Terror aus den Palästen

Saudi-Arabien und der 11. September von jörn schulz

Wenn ein offizielles Dokument geheim bleiben soll, aber eine größere Zahl von Insidern es gelesen hat, kommt die Stunde der anonymen Informanten. 28 Seiten des Untersuchungsberichts über die Anschläge vom 11. September will die Regierung Bush der Öffentlichkeit vorenthalten, und mehrere US-Zeitungen warten nun mit Enthüllungen auf.

Die Quellen der New York Times benennen zwei saudische Agenten, die Kontakte zu zwei Flugzeugentführern hatten und ihnen Geld zukommen ließen. Der Informant der New Republic spricht sogar von »einem koordinierten Netzwerk, das direkt von den Entführern zu verschiedenen Stellen in der saudischen Regierung reicht«.

Die Spekulationen werden nun zu Waffen im Machtkampf zwischen Regierung und Opposition, aber auch innerhalb der US-Administration selbst. Während die oppositionellen Demokraten eine Chance wittern, Bushs Strategie im »Krieg gegen den Terror« zu diskreditieren, hoffen republikanische Neokonservative, die Enthüllung der Verbindungen zwischen Saudi-Arabien und dem al-Qaida-Netzwerk könnte die Regierung doch noch zur Kündigung des Bündnisses mit der Monarchie bewegen.

Es ist allerdings nicht so einfach, mit einem Regime zu brechen, das etwa ein Viertel der bekannten Ölreserven kontrolliert. Der Irakkrieg sollte die Abhängigkeit von der saudischen Ölproduktion vermindern, doch der Ausbau der irakischen Ölförderung ist ein langfristiges Projekt, dessen Erfolg eine Befriedung des Landes voraussetzt. Eine Konfrontation würde auch dazu führen, dass die saudische Oligarchie mehrere hundert Milliarden Dollar, die sie in den USA investiert hat, anderswo anlegt.

Zudem unterhalten zahlreiche US-Politiker persönliche und geschäftliche Beziehungen zur Oligarchie des Ölstaates. In den achtziger Jahren unternahm man einen gemeinsamen Jihad und Kreuzzug gegen den Kommunismus und unterstützte islamistische Gruppen. Aus ihren antisemitischen und antiwestlichen Motiven machten die saudischen Partner nie ein Geheimnis, und dass sie gern an so genannte Wohlfahrtsorganisationen spenden, die neben Krankenhäusern auch Kalaschnikows für Terrororganisationen finanzieren, dürfte auch dem schläfrigsten Geheimdienstler aufgefallen sein.

Ein rechtzeitiges Vorgehen gegen die saudische Finanzierung islamistischer Organisationen hätte den 11. September wahrscheinlich verhindert. Bei zwei Treffen mit ranghohen Vertretern der Wüstenmonarchie in den Jahren 1999 und 2000 hatte der damalige US-Vizepräsident Al Gore mit Wirtschaftssanktionen gedroht, falls die Terrorfinanzierung nicht aufhöre. Die Maßnahmen scheiterten einem Bericht des Magazins Newsweek zufolge am Widerstand aus außen- und sicherheitspolitischen Kreisen.

Die US-Regierung gibt sich nun damit zufrieden, dass die saudische Regierung seit den Anschlägen in der Hauptstadt Riyadh (Jungle World, 22/03) konsequenter gegen den islamistischen Terror vorgeht und zugesagt hat, verdächtige Wohlfahrtsorganisationen schärfer zu kontrollieren. Viel spricht jedoch dafür, dass die Anschläge auch Teil eines innenpolitischen Konflikts waren. Die pro- und antiwestlichen Fraktionen in der Monarchie bereiten sich auf die Neuverteilung der Macht vor, die nach dem Tod des schwer erkrankten Königs Fahd ansteht. Wenn der Ausgang der Nachfolgekämpfe nicht den Wünschen der USA entspricht, wird die Öffentlichkeit die 28 fehlenden Seiten vielleicht doch noch zu lesen bekommen.