Laut, stolz, jüdisch

In den USA gibt es »Star of Davidson«, einen Motorradclub für jüdische Harley-Fans. von elke wittich

We’re loud, we’re proud, we’re Hebrew.« Die Mitglieder des gerade gegründeten amerikanischen Motorradclubs Star of Davidson sind weder schweigend noch Mehrheit. Wenn die hundert organisierten Biker unterwegs sind, dürfte es ziemlich schwer sein, sie zu überhören, denn jeder von ihnen fährt eine richtig schwere Maschine.

Musste dazu aber extra ein Club gegründet werden? »Es war allerhöchste Zeit, mal mit der Vorstellung aufzuräumen, dass brave jüdische Jungs sich nie die Hände schmutzig machen«, lacht der Vorsitzende und Vereinsgründer, Drew Rayman, auf die Frage, die ihm sicher schon hunderte Male gestellt wurde. »Nein, im Ernst, es gibt viele Gründe, warum wir das Motorradfahren so lieben. Nur, die Rebellion gegen das behütende Elternhaus gehört ganz sicher nicht dazu. Wir sind schließlich alle schon lange aus der Pubertät raus.« Die Geschichte seines Vereins schildert er so: »Im vergangenen Jahr fuhr ich nach Daytona, dem Treffpunkt für amerikanische Motorrad-Freaks. Dort fiel mir auf, dass wirklich jede nur vorstellbare Gruppe vertreten war. Es gab zum Beispiel die Christian Bikers, die Hells-Angels und auch ein paar Neonazis. Aber ein jüdischer Motorradclub fehlte völlig.«

Nun gibt es ihn. Und seit die vom Vorsitzenden Rayman persönlich gestaltete Homepage www.starofdavidson.com online ist, melden sich beinahe täglich Biker, die gern Mitglied werden wollen.

Die Stars of Davidson seien kein elitärer Club, sagt der dreiundvierzigjährige ehemalige IT-Manager. »Unsere Aufnahmekriterien sind nicht besonders streng. So sind uns sogar Leute, die andere Marken als Harley Davidson fahren, sehr willkommen. Man muss nicht mal unbedingt Jude sein, um mitmachen zu können. Es reicht, mit Juden befreundet zu sein, wie der moslemische Biker, der seit einiger Zeit bei uns mitfährt.«

Drew Rayman war eigentlich »schon immer« ein ausgesprochener Zweirad-Fan. New York City, wo er aufwuchs, erwies sich jedoch nicht als besonders motorradfreundliche Stadt: »Ich hatte einige heftige Unfälle. Und jedes Mal, wenn ich den Hobel irgendwo abgestellt hatte, fand ich ihn am nächsten Tag schwer misshandelt vor. Mal war die Maschine sehr böse verhauen worden, mal wurde sie von der Nachbarschaft zur Müllhalde umfunktioniert. Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Abfall allein auf den Sattel eines Motorrades passen kann, wenn nur alle Nachbarn zusammenarbeiten. Und hin und wieder fand ich das arme Ding sogar in Rückenlage vor. Nein, das war wirklich keine schöne Zeit.«

Nach seiner Heirat gab Rayman das Motorradfahren jedoch für eine Weile ganz auf, »denn als Familienvater hat man andere Prioritäten«. Ausgerechnet das Ende der New Economy sorgte dann jedoch dafür, dass er seine alte Leidenschaft wiederentdeckte. Kurz vor dem großen Crash hatte er sein IT-Unternehmen gewinnbringend verkauft und plötzlich genug Zeit und Geld, sich wieder seinem Hobby zu widmen. Seither fährt Drew eine »Fat Boy«, eine besonders schwere Harley Davidson. Warum ausgerechnet diese Marke? »Na, die Maschinen werden schließlich in den USA hergestellt. Und sie sind sehr, sehr laut!«

Das ist ein wichtiger Aspekt, wie ein Blick ins Forum der von Rayman gestalteten Website der Stars of Davidson beweist. Da beklagt sich etwa ein Mitglied: »Die Honda Shadow ist viel zu leise!« Er erhält nicht nur viel Mitleid, sondern auch handfeste Tips, wie man das blöde Ding lauter machen kann.

Aber es geht nicht nur um Motorrad-Probleme. In einer eigenen Abteilung des Forums ist die Religion Thema. Ist sie für Drew wichtig? »Oh ja, doch, obwohl ich mich selbst eigentlich nur als spirituellen Juden bezeichnen würde. Das bedeutet, dass ich nur ganz selten in die Synagoge gehe und absolut nicht koscher esse. Jude zu sein, bedeutet auf der anderen Seite aber für mich, dass ich diejenigen, die religiös sind, unterstütze und mit ihnen solidarisch bin.«

Einige Biker klagen im Forum darüber, dass ihre Rabbiner nicht davon begeistert sind, wenn sie am Wochenende auf ihren Harleys unterwegs sind. Drew sieht das positiv: »Es ist doch nur gut, wenn einen jemand daran erinnert, dass Motorradfahren gefährlich sein kann.«

Ein anderes religiöses Problem stellt für einige Mitglieder die Mezuzah dar. Die Pergamentrolle mit einemThoratext, die normalerweise in einer Hülse am Türpfosten befestigt wird, gibt es im Internet-Shop der Stars of Davidson in einer wetterfesten Motorradversion. Über die Frage, ob man dieses Teil überhaupt an einem Motorrad befestigen darf und wenn ja, wie man es korrekt anbringt, entbrannte eine heftige Diskussion.

Die meisten Zuschriften im Forum erhält jedoch ein Biker, der sich Sorgen um die Auswirkungen seines Tattoos macht: »Mir wurde immer erzählt, dass Tätowierungen verboten sind und ich damit nicht auf einem jüdischen Friedhof beerdigt werden kann. Was werden sie dann vor meiner Beerdigung mit mir machen, mich sandstrahlen?« Kurze Zeit später steht fest: »Mach’ dir keine Sorgen. Ich bin in der Chewra Kadischa in Baltimore und habe gestern unseren Vorsteher gefragt: Man sollte sich nicht tätowieren lassen, aber ein Tattoo ist sicher kein Grund, die Beerdigung zu verweigern!«

Drew Rayman freut sich über diese Diskussionen: »Sie zeigen die Solidarität unter Motorradfahrern, Biker-Clubs sind Sozialgemeinschaften.« Man wolle doch vor allem Spaß haben. So bestehen auch »neunzig Prozent des Clublebens« exakt aus dem, was sich der Durchschnittsbürger darunter vorstelle: »Wir machen Ausflüge, reden über unsere Hobel, genießen die Natur, essen und trinken leckere Sachen.«

Möchten die Stars of Davidson denn vielleicht gern Zweigstellen in anderen Ländern gründen? »Unbedingt«, sagt Drew, »das ist ein sehr schöner Gedanke.« Eine deutsche Dependance wäre »richtig cool. Wer also eine ins Leben rufen möchte, soll mir nur unter drew@starofdavidson.com mailen.«