Don’t Ask Me Questions

Die US-Untersuchungskommission zum 11. September 2001 von tim blömeke

Über Sinn und Zweck von Untersuchungskommissionen kann man verschiedener Meinung sein. Im Falle der unabhängigen Kommission zu den Anschlägen des 11. September 2001 gilt dies ganz besonders. Der Gegenstand der Untersuchung, ob und unter welchen Umständen die Anschläge hätten verhindert werden können, ist hypothetisch. Die Fragen sind meist vom Typ »Wer wusste was wann?«, »Wer hätte was wann wissen können?« oder »Hätten Personen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Informationen hätten haben können, anders handeln müssen?«

Die Konsequenzen einer negativen Erwähnung im für den Herbst erwarteten Abschlussbericht der Kommission für die betreffende Person wären desaströs. Das wissen alle Beteiligten, und dementsprechend ist die Arbeit der Kommission dermaßen taktisch überfrachtet, dass von einer sachlichen Untersuchung kaum mehr die Rede sein kann. Das Verhalten der Regierung und der republikanischen Kongressmehrheit aber ist ein Lehrstück über Schadensbegrenzung.

Zum Beispiel das Zustandekommen der Kommission Ende 2003: Demokratische Mitglieder des Geheimdienstausschusses des Senats ergreifen eine entsprechende Initiative, der republikanische Vorsitzende Pat Roberts blockt ab. Das Medieninteresse steigt, man kann sich nicht mehr verweigern. Nach langem Hin und Her wird die Kommission gemeinsam vom Kongress und von der Regierung eingesetzt, der Vorsitzende wird von George W. Bush ernannt.

Der republikanisch dominierte Kongress bewilligt der Kommission einen Etat von 15 Millionen Dollar, die Untersuchung von Präsident Bill Clintons Sexaffären war den Republikanern fast die fünffache Summe wert. Gleichzeitig verweigert die Regierung den Zugang zu Dokumenten, Kabinettsmitglieder sollen nicht vor der Kommission aussagen dürfen. Es kommt zum Eklat, die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice muss aussagen und gibt zu, dass der Titel des täglichen Geheimdienstberichtes an den Präsidenten am 6. August 2001 lautete: »Bin Laden Prepared to Strike Inside the US.« In früheren Darstellungen fehlte das Wörtchen »inside«.

Abgesehen von dem pathetischen Auftritt des Sicherheitsberaters von Bill Clinton, Richard Clarke, und von vier Witwen von Opfern der Anschläge ist dies das einzige halbwegs spektakuläre Ereignis. Der ganze Rest des Wer-wusste-was-wann-Spielchens, die Verschieberei des Schwarzen Peters zwischen den Ermittlungsbehörden und so weiter, sind zu komplex für die Analyse vor breitem Publikum. Liberale Medien regen sich ein wenig auf, ansonsten scheint sich niemand dafür zu interessieren. Bushs Popularitätswerte steigen wieder.

Völlig rätselhaft ist dann am vergangenen Wochenende, dass die Kommission endlich Bush befragen darf, aber nur im Rahmen einer Audienz im Weißen Haus, in Gegenwart des Vizepräsidenten Richard Cheney und des Regierungsanwalts Alberto Gonzales, ohne Protokoll, ohne Bandmitschnitt. Zwei demokratische Ausschussmitglieder verlassen die Sitzung vorzeitig wegen anderer Termine, am Ende geben sich alle Teilnehmer hoch zufrieden. Alle Fragen seien beantwortet, der Ton sei herzlich gewesen.

Unbequeme Enthüllungen muss die Regierung nun kaum noch fürchten, der Abschlussbericht dürfte einen Freispruch für alle zuständigen Führungspersonen enthalten, eine weitere offizielle Untersuchung wird es nicht geben, und die innenpolitischen Konsequenzen des 11. September bleiben unter der Kontrolle der Regierung. Wenigstens hier kann Bush zu Recht sagen: mission accomplished.