Dope to lose

Leistungssteigernde Mittel sind auch im Reitsport beliebt. Fliegt das auf, ist das Gejammer groß. von elke wittich

Kurz nach der Military-Konkurrenz bei den Olympischen Spielen war die Aufregung in Deutschland groß. »Sie klauen uns unser Gold!« brachte Bild die Meinung der meisten Sportfans auf den Punkt, die es nicht fassen konnten, dass der Equipe um die Reiterin Bettina Hoy gleich zwei Medaillen aberkannt wurden.

Seit einigen Tagen steht jedoch fest: Auch ohne die umstrittene Entscheidung der Jury wäre das Gold futsch gewesen, denn Hoys Pferd Ringwood Cockatoo war mit der verbotenen Substanz Hydroxy-Diphenhydramin gedopt worden.

In der Dopingprobe des Hengstes Goldfever von Springreiter Ludger Beerbaum fand sich zudem das verbotene Medikament Betamethason, zwei weitere Pferde, u.a. das des irischen Olympiasiegers Cian O’Connor, stehen ebenfalls unter Dopingverdacht.

Dass ausgerechnet deutsche Reiter ihre Tiere mit verbotenen Substanzen behandelten, sollte jedoch nicht weiter verwundern: Beim Weltcup-Finale in Mailand, knapp zwei Monate vor dem Beginn der Olympischen Spiele, war gerade erst das Pferd Shutterfly der deutschen Reiterin Meredith Michels-Beerbaum, der Schwägerin von Ludger Beerbaum, positiv getestet worden; in der Urinprobe war die verbotene Substanz Acepromazin entdeckt worden.

Michaels-Beerbaum reagierte damals sofort und engagierte den Schweizer Rechtsanwalt Ulf Walz, der von »regelwidriger Probenentnahme« sprach und erklärte, die B-Proben-Analyse sei »in krasser Missachtung der Verteidigungsrechte« durchgeführt worden.

Die Reiterin durfte nicht bei den Olympischen Spielen starten, die Deutsche Reiterliche Vereinigung erklärte zu dem Fall: »Es wurden Metaboliten (Abbaustoffe, E.W.) der verbotenen Doping-Substanz Hydrozy-Promazine (Bestandteil des Beruhigungsmittels Acepromazin, E.W.) gefunden. Bisher gibt es keine Erklärung dafür, wie es zu diesem positiven Befund gekommen sein könnte.«

Ulf Walz hatte bereits die deutsche Dressurreiterin Ulla Salzgeber vertreten, deren Pferd Rusty im März 2003 beim Saisonfinale in Göteburg positiv auf Testosteron getestet worden war. Die Dressurreiterin bestritt nicht, dass dem Tier Hormonpräparate verabreicht wurden, sondern erklärte, dies sei »legal im Training« geschehen. Wegen einer Hauterkrankung sei Rusty vom Schweizer Veterinär Hans Stihl »im Rahmen einer Routineuntersuchung« mit dem Präparat Testosteron-Propionat behandelt worden.

Anfang Juni dieses Jahres gab das NOK ihrem Antrag auf Teilnahme an den Olympischen Spielen von Athen statt, da es sich bei der Doping-Affäre um Rusty »um einen minder schweren Fall« gehandelt habe.

Pferdedoping ist dabei keine Erfindung der Neuzeit: Bereits in der Antike experimentierten Wagenlenker mit Wundermittelchen, die Römer schwörten auf eine Wasser-Honig-Mischung, die die Pferde angeblich schneller laufen ließ.

Das Wort Doping stammt aus der Sprache der Zulus, wo »Doop« für »berauschenden Schnaps« steht; im Englischen wurde es erstmals im Pferdesport verwendet. Die Tiere wurden vor wichtigen Rennen entweder mit aufputschenden Mitteln (dope to win) oder mit schlappmachenden Mitteln (dope to lose) behandelt; meist jedoch vergifteten die Besitzer sie mit Arsen und setzten ihr Geld auf den Konkurrenten. Im 17. Jahrhundert nahm das Pferdedoping anscheinend so überhand, dass in einer englischen Kleinstadt das erste Dekret gegen die Verwendung leistungsbeeinflussender Mittel erlassen wurde. Zum ersten Mal gelang es allerdings erst 1812, ein solches Vorgehen zu beweisen, aber nur, weil ein Doper auf frischer Tat ertappt worden war.

Dopende Besitzer hatten lange Zeit ihre Ruhe, der erste Dopingtest wurde erst 1910 entwickelt; einem russischen Chemiker war es gelungen, ein Verfahren zum Nachweis von Alkaloiden im Pferdespeichel zu entwickeln.

Mittlerweile unterscheiden sich Dopingtests bei Pferden kaum von denen, die bei Menschen durchgeführt werden. Der Urin oder das Blut der während des Wettbewerbs ausgelosten Tiere wird von einem Veterinär im Beisein des Besitzers und eines unabhängigen Zeugen entnommen, die versiegelten Test-Kits werden dann an das Institut für Biochemie an der Kölner Sporthochschule geschickt. Nur wenn die A-Probe positiv ausfällt, öffnen die Experten die versiegelte B-Probe.

Getestet wird auf ähnliche Substanzen wie bei Sportlern: Das dope to win bei Rennpferden kann zum Beispiel darin bestehen, den Tieren kurz vor dem Start Ephedrin, Kokain, Amphetamin oder Koffein zu verabreichen, die langfristige Behandlung von Dressur- und Springpferden umfasst Gaben von Steroiden, Nandrolon und allen anderen Substanzen, die man vom Menschendoping her kennt, bis hin zum Blutdoping.

Die in den sechziger Jahren eingeführten und seither immer wieder den medizinischen Fortschritten angepassten Bestimmungen gegen das Doping von Pferden sollen nicht nur die Tiere vor ihren ehrgeizigen Besitzern schützen, sondern vor allem die Menschen. Das zahlende Publikum und die Wetter zum Beispiel vor Täuschung, die anderen Wettkampfteilnehmer vor Tieren, die leicht außer Kontrolle geraten können, und Züchter davor, zum Beispiel viel Geld für Nachwuchs eines Hengstes auszugeben, der seine sportlichen Spitzenleistungen lediglich wegen gezielten Dopings erreichte.

Immerhin: Keinem unter Dopingverdacht stehenden Pferd, das auch nur über eine Spur Selbstachtung verfügt, würden Sätze über die Lippen kommen wie »Ich konnte ja nicht wissen, dass in meinen Nahrungsergänzungsriegeln verbotene Stoffe waren!« beziehungsweise »Irgendjemand muss mir was in meine Zahnpasta getan haben!« Blöderweise können Pferdebesitzer sehr wohl sprechen, und blöderweise sagen sie dann Sachen wie Bettina Hoy: »Ich habe mich dabei auf die Erlaubnis unseres Mannschaftstierarztes Carsten Weitkamp verlassen, der sich vorher extra bei einem der zuständigen Tierärzten der FEI (Internationale Reiterliche Vereinigung) erkundigt hat, ob diese Behandlung erlaubt sei.«

Warum eine Schwellung ausgerechnet mit einem Inhaltsstoff behandelt werden muss, der gegen Ein- und Durchschlafstörungen eingesetzt wird, sagte Hoy nicht. Wahrscheinlich hat ihr Pferd in der olympischen Aufregung einfach nur die Medikamente verwechselt …