeschnittenes Profil, männlich, keine dramatische Geste, aber: oh. Nähe. Lila. Ausgestellte Privatheit. Sensibel, ohne nervös zu sein, auf stille Weise eher sexuell als sexy.

Und die Musik: Für eine Debütplatte klang sie ziemlich souverän, wie zufällig komplett und rund gemacht. Spielte man »Speak to me« Bekannten vor, hagelte es stattliche Referenzen wie Belle & Sebastian, The Magnetic Fields oder Momus. Gleichzeitig hielt sich die Ahnung, dass Dominique selbst eine Klangästhetik wollen, die zu disparat und unbeeindruckt von allem anderen ist, um sie mit bestimmten Querverweisen in Beziehung zu setzen. Toll war diese Ausstrahlung vor allem deshalb, weil das mal klassisch, mal angekitscht Wirkende von Dominique nie ins allzu Ausgewogene glitt. Gegenharmonien gab es viele, gar ein wahres Ensemble unüblicher Details: Die Gaststimme von Krylon Superstar, zielstrebig tastende Texte, zwischen zu langen Nächten auf der Tanzfläche und dem Anblick des schönen Gegenübers erdacht. Und als Träger dieser Texte gab es eben den Gesang von Dominic Eichler, zwischen Instrumenten, deren Klangfarben sich gegenseitig nicht im Weg standen.

Vor kurzem ist nach längeren Detailschliffs nun die zweite Platte von Dominique erschienen: »The same You«. Wie in der Spex bereits zu lesen war, macht sie zunächst den Eindruck, dass es, schade, schade, ein »literarisches Pop-Fragment« wie »Speak to me« kein zweites Mal geben kann. Aber es gibt Ersatz. Dominique sind nach vorne gegangen und haben die glückliche Fügung von »Speak to me« gegen mehr Druck und Bühnenreife getauscht.

Dank des Klangbilds lässt »The same You« an viel Zeit und Raum denken, die das Kollektiv sich peu à peu genommen hat. Treibende Gitarren werden mit Cello, Trompete, Schlagzeug und Bass vermengt, während im nächsten Stück schon wieder die Gitarren nach hinten rücken, damit die Orgel Platz bekommt. Ninon Liotets frankophone Stimme, die auf »Speak to me« schon angenehm auffällig war, setzt den entschlossenen Schlusspunkt. Zuvor wurden rund um Eichlers Rezitativtimbre bewusste Vergänglichkeiten (»My body is a souvenir«) oder verpasste Gespräche (»Phone Call«) vertont. Vieles geht. Anderes darf bleiben: ein kaltwarmer Surround-Sound, der Harmonien, Spieltrieb, Queerness und Ironiefreiheit innerhalb von 40 Minuten verbindet.

Es ist gut so. Ein erneuerter Wachtraum, wieder mal wahr. Zum Seufzen? Ja und nein. Bei allen ergriffenen Worten, die man zu Dominique des gebotenen Weitersagens wegen finden muss, haben sie nämlich auch, und jetzt erst recht, zu einer Leichtigkeit gefunden, der man mit entzückten Gesten kaum entsprechen kann. Freude. Merci, chérie.

Dominique: Speak to me. Tête-à-Tête