Out of Politics

6. Antirassistisches Grenzcamp von massimo perinelli

Unter dem Motto »Out of Control« fand in Köln das 6. Antirassistische Grenzcamp statt, das am vergangenen Samstag mit einem brutalen Polizeieinsatz endete (siehe Seite 10). Dem kollektiven Zelten war ein dreitägiges Auftaktforum vorangestellt, das den »Antirassismus ausbuchstabieren« wollte. Es galt, »verschiedene antirassistische Politikansätze (...) stärker aufeinander zu beziehen und bestehende Kampagnen zu bündeln«.

Diesem Anspruch wurde das Forum nicht gerecht. Das mag auch an der Form der Veranstaltung gelegen haben. Spezialisten saßen auf Podien in einer Hochschule und gaben mäßige Vorträge zum Besten. Aber vor allem schafften es die beteiligten Gruppen wie Kein Mensch ist illegal, elexir-a, Kanak-Attak, Karawane, The Voice, die Flüchtlingsinitiative Brandenburg und auch das Campvorbereitungsteam nicht, die grundlegenden Widersprüche ihrer Analysen und ihrer politischen Arbeit zur Sprache zu bringen. Die Angst davor, die Einheit der Bewegung zu gefährden, spielte dabei wohl eine große Rolle.

So blieb es einerseits bei der Fixierung auf die rassistischen Verhältnisse. Wahlweise wurden die rassistische Politik des Staates oder die elende Situation der MigrantInnen – meist subsumiert unter dem Label des Flüchtlings – beschrieben. Andererseits war ständig die Rede vom eigenen Verhältnis zu den Nichtdeutschen.

Viel zu wenig Resonanz fanden dagegen die Versuche, auf die Kämpfe der MigrantInnen für das Recht auf ein gutes Leben aufmerksam zu machen. Aus dieser Perspektive sind Rassismus, Grenzregime und das Verhältnis zu den Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft auf der Ebene der Subjekte nicht mehr die zentralen Probleme, sondern bloß lästige Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Kaum vermittelbar war, dass diese Kämpfe viel mehr in Frage stellen als die Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen und viel mehr wollen als sich anzupassen oder auch nicht. So betrachtet, stellt die Migration automatisch die Verhältnisse in allen Bereichen in Frage und linke Kämpfe lassen sich darin artikulieren.

Auf dem anschließenden Camp fand das inhaltliche Scheitern seine Fortsetzung. Es wurde ständig von »dem Flüchtling« gesprochen und Bezug auf dieses Konstrukt genommen, um sich anschließend darüber gegenseitig geradezu moralisch zur Solidarität im antirassistischen Kampf zu erpressen. Vereinzeltem Widerspruch zu dieser Inhaltsentleerung wurde mit Ausschlussforderungen begegnet, in dem sicheren Gefühl, dass sich in Deutschland immer noch am einfachsten über das Bedürfnis nach innerer Reinheit vergesellschaftet wird.

Neben diesem ganz unten angekommenen Antirassismus gab es täglich gute und gelungene Aktionen gegen Nazis und am Abschiebegeschäft beteiligte Institutionen sowie Veranstaltungen zu Themen wie Zwangsarbeit oder Arisierung. Auf eine Verknüpfung der politischen Inhalte der Aktionen mit den grundsätzlichen inhaltlichen Fragen wartete man vergeblich.

So schmerzhaft es auch sein mag, man sollte sich wirklich fragen, ob die Fixierung auf den Antirassismus nicht die schlechten Verhältnisse affirmiert, die in der gebetsmühlenartigen Reformulierung der Herrschaftsverhältnisse zwischen MigrantInnen und der deutschen Linken ständig zu neuem Leben erweckt werden.

Eine französische Genossin von den sans papiers zeigte auf einem Plenum, dass es auch anders geht: »Ich bezeichne mich nicht als Antirassistin, ich mache ausgehend von den Kämpfen der Migration Politik zusammen mit Flüchtlingen. Bei uns ist das kein Widerspruch!« Es bleibt kaum zu hoffen, dass die Empörung über den Polizeiangriff Raum lassen wird, über diesen Satz nachzudenken.