Keine Krone für Europa

In Schweden droht der Streit über die Einführung des Euro die regierenden Sozialdemokraten zu spalten. von bernd parusel, stockholm

Die schwedischen Sozialdemokraten finanzieren derzeit ihr eigenes Zerwürfnis. Im September soll in einer Volksabstimmung über die für 2006 geplante Einführung des Euro entschieden werden. Damit alle Parteien für ihre Positionen in der Euro-Debatte werben können, erhalten sie staatliches Kampagnengeld. Den Sozialdemokraten von Ministerpräsident Göran Persson stehen 10,5 Millionen Kronen zu, etwa 1,15 Millionen Euro. Während das meiste Geld an die Befürworter der Gemeinschaftswährung um den Ministerpräsidenten geht, bekommen jedoch auch die sozialdemokratischen Gegner des Euro immerhin 2,5 Millionen Kronen.

Was die innerparteiliche Demokratie fördern sollte, droht Perssons Ambitionen jetzt ernsthaft zu gefährden. Gemäß einem Parteitagsbeschluss vom vergangenen Jahr wird der Beitritt zur Währungsunion von der Sozialdemokratie offiziell befürwortet. Ein beträchtlicher Teil der Partei, darunter auch mehrere Minister, lehnen den Euro jedoch strikt ab, und er befindet sich in der Wählergunst deutlich im Aufwind. Schon seit einigen Monaten sagen Umfrageinstitute einen Sieg der Euro-Gegner voraus. Nach neuesten Berechnungen wollen nun gar 50 Prozent mit »Nein« stimmen und nur 34 mit »Ja«. Unter den Anhängern der regierenden Sozialdemokraten sind sogar 54 Prozent gegen die Währungsunion.

Ein von der EU besonders begeistertes Land war Schweden nie. In einer Volksabstimmung vor neun Jahren sprachen sich 53 Prozent der Bevölkerung für die Mitgliedschaft aus – ein einmaliges Ergebnis. Seitdem führen in den Umfragen die EU-Gegner souverän. Die Grünen (Miljöpartiet) und die Linkspartei (Vänsterpartiet), auf die sich Göran Perssons Minderheitsregierung stützt, fordern bis heute, dass Schweden wieder aus der Union austritt. In ihren Augen ist sie ein undemokratisches und bürokratisches Monstrum, das unter anderem eine verfehlte Landwirtschaftspolitik und eine menschenrechtswidrige Asyl- und Flüchtlingspolitik betreibt. Weil beide Parteien deshalb jede weitere Übertragung politischer Kompetenzen an die EU ablehnen, kommt für sie auch die gemeinsame Währung nicht in Frage. Lediglich eine Minderheit der Anhänger der Vänsterpartiet stellt sich mit dem Argument, wer draußen bleibe, könne nichts verändern, auf die Seite der Euro-Befürworter. Ein Großteil der politischen Linken und große Teile der Arbeiterbewegung nähmen in der europäischen Frage »konservative und nationalromantische Haltungen« ein, behaupten die Abweichler um den ehemaligen Reichstagsabgeordneten Lennart Värmby.

Auch die regierende sozialdemokratische Partei verfügt indes über einen starken anti-europäischen Flügel. Wenn heute Wirtschaftsminister Leif Pagrotsky wortgewaltig gegen die Währungsunion argumentiert, weiß er einen Großteil der sozialdemokratischen Klientel hinter sich. In einem Artikel für die Zeitschrift Tiden nannte er den Euro kürzlich eine »Macho-Währung«, die in Schweden zu einer höheren Arbeitslosigkeit führe, und zwar nur, weil einige Banker in Frankfurt und Paris mit dem Euro einen Prestigekampf gegen den Dollar führen wollten. »Es wird angenommen, dass eine große Währung per definitionem auch stark sein muss und dass sie irgendwie zu einer starken Stellung in der Welt beiträgt. Diese Überlegung habe ich nie verstanden«, sagt der Wirtschaftsminister. Aus seiner Sicht sprechen gewichtige ökonomische, arbeitsmarktpolitische und soziale Überlegungen gegen die Einführung des Euro in Schweden.

Genährt werden solche Bedenken derzeit durch die negativen Meldungen über die Gemeinschaftswährung. Vor allem Deutschland wird besonders häufig als abschreckendes Beispiel ins Feld geführt. »Deutschlands Krise kann die Krise Schwedens werden«, schrieb der Göteborger Wirtschaftsprofessor Per Lundborg kürzlich im Svenska Dagbladet. Wäre Deutschland bei der Mark geblieben, so könnte die Bundesbank jetzt eine speziell an die deutsche Situation angepasste Zins- und Geldpolitik betreiben, meint Lundborg. Stattdessen würden nun Sozialleistungen gekürzt und Löhne gedrückt. »Wenn wie in Deutschland keine nationale Geldpolitik mehr möglich ist, dann bleibt nur übrig, den Arbeitsmarkt zu deregulieren – was die Arbeitslosigkeit nicht effektiv vermindert.« In Schweden, wo die aktuelle Arbeitslosenrate von fünf Prozent bereits als höchst bedenklich gilt, ist dies ein Schreckensszenario. Während der Wirtschaftsminister eine eigenständige Nationalbank erhalten will, möchte der Flügel der Gewerkschaften, der den Euro skeptisch betrachtet, vor allem ausländische Konkurrenzunternehmen und Arbeitskräfte fernhalten.

Im Gegensatz zu den Linken machen sich die konservativen Parteien für die Währung stark. Sowohl die bürgerliche Moderaterna als auch die liberale Folkpartiet und die Christdemokraten zählen zu den eifrigsten Befürwortern. Von der gemeinsamen Währung versprechen sie sich eine Intensivierung des Handels mit den anderen EU-Staaten. Viele Anhänger des Euro stellen auch eine Angleichung des Preisniveaus innerhalb der Union in Aussicht. Waren, die in Schweden überdurchschnittlich teuer sind, etwa Autos oder Elektrogeräte, würden nach der Einführung des Euro billiger.

Ähnlich argumentiert auch Ministerpräsident Persson. Er hat mittlerweile sogar seine eigene politische Zukunft an den Ausgang der Euro-Debatte gekoppelt. Unter kleineren Mitgliedstaaten gilt er als geeigneter Kandidat für das Amt eines künftigen EU-Präsidenten. Sollte er in der Abstimmung eine Niederlage erleiden, dürfte diese Möglichkeit in weite Ferne rücken. Deshalb setzt er alles daran, die negative Stimmung in der Bevölkerung noch zu ändern.

Seine Strategie besteht einerseits darin, sich mit den konservativen Befürwortern des Euro zu verbünden und dessen Ansehen in der Öffentlichkeit aufzubessern. Andererseits sollen die Gegner des Euro in der eigenen Partei zum Schweigen gebracht werden. Auf Perssons Initiative beschloss der sozialdemokratische Parteivorstand Ende April, dass sich Parteimitglieder in leitenden Regierungsämtern zwar gegen den Euro aussprechen können, sich aber nicht an entsprechenden Kampagnen beteiligen dürfen. Zwei Staatssekretärinnen im Wirtschaftsministerium wurde der Rauswurf angedroht, falls sie sich weiterhin in der Initiative »Sozialdemokraten gegen die Währungsunion« engagierten.

Wirtschaftsminister Pagrotsky ließ sich davon jedoch bisher nicht beeindrucken. In einer Rede am 1. Mai wiederholte er unter großem Beifall seine Vorbehalte gegenüber der »Macho-Währung«. Und die sozialdemokratische Jugendorganisation protestierte mit der Parole: »Göran, wir sagen trotzdem nein.«