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Ende mit Schrecken

Antirassistisches Grenzcamp. Am zehnten und letzten Tag wurde das 6. antirassistische Grenzcamp in Köln von mehreren Hundertschaften der Polizei brutal geräumt. Bereits am Samstagmittag sperrten Beamte unter dem Vorwand, angebliche Straftäter verhaften zu wollen, das Camp ab. Wasser- und Telefonleitungen wurden zeitweise gekappt und einzelne »Campistas« verhaftet, während in der Innenstadt etwa 60 Rechtsextremisten demonstrierten. Die Stadt Köln kündigte den Platz auf den Pollerwiesen vorzeitig.

Später wurden die meisten der noch im Camp Anwesenden, darunter viele Flüchtlinge, abgeführt und in die Gefangenensammelstelle in Brühl gebracht. In vielen Städten Deutschlands fanden Protestaktionen gegen das Vorgehen der Polizei statt.

Reich und gesund

Gesundheitspolitik. Warum eigentlich die ganze Aufregung um einen unsympathischen Rotzlöffel aus der Jungen Union (JU), der doch nur einen von vielen Vorschlägen machte, wie die Krankenkassen künftig sparen können? Philipp Missfelder, Vorsitzender der JU, 23 Jahre alt, dessen Mutter nach einem Bericht der Berliner Zeitung bereits fürchten muss, dass ihr Sprössling von Seniorengruppen in die Mangel genommen wird, löste in der vergangenen Woche große Empörung aus, weil er meinte, 85jährige sollten keine künstlichen Hüftgelenke mehr auf Kosten der »Solidargemeinschaft« erhalten, sondern, wie früher auch, auf Krücken gehen. Dabei hatten sich schon im Juni dieses Jahres Friedrich Breyer, ein Mitglied des Beirates des Bundeswirtschaftsministeriums, und der katholische Theologe Joachim Wiemeyer, Vorsitzender der AG Deutscher Sozialethiker, gegen lebensverlängernde Behandlungen für Menschen ab 75 Jahren ausgesprochen (Jungle World, 25/03).

Auch dass Zahnersatz und Krankengeld schon bald nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden, im nächsten Schritt vielleicht keine Unfallschäden mehr, Asylbewerber in diesem Land schon im Alter von 20 Jahren nicht auf eine Hüftoperation hoffen dürfen – die taz berichtete von einem solchen Fall aus dem thüringischen Greiz – zielt in die gleiche Richtung: Nur wer reich ist, wird in Zukunft gesund sein. Mit Glück auch bis ins hohe Alter.

Hartz hinkt

Hartz-Reformen. Entwarnung für alle Faulenzer und Arbeitsscheuen: Die am 1. Januar beziehungsweise 1. April dieses Jahres eingeführten Maßnahmen, die auf die Vorschläge der Hartz-Kommission zurückgehen, haben entgegen allen Annahmen noch nicht die gesamte Bevölkerung in die Lohnknechtschaft getrieben. Der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) sprach gar von einem Scheitern der Reformen. Schließlich sei das angekündigte Ziel, die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2005 zu halbieren, nicht zu erreichen. Ganz im Gegenteil ist sie mit 4,35 Millionen im Juli unverändert hoch.

Lediglich bei der Gründung von Ich-AGs sei die »Dynamik ungebrochen«. Bislang kassieren 42 300 Menschen den Existenzgründungszuschuss. Dagegen wurden im so genannten Job-Floater-Programm bislang nur 6 416 Arbeitslose eingestellt. Besonders erfreulich ist, dass man bei 6 100 in den so genannten Personal-Service-Agenturen registrierten Personen noch nicht von einer Ausweitung der Zeitarbeit sprechen kann.

Weder büßen noch beten

Pflegeversicherung. Weil die Pflegeversicherung pleite ist – ein Defizit bis 500 000 Euro wird in diesem Jahr erwartet –, sollen künftig die Krankenkassen die Pflegeleistungen übernehmen. Das ist nur konsequent, nachdem 1995 die Pflegeversicherung die Pflegeleistungen übernahmen, um – zumindest auch – die Krankenkassen zu entlasten. Letzteres sei jedenfalls politisch falsch gewesen, behauptete in der vergangenen Woche die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Karin Göring-Eckardt, in der Berliner Zeitung.

Ihr Plädoyer zur Abschaffung der Pflegeversicherung und dafür, künftig wohlhabende RentnerInnen und ErbInnen stärker zur Kasse zu bitten, wurde inzwischen auch innerhalb der rot-grünen Koalition heftig kritisiert. Schließlich gibt es eine Rürup-Kommission, die andere Pläne hat. Ihre noch nicht offiziell vorgelegten Vorschläge werden darauf hinauslaufen, die Pflegeversicherung beizubehalten, aber den RentnerInnen zwei Prozent ihrer Rente vorzuenthalten.

Somit besteht keine Hoffnung, dass der Buß- und Bettag, der zur Finanzierung der Pflegeversicherung abgeschafft wurde, in absehbarer Zeit wieder zum Feiertag wird. Nicht einmal für die Armen.

Apokalypse now

Hitzewelle. Während die Länder Südeuropas deshalb so beliebt sind, weil es dort garantiert immer einen richtigen Sommer gibt, verbreitet sich mit dem beständig guten Wetter in Deutschland allmählich Endzeitstimmung.

Energiekonzerne kündigten in der vergangenen Woche an, dass es zu Stromausfällen kommen könne, einige Bundesländer fordern ihre BürgerInnen bereits zum Stromsparen auf. Wirksamer als jeder Protest gegen den Atomstrom ist die Hitze allemal. Der älteste Atomkraftmeiler Obrigheim in Baden-Württemberg wurde vorläufig abgeschaltet, weitere Atom- und Kohlekraftwerke drosselten ihre Leistung, weil das Kühlwasser nicht mehr kühlt. Die Wasserkraft schwächelt und die Windräder stehen still, weil kein Lüftchen weht.

Mehrere tausend Menschen konnten am vorigen Wochenende nicht nach Spanien oder Italien reisen, da die Radargeräte der Flugsicherung in Hamburg, Bremen und Hannover nicht mehr gekühlt wurden, berichtete der Spiegel. Die Klimaanlage war ausgefallen. Und das, wo Zuhausebleiben auch keinen Spaß macht, wenn man aufgefordert wird, auf die Autowäsche und das Sprengen des heimischen Rasens zu verzichten. Schließlich ist auch die einzige wirkliche Alternative zum Dauerschwitzen, das Baden, mit Vorsicht zu genießen, weil sich gesundheitsschädigende Blaualgen in den Seen ausbreiten. Was bleibt da noch? Abwarten und trinken.