Regieren mit der Keule

Schröder droht und droht von jörg sundermeier

Sind wir auf dem Weg in die Drohgesellschaft? Der Bundeskanzler Gerhard Schröder jedenfalls droht permanent. Er trete zurück, ließ er auch in der vergangenen Woche wissen, sollte es bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform nicht zu einer Mehrheit für die rot-grüne Koalition kommen.

Nun waren es lustigerweise sechs Abgeordnete der SPD, die am vergangenen Freitag im Bundestag gegen die Reform stimmten, während die grüne Fraktion in gewohnter Manier brav blieb. Lediglich ein grüner Abgeordneter brachte den Mut auf, sich zu enthalten. Die Gruppe um den Grünen Hans-Christian Ströbele hatte sich zuvor mit dem Kanzler getroffen und sich zur Zustimmung überreden lassen. Dafür, so sagte Ströbele, werde die Regierung der Gruppe bei den neuen Hartz-Gesetzen entgegenkommen.

Ströbele war also wieder einmal der eigentliche Sieger, als er und die Seinen dem zustimmten, was sie eigentlich ablehnten.

Die Koalitionsmehrheit jedenfalls kam knapp zustande, und Schröder blieb. Diejenigen Abgeordneten der SPD jedoch, die demokratisches Gebaren und ihre Gewissensfreiheit wichtiger als den Fraktionszwang nahmen, werden nun unter Druck gesetzt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering nannte die Abweichler »feige und kleinkariert« und kündigte an, dass er ein weiteres »Spiel mit dem Feuer« nicht mehr dulden werde.

Die mehr oder minder direkte Rücktrittsdrohung Schröders war bereits die vierte in diesem Jahr. Nun ist es tatsächlich so, dass ein Kanzler, dessen Regierungsvorhaben von den Koalitionsfraktionen nicht unterstützt werden, sich fragen muss, ob er noch an der Macht bleiben kann. Andererseits könnte man die Reformen auch so gestalten, dass sich sichere Mehrheiten für sie finden ließen.

Doch Schröder ist kein Mann des Überzeugens, er appelliert lieber an den Überlebensinstinkt der Koalitionäre. Die, die nicht mit ihm gehen, gehen unter. So hält er die eigene Fraktion im Zaum, grüne Prinzipien werden angesichts solcher Drohungen eh stets aufgegeben, angesichts einer »Überheblichkeit, wie sie für Gerhard Schröder typisch ist« (Helmut Kohl).

Schröder liegt mit seiner Bemühung der Affekte und Ängste voll im Trend. Jeder Psychologe empfiehlt seinen Patienten heutzutage, in allen Lebenslagen mehr an sich zu denken, auch dann, wenn der psychischen Erkrankung eine narzisstische Störung zugrunde liegt. Wenn der Kanzler also mit seinem Rücktritt droht, macht er, was er machen muss, um mit seinem Job glücklich zu bleiben.

Inzwischen ist die Schrödersche Drohgebärde bereits zu einem Allgemeingut geworden. Hört man nicht immer wieder von Leuten, dass sie ihren Job schmeißen werden, wenn es nicht bald eine neue Kaffeemaschine in der Firma gibt, dass sie ihre Liebesbeziehung beenden werden, wenn der Partner noch einmal eine Viertelstunde zu spät kommt, und dass sie ihr Haus abreißen werden, sollte die geplante neue Flughafenrollbahn tatsächlich gebaut werden? Ja, gibt es nicht sogar einige Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, die schwören, dass sie nicht mehr zur Abstimmung gehen werden, wenn Schröder weiter droht?

Das Pech all dieser Leute ist nur, dass ihre Drohungen nicht ernst genommen werden. Und dann muss man eben leider doch bleiben, denn eine Beziehung zu beenden, ein Haus abzureißen, einen Job zu schmeißen ist so einfach nicht. Nur einem Kanzler traut man so etwas offensichtlich zu.