Diktators Rückkehr

Die rechtsextreme Regierung Guatemalas instrumentalisiert die ehemaligen Paramilitärs für einen zweiten Wahlsieg. Die USA sind besorgt, die politische Spannung steigt. von marco schopferer, guatemala-stadt, und stefanie kron

Droht ein Militärputsch? Oder macht die ultrarechte Regierung der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) wenige Monate vor den Wahlen im November nur das, was sie am besten kann: das Militär aufmaschieren lassen und Ängste vor einem Wiederaufflammen des vor gut sechs Jahren beendeten Bürgerkrieges schüren?

Die US-Regierung jedenfalls zeigt sich besorgt. Bereits im Februar warnte das State Department vor Reisen nach Guatemala. Zumindest bis Ende dieses Jahres sei mit unkalkulierbaren Ausschreitungen und bewaffneten Auseinandersetzungen zu rechnen. Auch eine befristete Schließung der beiden internationalen Flughäfen sei möglich.

Noch größere Sorgen scheint George W. Bushs Regierung die Tatsache zu bereiten, dass der ehemalige Militärdiktator, Parteigründer der FRG und derzeitige Kongresspräsident, Efrain Rios Montt, das Amt des Staatspräsidenten anstrebt. Nach der Verfassung ist es verboten, dass der ehemalige Putschist Montt als Präsidentschaftskandidat antritt. Zweimal schon verwehrte ihm das höchste Gericht die Teilnahme. Trotzdem will er sich dieser Tage auf dem FRG-Parteitag der Wahl stellen und gute Chancen haben, von seiner Partei bestätigt zu werden. Er hofft darauf, dass der betreffende Artikel der Verfassung in den nächsten Monaten zu seinen Gunsten geändert wird.

Die USA reagierten auf die Ankündigung Montts, als Kandidat antreten zu wollen, mit der Einsetzung von John Hamilton als US-Botschafter. Ihm wird Erfahrung nachgesagt, auch mit dem »worst case« zurechtzukommen. Vor drei Jahren soll er als US-Gesandter in Peru dazu beigetragen haben, den dortigen Präsidenten Alberto Fujimori abzusetzen.

Bislang gibt sich Hamilton noch moderat. Kurz vor einem Treffen der so genannten Geberländer am 12. Mai kritisierte er »den fehlenden Schutz der Menschenrechte im Land und die mangelnde Transparenz des Militärshaushaltes«. Dies könnte die Aufnahme Guatemalas in das geplante zentral amerikanische Freihandelsabkommen behindern. Neben den USA lehnen die EU, Kanada und Japan, die wichtigsten Geldgeber Guatemalas, eine Kandidatur Montts ab. Auch die in Guatemala nach wie vor tätigen Uno-Organisationen sind gegen ihn.

Im eigenen Land gilt Montt als Völkermörder; so bezeichnen ihn in ungewohnter Eintracht Linke, Menschenrechtler, die katholische Kirche und die Unternehmerverbände. Während der nur 18 Monate dauernden Militärregierung nach seinem Putsch im März 1982 wurden 75 000 Menschen deportiert und ermordet, hunderttausende vertrieben. Für große Teile der ländlichen und der indigenen Bevölkerung stellt er jedoch wegen seiner Ablehnung der USA, seines Nationalismus und seiner Verbundenheit mit einigen der zahllosen evangelikalen Sekten eine Integrationsfigur dar.

Das mag eigenartig klingen, war doch früher die indigene Bevölkerung das Ziel der Massaker- und Vertreibungskampagnen. Und doch sind nicht wenige Indigenas die treuesten Anhänger Montts. Denn um auch die »Herzen und Köpfe« der Bevölkerung auf dem Land zu gewinnen und um mit Hilfe einer Militarisierung des Alltags die Comunidades zu kontrollieren, gründete die damalige Militärregierung unter Montt die Patrouillen zur Zivilen Selbstverteidigung (Pac). In den ländlichen Konfliktgebieten bestanden sie zumeist aus Indigenas. Wer die interne Struktur indigener dörflicher Gemeinden kennt, weiß, dass hinter jedem ehemaligem Patrullero eine oder mehrere Familien, wenn nicht sogar das halbe Dorf stehen.

Im vergangenen Sommer reorganisierten sich die ehemaligen Mitglieder der Pac und forderten von der Regierung die Einhaltung eines Wahlversprechens: die Entschädigung für ihre »Gratisdienste am Vaterland« während des Bürgerkrieges. Seither gehen sie, die zwar 1996 offiziell entwaffnet wurden, in einigen Provinzen die Macht auf lokaler Ebene faktisch aber nie abgegeben haben, immer wieder in die Offensive.

Sie führen Demonstrationen durch, besetzten den Flughafen von Flores, entführten Touristen und blockierten mehrmals wichtige Verkehrksnotenpunkte im ganzen Land. Im April besetzten sie sogar einen Grenzübergang nach Mexiko. Sie fordern 20 000 Quetzales (2 500 Euro) für jedes der 700 000 ehemaligen Mitglieder, die sich in die Listen der Regierung eingetrugen. Insgesamt soll es eine Million bewaffneter »Dorfschützer« gegeben haben.

Der gegenwärtige Präsident Alfonso Portillo erteilte den Paramilitärs die moralische Absolution, erklärte sie zu Opfern des bewaffneten Konfliktes und besetzte damit die Entschädigungsdebatte von rechts, bevor auch nur einer der rund eine Million Vertriebenen oder eine der 10 000 Witwen ermordeter politischer Oppositioneller einen Quetzal erhalten hatte, obwohl dies im Friedensvertrag so vorgesehen ist. Die Regierung war lediglich bereit, den freiwilligen Kriegern rund 5 500 Quetzales zu zahlen. 1 700 Quetzales sollten in diesen Tagen und der Rest nach den Wahlen im November ausgezahlt werden.

Als am 30. April erstmals Schecks ausgegeben werden sollten, hatte Portillo zuvor von »einem großen Tag für die FRG« gesprochen. Er endete jedoch im Chaos. Die Ausgabe war so dilettantisch organisiert, dass kaum einer das Geld erhielt. Als Anfang Mai in der Stadt Chicacao 4 000 ehemalige Patrulleros vor dem Rathaus warteten, aber nur 90 Schecks zur Ausgabe bereit lagen, setzte der Mob Autos und Häuser in Brand, auch das Rathaus und ein Teil der Markthalle brannten ab. Der Bürgermeister konnte nur knapp einem Lynchmord entkommen. Einheiten der zur Bekämpfung des Drogenhandels gegründeten »Antiaufstandspolizei« und des Militärs kontrollieren nun die Stadt.

Die FRG und Montt sind untrennbar miteinander verbunden, die anderen Parteien sind schwach und zerstritten. Zudem hat der ehemalige Diktator große Teile des Militärs, einen Teil der Sekten und der Agraroligarchie sowie eine mestizische Mittelschicht von Händlern und Provinzfunktionären hinter sich. Seit dem Amtsantritt der FRG im Januar 2000 treibt die Regierung auch die politische Destabilisierung des Landes voran. Es häufen sich die Mordversuche und Entführungen, von denen Menschenrechtsaktivisten und Funktionäre von sozialen Basisorganisationen betroffen sind. Fälle von Lynchjustiz auf dem Land und »soziale Säuberungen« in der Hauptstadt nehmen dramatisch zu.

Der Drogenhandel sowie das Geschäft mit der Migration werden zu wichtigen Faktoren der nationalen Ökonomie. Die Kontakte von Regierungsmitgliedern und hohen Generälen zu den guatemaltekischen Drogenkartellen sind ein offenes Geheimnis, während die als Gegenpol zum Militär vor allem mit Unterstützung der EU stärker aufgerüstete Zivile Nationalpolizei sich ebenfalls als korrupt oder unfähig erweist. Mit dem Verfall des Kaffeepreises auf dem Weltmarkt sind auch die Folgen der einseitigen Orientierung auf den Agrarexport schmerzlich spürbar. In den klassischen Kaffeeanbaugebieten gibt es erstmals seit Jahrzehnten wieder Hungertote.

Deshalb können der Populist Montt und die hinter ihm stehenden Hardliner des Militärs sich »als Retter im Chaos« präsentieren. Und die Macht über die Erinnerung liegt ebenfalls bei ihnen. Vor wenigen Tagen wurden drei Generäle, die im vergangenen Jahr wegen des Mordes an der Menschenrechlerin Myrna Mack zu 30 Jahren Haft verurteilt worden waren, in zweiter Instanz freigesprochen.