Konzentration und Endlösung

in die presse

»Wagemutig verhalten wir uns antizyklisch, haben vier neue Stellen geschaffen und eine neue Woz entworfen – mit viel Spaß und der unbezahlbaren Freiheit, das zu tun, was uns wichtig erscheint.« Mit diesen Worten erklärte die deutschsprachige Schweizer Wochenzeitung Woz im Herbst vergangenen Jahres die Neugestaltung des Blattes. Vor allem den Vorsatz zu tun, was ihnen wichtig erscheint, meinen die Redakteurinnen und Redakteure in Zürich offenbar ernst.

»Idealer Humus für Hamas« ist ein Beitrag von Arnold Hottinger in der Ausgabe vom 22. April umschrieben. Die These des Textes lautet: »Mit voller Rückendeckung aus Washington will Ariel Sharon seiner Endlösung näher kommen.« Sharon plane mit seinem einseitigen Abzug aus dem Gaza-Streifen und der Annexion palästinesischen Gebietes schlicht einen »Staat der Juden in ›Großisrael‹« und die »Konzentration und Einsperrung der PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten in mehrere enge Enklaven«. Endlösung, Konzentration, das hört sich nach Nazi-Politik an, und das soll es wohl auch. Nur ist sich Hottinger nicht sicher, wer nun eigentlich der neue Adolf Hitler ist, Sharon oder der US-Präsident George W. Bush. Denn dieser unterstütze Sharons Vorhaben und ignoriere dabei das Völkerrecht. Hottinger hat etwas aus der Geschichte gelernt: »Man sollte sich daran erinnern, dass Hitler und Mussolini sich zu Beginn ihrer Karrieren sehr ähnlich verhielten, als sie im Jahr 1933 zusammen mit Japan den Völkerbund zerstörten.«

Es ist richtig, dass der allzu häufig erhobene Vorwurf des Antisemitismus abstumpfen kann. Andererseits, wie soll man das nennen, was Hottinger betreibt? Israelkritik? In seinem Artikel fehlt eigentlich nur der Hinweis, Sharon habe nichts für die Palästinenser übrig außer Zyklon B. Bei Hottingers Vorliebe für Nazimetaphern kann man das vielleicht demnächst von ihm lesen. Die neue Woz macht’s möglich.

stefan wirner