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Arbeitsdienst für alle

Neoliberalismus. Der Ideenwettbewerb um die Fragen, wie Deutschland fit gemacht werden soll und wie man es den Arbeitslosen mal so richtig zeigt, geht weiter. Gute Aussichten auf den Gesamtsieg haben weiterhin die Grünen. Sie wollen nun den Langzeitarbeitslosen, die nicht mit den geplanten Job-Centern kooperieren und schwarzarbeiten, sämtliche Unterstützung für die Wohnung, das Essen und die Kleidung streichen. Diese Forderung wird in einem Papier erhoben, das die Fraktionsvorsitzende der Partei, Katrin Göring-Eckardt, und ihre Stellvertreterin, Thea Dückert, am vergangenen Donnerstag in Berlin vorstellten.

In den Job-Centern, die gerade im Aufbau sind, soll demnach bald jeder Arbeitsfähige ein Angebot bekommen, das zu den »persönlichen Fähigkeiten« passt. Ob die in der vergangenen Woche gefeuerten Vorstände der Bahn AG in Zukunft Toiletten putzen müssen, weil sie dazu körperlich in der Lage sind, wird sich zeigen. Katrin Göring-Eckardt jedenfalls verspricht bzw. droht: »Die Option, nichts zu tun, soll es nicht mehr geben.« Die gebürtige Ostdeutsche versteht es, Errungenschaften des real existiert habenden Sozialismus in die neue Zeit zu transponieren. Und schon ist die Vollbeschäftigung wieder ein erreichbares Ziel.

Einsichtige Basis

Grüne. Zwei Arbeitsplätze sind allerdings nach einer Entscheidung der grünen Parteibasis gefährdet. In einer Urabstimmung hoben die Grünen die bisher geltende Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat auf. Einem Drittel der Mitglieder des Bundesvorstandes ist es künftig erlaubt, neben dem Parteiamt auch ein Mandat im Parlament zu übernehmen. Diese Möglichkeit dürften sich zukünftige Parteivorsitzende nicht entgehen lassen. Die gegenwärtigen Parteivorsitzenden, Angelika Beer und Reinhard Bütikofer, sollen aber trotzdem bis 2004 im Amt bleiben, obwohl einer Rückkehr von Claudia Roth und Fritz Kuhn nun nichts mehr im Weg stünde. Sie hatten im vergangenen Jahr ihre Parlamentsmandate dem Parteivorsitz vorgezogen.

Statistik als Alibi

Rechtsextremismus I. Der Bericht des Verfassungsschutzes über das Jahr 2002 führt kein »vollendetes rechtsextremistisch motiviertes Tötungsdelikt« auf. Sind die Zeiten der rechtsextremen Morde in Deutschland vorbei? Keineswegs. In einer Pressemitteilung zählt die Antifaschistische Linke Berlin zwei Morde auf, die einen rechtsextremem Hintergrund haben: den Mord an dem 17jährigen Marinus Schöberl in Potzlow und den Mord an dem Türken Ahmet Sharlak auf dem so genannten Salzbrunnenfest in Sulzbach. Hinzu kämen vier weitere Fälle, in denen ein rechtsextremes Motiv zu vermuten sei.

Dass die Behörden den politischen Hintergrund bei Mordtaten Rechtsextremer bestreiten, hat bereits Tradition. Auch nach der Ermordung des Sozialhilfeempfängers Dieter Eich am 24. Mai 2000 in Berlin-Buch leugneten sie ein rechtsextremes Motiv. obwohl die vier jugendlichen Täter bei den Vernehmungen zugaben, am gleichen Tag, bevor sie Eich töteten, bereits einen Migranten gejagt zu haben. Sie betonten auch, dass Eich für sie nur ein »Asi« gewesen sei. Bis heute führt die Berliner Polizei trotz dieser Aussagen und der Kontakte der Täter zu dem Neonazi Arnulf Priem keinen Mord mit rechtsextremen Tatmotiv in ihren Statistiken des Jahres 2000 auf.

Zum Gedenken an Dieter Eich organisieren autonome und antifaschistische Gruppen eine Demonstration am 31. Mai. Sie beginnt um 15 Uhr auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Buch unter dem Motto »Erinnern heißt kämpfen – Den rechten Konsens brechen«. Weitere Informationen unter

www.aano.tk.

Mahler stört nicht

Rechtsextremismus II. »Es war ein Erschrecken und gleichzeitig auch das Gefühl: Endlich mal! Endlich sind sie mal im Herzen getroffen.« Das sagte der Rechtsanwalt Horst Mahler am 20. September 2001 im NDR-Magazin »Panorama«. Diese Äußerung stellt offensichtlich keine »Billigung von Stragftaten« dar. Denn von diesem Vorwurf wurde Mahler in der vorigen Woche vom Hamburger Amtsgericht freigesprochen.

Mahlers Aussagen hätten auch nicht zur »Störung des öffentlichen Friedens« beigetragen, seine Worte zielten nicht darauf ab, »das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit zu erschüttern«, stellte die Richterin Gudrun Stöhr fest. Er habe schließlich auch gesagt, er sei gegen das Töten und gegen Gewalt. Er habe keine Freude bei seinen Worten empfunden. Froh dürfte er dann allerdings bei den Worten der Richterin gewesen sein.

Home, Sweet Home

Außenpolitik. Wenig Grund zum Feiern hatte in der vergangenen Woche Außenminister Joschka Fischer. Pfiff er zuletzt nur noch gut gelaunt »Muss i denn zum Städtele hinaus« und räsonnierte über Dienstflugzeuge in Brüssel, so versetzten in der vergangenen Woche ausgerechnet die britischen Verbündeten seinen Umzugsplänen einen schweren Rückschlag. Der britische Europaminister, Denis MacShane, sagte der Berliner Zeitung, man brauche keinen europäischen Außenminister. »Die nationalen Regierungen werden ihre eigene Außenpolitik nicht aufgeben. Eine einheitliche europäische Außenpolitik ist zu diesem Zeitpunkt unmöglich.« Er empfahl Fischer, in Berlin zu bleiben, denn: »Außenminister von Deutschland zu sein ist eine wichtigere Position, bei allem Respekt für Herrn Solana und Herrn Patten.« Javier Solana ist Außenrepräsentant der Europäischen Union, Chris Patten Außenkommissar. Die beiden Ämter sollen demnächst zusammengelegt werden. Der neue Außenvertreter der EU soll aber nur ein Koordinator der europäischen Außenpolitik werden, die Entscheidungen träfen weiterhin die Mitgliedstaaten im Ministerrat.