Nachrichten

Arafats ungeliebte WG-Genossen

Palästinensische Gebiete. Yassir Arafat hat am vergangenen Wochenende 17 Mitbewohnern seines Amtssitzes eröffnet, dass er ihnen das Gastrecht in der Muqata in Ramallah entzieht. Nach einem Handgemenge wurden die Männer, die der Führung der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden angehören und auf israelischen Fahndungslisten stehen, in einem Zimmer im Westflügel eingesperrt. Ein Teil der Märtyrerbrigaden drohte daraufhin die Aufkündigung der Waffenruhe an. Schließlich kam es zu einem Kompromiss: Die Eingesperrten dürfen zunächst bleiben und sichern zu, künftig nur mit ihren Familien zu telefonieren und keine weiteren Aktionen gegen Israel anzuordnen.

Hintergrund des Vorfalls waren israelisch-palästinensische Gespräche unter US-Vermittlung, in denen die israelische Seite Arafat Freizügigkeit im Gegenzug zur Festsetzung der Männer in einem palästinensischen Gefängnis in Jericho versprach. Damit hätte Arafat sich nach seinem 19monatigen de-facto-Hausarrest wieder frei in den palästinensischen Gebieten bewegen können, bisher muss er befürchten, dass die israelische Armee die Muqata erstürmen würde, sobald er sie verlässt. Zudem droht ihm in diesem Fall die Zwangsausweisung.

Ende einer Männerfreundschaft

Sierra Leone. Liberias Präsident Charles Taylor hat einen alten Verbündeten verloren. Foday Sankoh, der 65jährige Führer der Vereinigten Revolutionären Front (Ruf), starb am Dienstag der vergangenen Woche an den Folgen eines Schlaganfalls. Ihm wurde wegen der Verbrechen seiner Truppe im zehnjährigen Bürgerkrieg seit 1991 vor dem UN-Tribunal in Sierra Leone der Prozess gemacht. Die Ruf war berüchtigt wegen Massenvergewaltigungen und der Verstümmelung ihrer meist zivilen Opfer.

Wie Taylor wurde auch der ehemalige Hochzeitsfotograf Sankoh in Libyen militärisch ausgebildet. Die Freundschaft der beiden beruhte auf Gegenseitigkeit: Taylor half Sankoh beim Verkauf der Diamanten, welche die terrorisierte Bevölkerung in den Ruf-Gebieten schürfen musste. Mit diesem Geld kauften dann beide Waffen und Drogen für ihre Kämpfer, viele von ihnen Kindersoldaten. Nach einem Friedensabkommen mit der Regierung Tejan Kabbahs wurde die Ruf 1999 an der Regierung beteiligt und beutete weiterhin gewaltsam das Land aus. Ein Jahr später stürzte Vizepräsident Sankoh über eine spektakuläre Geiselnahme von 500 UN-Soldaten, er wurde nach dem Eingreifen britischer Elitetruppen inhaftiert.

Krawall mit Lunchpaket

Guatemala. Der ehemalige Diktator Efraín Ríos Montt streckt wieder seine Hände nach der Macht aus. Der General a.D. und heutige Kongresspräsident reichte am Donnerstag vergangener Woche seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl am 9. November ein. Am Vortag hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass das Kandidaturverbot für ehemalige Putschisten von 1985 nicht rückwirkend für die Zeit seiner 18monatigen Diktatur in den Jahren 1982 und 1983 gelte. Vor der Gerichtsentscheidung hatte die rechtsextreme Guatemaltekische Republikanische Front (FRG) Tausende Anhänger mit Bussen in die Hauptstadt gekarrt. Dort zogen sie marodierend durch den Finanzdistrikt und die Viertel der Oberschicht; zum Abschluss verteilten Ordner Lunchpakete an die Teilnehmer. Im Wahlkampf stilisiert sich Montt zu einem Gegner des Establishments, der vehement eine höhere Besteuerung der Reichen zugunsten der benachteiligten Landbevölkerung fordert.

Der 77jährige evangelikale Christ und einstige Verehrer Ronald Reagans kandidiert für die FRG. Während seiner Diktatur wurden im schmutzigen Krieg gegen die Guerilla über 17 000 Menschen umgebracht.

Agenten, Geiseln, Guerilleros

Kolumbien. Für den französischen Außenminister Dominique de Villepin war es eine »rein humanitäre Operation«. Die brasilianische Regierung war jedoch nicht erfreut darüber, dass Frankreich ohne jede Absprache am 9. Juli einen militärischen Großraumtransporter in Manaus, der Hauptstadt der Amazonas-Provinz, landen ließ. An Bord befanden sich dem französischen Wochenmagazin Le Poínt zufolge ein Arzt, Militärs und Diplomaten, sämtlich Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes DGSE.

Seitdem wird über das Ziel der Aktion, die erst Ende Juli bekannt wurde, gerätselt. Sicher scheint nur, dass sie mit Bemühungen um die Freilassung der kolumbianischen Politikerin Ingrid Bétancourt zu tun hat, die seit Februar 2002 von der Guerillagruppe Farc gefangen gehalten wird. Bétancourt hat auch die französische Staatsbürgerschaft und ist mit Villepin befreundet. Paris bestritt jedoch jegliche Kontakte mit der Farc; die Farc dementierte die Absicht, Bétancourt freizulassen. Brasilianische Zeitungen vermuten, Frankreich habe der Farc Waffen oder medizinische Hilfe angeboten. Das mutmaßliche Tauschgeschäft scheiterte jedoch, denn die brasilianische Regierung, die eine »Internationalisierung« der Amazonasregion verhindern will, verwies die humanitären Franzosen des Landes.

Kamikaze in Mosdok

Russland. Ein mit Sprengstoff beladener LKW hat am Freitag die Zufahrt zum Militärhospital im nordossetischen Mosdok durchbrochen; direkt vor dem Gebäude explodierte er. Mindestens 50 Patienten und Angestellte starben, 76 wurden zum Teil schwer verletzt. Die russischen Sicherheitsbehörden vermuten tschetschenische Freischärler hinter dem Selbstmordanschlag in der Stadt, die wenige Kilometer nördlich der tschetschenischen Grenze liegt. Dort befindet sich zudem das Hauptquartier der russischen Armee für den Einsatz in der abtrünnigen Kaukasusrepublik.

Durch die Explosion erhöhte sich die Anzahl der Opfer von Sprengstoffanschlägen seit diesem Mai im Krisengebiet und in Moskau auf über 100 Tote. In Mosdok sprengte sich zuletzt im Juni eine tschetschenische Selbstmordattentäterin nahe einem Luftwaffenstützpunkt in die Luft, damals starben 16 russische Soldaten.