Ein Feind in allen Lagen

Mit einer Verhaftungswelle versucht die französische Polizei, die iranische Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq zu zerschlagen – zur Freude der Regierungen in Teheran und Washington. von bernhard schmid, paris

Selten herrschte so viel Übereinstimmung in den Reaktionen aus Washington und Teheran. Beide Regierungen begrüßten Mitte vergangener Woche mit deutlichen Worten das Vorgehen der französischen Polizei gegen die iranische Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (ungefähr: Kämpfer des Volkes).

Unter dem Decknamen »Operation Theo« wurden am vergangenen Dienstag Durchsuchungsaktionen gegen insgesamt 13 Einrichtungen der Organisation gestartet. Das wichtigste Ziel der Beamten war die europäische Zentrale der Bewegung im beschaulichen Pariser Vorstädtchen Auvers-sur-Oise.

Von den zunächst 208 verhafteten Anhängern der Organisation blieben 22 auch am Wochenende noch in polizeilichem Gewahrsam, darunter Maryam Radjavi, die von ihren Anhängern als »künftige Präsidentin des Iran« gehandelt wird. Die Ehefrau des Begründers der Organisation, Massoud Radjavi, wird von ihren Anhängern in einer Weise verehrt, wie man es heute nur noch von nordkoreanischen Führungsfiguren gewohnt ist.

Deswegen versetzte die Nachricht von ihrer Verhaftung die engsten Parteigänger der Mujahedin in eine Art verzweifelte Aufregung. Zehn Personen haben sich im Laufe der letzten Woche in mehreren europäischen Städten mit Benzin in Brand gesteckt. In Paris starb am vergangenen Freitag die 38jährige Sediqieh Mohajeri an ihren schweren Verbrennungen. Sie hatte sich neben zwei anderen AnhängerInnen der Organisation am Mittwoch vor dem Pariser Hauptsitz des französischen Auslandsgeheimdiensts DST, der die Polizeioperation veranlasst hatte, angezündet.

»Nein zum Kuhhandel, ja zur Demokratie! Freiheit für Maryam Radjavi!« riefen die demonstrierenden Mitglieder und Sympathisanten der Organisation in der Nähe des DST-Gebäudes. Doch infolge der Selbstverbrennungen hat die französische Regierung sämtliche Demonstrationen und Kundgebungen der Mujahedin untersagt.

»Es ist, als ob man mitten im Résistance-Kampf Charles de Gaulle in seinem Londoner Exil festgenommen hätte«, meinen die Mujahedin-Anhänger. Die französische Regierung behauptet hingegen, man habe die Vorbereitung terroristischer Aktionen unterbinden müssen. Als Beweis zitierte Premierminister Jean-Pierre Raffarin die Zahl von 195 Anschlägen im Iran, zu denen sich die Mujahedin allein im Jahr 2001 von Frankreich aus bekannt hätten.

Bemerkenswert ist jedoch, dass diese Aktionen sich allein auf den Kampf der Organisation gegen die Islamische Republik Iran beziehen. Auf die Frage, ob das Vorgehen der Sicherheitskräfte angesichts der realen Gefahr nicht übertrieben war, verwiesen Raffarin und DST-Direktor Pierre de Bousquet de Florian darauf, dass es auch Hinweise auf die Vorbereitung von Anschlägen auf iranische Einrichtungen in Europa gegeben habe.

Unter Hinweis auf den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus hatte auch der stellvertretende Sprecher des US-State Departement, Phillip Reeker, das Vorgehen des französischen Staates begrüßt – ohne natürlich zu erwähnen, dass der iranische Staat von den USA selbst als terroristisch eingestuft wird.

Tatsächlich hat der Kampf der Mujahedin-e Khalq herzlich wenig mit Befreiung zu tun. Sie ist vielmehr die einzige der vielfältigen Oppositionsgruppen, die das Leben der iranischen Bevölkerung vermutlich noch verschlimmern würde, falls ihr eine Machtübernahme gelänge.

Die in den frühen sechziger Jahren gegründete Bewegung propagierte ursprünglich eine »Mischung aus Islam und Marxismus«. Ende der siebziger Jahre konnten die heterogenen Oppositionskräfte das repressive Regime des Schah stürzen, doch im Anschluss ergriff die religiöse Rechte die Macht und machte vor allem die sozialen Errungenschaften der Revolution rückgängig. Dabei terrorisierte sie alle anderen politischen Strömungen, die an der Bewegung gegen das Schah-Regime beteiligt gewesen waren, zuerst die radikale Linke und die Frauenorganisationen. Die Mujahedin gehörten anfänglich noch den Repressionsorganen des jungen Regimes an. Doch im Juli 1981, als der Khomenei-Flügel die Macht an sich riss, wurden sie in den Untergrund oder in das Exil gezwungen.

Ab diesem Zeitpunkt traf ihre Anhänger im Iran der wahrscheinlich brutalste Terror. Das Regime bezeichnete ihre Anhänger als monafeghin; der Begriff bezeichnet im Arabischen und Persischen »Heuchler«, die sich vordergründig zum Islam bekennen, um unter diesem Deckmantel einen umso wirkungsvolleren Kampf gegen die wahre Religion führen zu können. In den Augen der Fundamentalisten handelt es sich um eines der todeswürdigsten Verbrechen. Zehntausende Anhänger der Mujahedin wurden auf bestialische Weise gefoltert oder hingerichtet.

Die Mujahedin trieb dies in einen häufig sehr martialisch vorgetragenen Märtyrerkult und verstärkte den religiösen Charakter ihres Engagements. Da im September 1980 der Irak unter Führung von Saddam Hussein das Nachbarland angegriffen hat, schlugen die aus dem Iran fliehenden Mujahedin sich auf die Seite des irakischen Diktators. Bereits in den frühen achtziger Jahren wurden ihre kämpfenden Einheiten in die reguläre irakische Armee integriert.

Im Irak, wo sie bis zum US-Einmarsch im April dieses Jahres ein sicher geglaubtes Hinterland hatten, machte sich der militärische Apparat der Mujahedin zu Schergen der Ba’ath-Dikatur und nahm auch an der blutigen Niederschlagung der Aufstände im Irak im Frühjahr 1991 teil.

Der amerikanisch-britische Sieg über das Ba’ath-Regime hat der Organisation einen entscheidenden Schlag versetzt. Ihr Hauptquartier im Irak, das etwa 10 000 Kämpfer befehligte, wurde im April zunächst durch die US-Amerikaner bombardiert, die später eine Niederlegung der Waffen mit den Chefs der Mujahedin aushandelten. Dabei kam es zu Meinungsverschiedenheiten im US-Establishment: Während eine Fraktion im Pentagon die Gruppe als Instrument zur Destabilisierung des Iran einsetzen wollte, wies das State Department darauf hin, dass die Mujahedin auch unter der iranischen Bevölkerung verhasst seien.

Die Außenpolitik der USA setzt mittlerweile darauf, einen Wandel des iranischen Regimes durch die Stärkung der oppositionellen Bewegungen zu erreichen. So betonte Richard Perle, der Sprecher der Neokonservativen, die ansonsten nicht zögern, das bürgerlich-liberale Herrschaftsmodell auch mit militärischer Gewalt zu exportieren, in der vergangenen Woche in einem Interview mit der taz, dass der erwünschte Regime Change im Iran mit »friedlichen Mitteln« erreicht werden soll.

Doch während sich die USA bemühen, das Regime zu destabilisieren, versucht die Europäische Union, ihre Stellung im Iran weiter auszubauen. Denn vor allem die westdeutsche Wirtschaft hatte in den ersten Jahren nach der Revolution von 1979 die Position der US-Industrie im Iran übernommen. Und seitdem sie ihren ehemaligen regionalen Verbündeten im Irak verloren hat, setzt auch die französische Regierung verstärkt auf Kontakte mit Teheran. So besuchte Außenminister Dominique de Villepin Ende April die Islamische Republik, wo der französische Ölkonzern Total-Elf-Fina eine wichtige Rolle im Erdgasgeschäft eingenommen hat.

Für die Mujehadin sind daher die politischen Voraussetzungen derzeit denkbar schlecht. Nachdem sie durch die Niederlage des irakischen Ba’ath-Regimes deutlich geschwächt worden sind, laufen sie nun Gefahr, durch den Wettlauf zwischen den USA und der EU um die Einflussnahme im Iran endgültig zerrieben zu werden.

Siehe auch Disko.