Gerd bleibt dran

Schröders Regierungsstil stefan wirner

»Mehr Demokratie wagen«, forderte Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung im Jahr 1969. Die Parole wurde zum Markenzeichen Brandts, auch wenn sie elegant davon ablenkte, dass die SPD mit der CDU ein Jahr zuvor die Notstandsverfassung verabschiedet hatte, die für den Verteidigungsfall oder bei inneren Unruhen die Einschränkung demokratischer Rechte erlaubt.

Nun regiert ein so genannter Enkel Willy Brandts das Land, und das Versprechen, mehr Demokratie zu wagen, gehört nicht einmal rhetorisch zu seinem Programm. Gerhard Schröders Projekt ist die nationale Konsensgesellschaft. In Anzeigen warb die rot-grüne Regierung dafür. »Jetzt gibt es in Deutschland eine neue, zukunftsweisende und für alle dauerhaft nutzbare Energieform: Konsensenergie«, hieß es. Alle sollten helfen, um Deutschland zu »erneuern«.

Die Konsensgesellschaft brachte neben der gesteigerten Unlust der Gewerkschaften auf das Opponieren vor allem einen Bedeutungsverlust des Parlaments mit sich. Schröder setzte unzählige Kommissionen ein, die am Bundestag vorbei agierten, etwa den Ethikrat, die Zuwanderungskommission oder zuletzt die Hartz- und die Rürup-Kommission. Nachdem die Kommissionen ihre Berichte vorgestellt hatten, konnten die Abgeordneten meist nur noch Änderungen im Detail bewirken.

So wie Schröder das Parlament entwertete, stellte er auch seine Partei ins Abseits. Sobald Sozialdemokraten gegen die Politik des Kanzlers einen ernst gemeinten Einspruch erhoben, griff er zum Mittel der Erpressung. Im Herbst 2001 verband Schröder die Entscheidung über die Beteiligung der Bundeswehr am so genannten Krieg gegen den Terror mit der Vertrauensfrage. Seine Ablehnung des Irakkrieges hingegen verkündete er im vorigen Jahr zur Überraschung seiner Partei auf einer Wahlkampfkundgebung in Goslar. Auch in dieser Frage gab es keine Umkehr mehr.

Viel über Schröders Führungsstil sagt auch seine Rhetorik aus. Den Aufbau Ostdeutschlands erklärte er zur »Chefsache«, Diskussionen beendete er mit einem kurzen »Basta!«. Um jeden Widerspruch von vornherein zu entkräften, behauptet er immer wieder die »Alternativlosigkeit« seiner Politik.

Nach diesem bewährten Muster setzt Schröder nun auch die Agenda 2010 durch. Sie wurde nicht von der Koalition erarbeitet, sondern im klandestinen Beraterkreis des Kanzlers. Seine Partei und den Koalitionspartner disziplinierte Schröder bereits mit einer Rücktrittsdrohung.

Mehr Autorität wagen, so lautet die eigentliche Parole Schröders. Er ist der passende Kanzler in der Krise, die nach der Vorstellung der Krisengewinner eine autoritäre Führung der Gesellschaft verlangt. So forderten 120 Wirtschaftswissenschaftler vergangene Woche in einem Aufruf »politische Führungsstärke«, um die Reformen »gegen den Widerstand der Bedenkenträger durchzusetzen«.

Vielleicht muss man mit Schröder die »verstaubte Verfassung«, wie der Spiegel sie nennt, gar nicht erst ändern.