Comeback der Nationalsozialen

Die NPD gibt sich sozial und ruft zur Beteiligung an Montagsdemonstrationen auf. Diese Strategie könnte sie zu einem Erfolg bei der sächsischen Landtagswahl führen. von jörg kronauer

Rot ist das Plakat, weiß die Schrift darauf, schwarz das Logo: »NPD. Die Nationalen.« Die geballte weiße Faust zeigt Kampfbereitschaft: »Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD«. Die Proteste gegen das rot-grüne Verarmungsprogramm kommen der Neonazi-Partei gerade recht. Seit geraumer Zeit befindet sich ihr sächsischer Landesverband im Aufwind, am 19. September stehen Landtagswahlen an. Gelingt es der NPD, einen Teil der Protestbewegung auf ihre Seite zu ziehen, dann scheint der Sprung über die Fünfprozenthürde für die Schwarz-Weiß-Roten nicht mehr schwer. Die Beteiligung rechtsextremer Vereinigungen an den Anti-Hartz-Demonstrationen hat Aufsehen erregt. Dabei konnte der rechte Aktivismus eigentlich nicht besonders überraschen. National und angeblich sozial motivierte Agitation wird von der extremen Rechten seit langem eingesetzt. Oft wird sie mit einem vermeintlich antikapitalistischen Antisemitismus verbunden und damit zur national-sozialistischen Propaganda. Und bietet sich wie jetzt eine passende Gelegenheit, dann bringt der anständige Neonazi seine Botschaft selbstverständlich auch unters deutsche Volk. Jürgen W. Gansel ist so einer. Verlagsangestellter ist der 30jährige Historiker zurzeit, er arbeitet beim Verlag Deutsche Stimme in Riesa als Redakteur der gleichnamigen Parteizeitung der NPD. Bei den Kommunalwahlen kandidierte Gansel für die NPD, auf der Parteiliste für die sächsischen Landtagswahlen steht der Burschenschafter auf Platz zwölf. Und er macht Wahlkampf mit dem Mittel, das einem redlich schaffenden deutschen Kopfarbeiter gegeben ist: Er schreibt flammende Aufrufe zur nächsten Montagsdemonstration. »Die soziale Kahlschlagpolitik der Kartellparteien«, schreibt Gansel hoffungsvoll in der Deutschen Stimme, »könnte einmal als Anfang vom Ende des volksverachtenden BRD-Systems in die Geschichtsbücher eingehen.« Gansel will den Umsturz, denn: »Ab dem 1. Januar 2005 findet der größte soziale Raubbau in der deutschen Nachkriegsgeschichte statt.« Das Schlimme daran: »Trotz aller Sparzwänge«, meint Gansel, werden »Ausländer und das Ausland weiterhin großzügig finanziert«. Es findet also Verrat am deutschen Volk statt. Michel und Tante Erna darben, während deutsche Arbeit in der Fantasie der NPD den Migranten von nebenan und seinen Familiennachzug ernährt. Was braucht’s statt dessen? Eine »sozial gerechte Volksgemeinschaft«, sagt Gansel. Den Sozialstaat könne man sichern, wenn man »den Ertrag der nationalen Wirtschaftsleistung ausschließlich dem eigenen Volk zugute kommen lässt und Ausländer strikt von jeder Teilhabe am Sozialstaat ausschließt«. Gansel fordert: »Deutsches Geld für deutsche Menschen«. Das ist national, das ist in seinen Augen sozial, jedenfalls für Deutsche, und wenn man es per Umsturz gegen ein eingebildetes »jüdisches Finanzkapital« durchsetzen zu müssen meint, dann ist es vielleicht sogar national-sozialistisch. Das Konzept ist alt. »Wir fordern, dass sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und Lebensmöglichkeit der Staatsbürger zu sorgen«, hieß es in Punkt sieben des Parteiprogramms der NSDAP vom 25. Februar 1920. »Wenn es nicht möglich ist, die Gesamtbevölkerung des Staates zu ernähren«, verlangte die Partei damals weiter, »so sind die Angehörigen fremder Nationen (Nicht-Staatsbürger) aus dem Reiche auszuweisen.« In ihr Programm schrieben die Nazis auch, dass ein Staatsbürger »geistig oder körperlich (…) schaffen« müsse und die »Brechung der Zinsknechtschaft« zu den drängendsten Aufgaben gehöre: ein antikapitalistisch räsonnierender Antisemitismus, der vor allem Jüdinnen und Juden traf, die die NSDAP als »raffendes« Gegenbild des »schaffenden Deutschen« und als Verkörperung des »internationalen Finanzkapitals« halluzinierte. Vermeintlich soziale, angeblich sozialistische Propaganda spielte für die erstarkende NSDAP von Beginn an eine wichtige Rolle. Schwarz, weiß und rot – die Farben der Hakenkreuzfahne – sollten das Gesamtkonzept symbolisieren. »Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken unser Bewegung«, verkündete Adolf Hitler in »Mein Kampf«, »im Weiß den nationalistischen, im (schwarzen) Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und (…) der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird.« Die Demagogie verfing, die Krise stärkte die Partei. »Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD«: Schwarz-weiß-rot sind die Plakate, mit denen die NPD derzeit Wahlkampf betreibt. Die Partei nutzt die Krise, um mit ihrer angeblich sozialen Agitation ihren Rückhalt in der Bevölkerung zu stärken. Ähnlich ging sie gelegentlich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre vor. »Anfang 1966 hatten Meinungsumfragen ein rasch anwachsendes Gefühl sozialer Bedrohung und wirtschaftlicher Unsicherheit ermittelt«, schrieben Reinhard Kühnl, Rainer Rilling und Christine Sager 1969 in ihrer Studie »Die NPD. Struktur, Ideologie und Funktion einer neofaschistischen Partei«. Sie stellten fest: »Punktuell (…) entwickelt die NPD Ansätze zu einer scheinbar sozialradikalen Demagogie.« In sieben Landtage zog die Partei zwischen 1966 und 1968 ein, erst das knappe Scheitern bei der Bundestagswahl 1969 brach ihre Erfolgsserie und schwächte sie auf lange Zeit. Freilich war die NPD in den sechziger Jahren noch vorsichtiger als heute. »Von ›Sozialismus‹ ist bei der NPD – im Unterschied zur NSDAP – nicht die Rede«, schrieben Kühnl, Rilling und Sager damals. »Die NPD ist der organisierte Wille der Deutschen gegen Fremdbestimmung, Überfremdung, Globalisierung und kapitalistische Ausbeutung«, verkündet der sächsische NPD-Spitzenkandidat Holger Apfel heute. Und Gansel wird noch deutlicher. Die Montagsdemos »können den Stein ins Rollen bringen, der auch die BRD auf die Müllhalde der Geschichte schleudert und damit der Wiederherstellung einer solidarischen Volksgemeinschaft den Weg ebnet«, schreibt er in der Deutschen Stimme. Bedrohlich macht die Agitation der NPD auch, dass sie bei allem irrationalen Wahn eine materielle Grundlage hat. Denn im Angesicht wachsender Verarmung stehen den Deutschen im von der Krise erfassten europäischen Wohlstandszentrum zwei Optionen zur Verfügung. Entweder man trotzt Staat und Kapital das benötigte Kleingeld ab oder man sichert sich im Bündnis mit den Mächtigen Standortvorteile gegenüber den Armutsregionen der Welt und sperrt Hungerleidende aus. »Deutsches Geld für deutsche Menschen«, heißt die Losung. Geringerer Wohlstand, auf weniger Personen verteilt, das Konzept scheint immer noch attraktiv. Hier hat der völkische Wahn seinen angeblich sozialen Kern. Die NPD jedenfalls arbeitet daran, ihn zu entfalten. »Alle Mitglieder, Anhänger und Freunde der NPD sind aufgerufen, an den Montagsdemonstrationen gegen die Abwicklung des Sozialstaates Deutschland teilzunehmen«, heißt es auf der Website der Partei. »In der Globalisierungsära, in der es für das Volk immer weniger zu verteilen gibt«, schreibt Gansel, »muss ein jeder Inländer mit gesundem Selbsterhaltungsinstinkt ein so genannter ›Ausländerfeind‹ sein.« Kampfbereitschaft zeigt die geballte weiße Faust auf dem Plakat. »Quittung für Hartz IV: Jetzt NPD«.