Hauptsache Sicherheit

In den spanischen Kommunalwahlen hofft die Volkspartei auf die Angst vor dem Terrorismus und das kurze Gedächtnis der Wähler. von tom kucharz, madrid

Bei den Wahlen der spanischen Regional- und Kommunalparlamente am kommenden Wochenende spielt der Krieg im Irak kaum noch eine Rolle. Stattdessen versprechen die Kandidaten alle möglichen Wundermittel, die Kriminalität und Arbeitslosigkeit beseitigen sollen. Im vorsommerlichen Spanien sind die bevorstehenden Wahlen das erste Gesprächsthema. Für den Wahlkampfchef der konservativen Volkspartei (PP), Javier Arenas, sind sie sogar »die wichtigsten seit 1977«.

»Es scheint, als ob die Menschen rebellischer geworden sind«, meint Antonio Ribagorda von der Gewerkschaft CGT. Selbst die sonst skeptischen Linken debattieren über den Sinn, am Sonntag die Urnen zu füllen. Ihnen geht es vor allem darum, »die PP abzuwählen«. Doch die politische Struktur des Landes ist weit komplizierter.

In den 8 108 Gemeinderäten, in 13 der 17 autonomen Gemeinden sowie in 51 Provinzen wird darüber entschieden, wer die nächsten vier Jahre die Politik verwalten soll. Die Sozialdemokraten (PSOE) und die Volkspartei stellen in jeweils 20 Provinzen die stärkste Kraft. In den restlichen elf Provinzen regieren die regional-nationalistischen Parteien.

Die meisten Kommentare sagen den Konservativen wegen ihrer Haltung zum Irakkrieg eine Pleite voraus. Doch Beschäftigung, Terrorismus und innere Sicherheit beunruhigen die Mehrheit stärker als der vergangene Krieg, glauben die Meinungsforscher. »Die Spanier verstehen, dass Saddam Hussein nicht die Wahl ihrer Kommunalregierung beeinflussen darf«, heißt es in einem internen Papier der Volkspartei. Für die Opposition dürfte es daher kaum reichen, allein auf den Pazifismus eines großen Teils der Bevölkerung zu vertrauen.

Auch wenn die großen Friedensdemonstrationen schon einige Zeit vorbei sind, kommt es gelegentlich noch zu Protesten. In Madrid organisierten soziale Bewegungen ein »Referendum über Krieg und Demokratie«. Die aggressive antiterroristische Position der USA, erklärte dort der Anwalt Jaume Asens, »lässt eine juristische Kultur der Notfälle und Ausnahmesituationen entstehen«, die die so genannte »legale Offensive für Sicherheit, gegen Terrorismus und Kriminalität« der konservativen Regierung ermögliche.

Der Anwalt zitierte aus einem kürzlich in Brüssel vorgelegten Bericht über die »Freiheitsbeschränkungen«, die in der EU seit den Anschlägen auf das World Trade Center deutlich zugenommen hätten. In Spanien sei mittlerweile eine fünftägige Isolation von des Terrorismus Verdächtigen legal, einige Gefangene, wie etwa der Direktor der verbotenen baskischen Zeitung Egunkaria, Martxelo Otamendi, berichteten über Folterungen. »Das spanische we are at war«, meinte Asens, »bedient den Wunsch einer großen sozialen Schicht nach Strafen und lenkt von der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung ab«.

Um Krieg und Terrorismus ging es auch bei dem Besuch des spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar in den USA. Mit der Aufnahme der baskischen Separatistenpartei Batasuna in die Liste der »terroristischen Organisationen« rechtfertigte er noch einmal die Beteiligung seiner Regierung am Krieg. »Unsere Haltung hat sich gelohnt«, sagte er in Washington, wo er während des heimischen Wahlkampfs internationale Unterstützung erhielt. »Spanien und die USA bleiben zukünftig enge Alliierte im Kampf gegen den Terror«, beteuerte US-Präsident George W. Bush zum Abschied.

Die Volkspartei bedient das Thema des Separatismus, obwohl sie keine Chancen hat, die nationalistische Mehrheit im Baskenland und in Katalonien zu verdrängen. Doch im restlichen Spanien verschafft es ihr Stimmen. Alle politischen Verantwortlichen, rief Aznar auf einer Wahlveranstaltung in Valencia pathetisch, »sollen erklären, ob sie mit der Stabilität Spaniens spielen wollen. Wir jedenfalls werden sie mit all unseren Kräften erhalten.«

Weder die PSOE noch die Vereinigte Linke (IU) bieten dazu eine Alternative. »Wir garantieren die nationale Einheit Spaniens und den Konsens im Kampf gegen Eta«, verkündet der PSOE-Vorsitzende, Jose Luis Zapatero. »Ich bin und bleibe einzig und allein bei der Vernichtung von Eta radikal, für dieses Ziel habe ich der Regierung meine radikale Hilfe angeboten«, erklärt er weiter. Seit einigen Jahren klammert sich die PSOE an die Volkspartei im Kampf gegen den »baskischen Terrorismus«. Doch weil die baskischen Linksnationalisten (AuB) keine Kandidaten aufstellen dürfen, werden voraussichtlich die bürgerlichen Separatisten an Einfluss gewinnen.

Um sich von der Regierung abzugrenzen, erinnert die PSOE im Wahlkampf an ihre Antikriegshaltung und thematisiert die Katastrophe des Tankers »Prestige« in Galicien. Im Norden ist das Öl weiterhin an der Küste und in den Fischernetzen. Obwohl es für den konservativen Vizeminister Mariano Rajoy »keine Katastrophe mehr gibt«, gingen in Santiago de Compostela kürzlich erneut etwa 100 000 Einwohner auf die Straße. »Mit oder ohne Wahlen, auch wenn ihr es vergessen wollt, wir haben ein Problem«, skandierte dort das Bündnis Nunca Mais.

Beim Thema der inneren Sicherheit sind sich die beiden führenden Parteien hingegen wieder einig. »Gegen die innere Unsicherheit zu kämpfen, ist meine erste Sorge«, meint der sozialdemokratische Bürgermeisterkandidat in Madrid, Trinidad Jimenez, der gleichzeitig verspricht, »2 800 neue Polizisten einzustellen«.

Alle Kandidaten versuchen, sich bei diesem Thema zu übertrumpfen. »Mehr Sicherheit, weniger Steuern«, lautet der PP-Wahlslogan. »Mit dem Gesetz in der Hand werden wir die kleinen Kriminellen von Spaniens Straßen fegen«, drohte Aznar bereits im Herbst des letzten Jahres. Schließlich war es Zapatero, der kurz nach dem Krieg in Afghanistan die Debatte um die innere Sicherheit entfachte und der PP »Handlungsunfähigkeit« unterstellte.

»Die politischen Akteure kommen alle zur gleichen Lösung: mehr Polizei, Gesetzesreformen, damit Wiederholungstäter nicht aus dem Gefängnis kommen, und Schnellverfahren«, urteilt der bakannte Richter Ramon Valcarcel. 53 600 Häftlinge sitzen in spanischen Anstalten, im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr als in allen anderen EU-Ländern. »Jede Epoche produziert seine eigenen Phantasien, die die Angst rechtfertigen«, so Valcarcel. »Im Kalten Krieg waren es die Kommunisten, heute sind es Ausländer und muslimische Migranten.« Im vergangenen Jahr wurden 74 467 Migranten abgeschoben, die Mehrheit stammte aus Marrokko. Dennoch klagte die Migrationsbeauftragte der PSOE, Consuelo Rumi, immer noch über die »Ineffizienz der Verwaltung«. Die Regierung verhandelt mit der Opposition bereits über eine weitere Verschärfung des Ausländergesetzes. Es wäre damit die vierte Reform in dieser Legislaturperiode.

Auch in den Kommunen setzt sich diese Politik fort. In Madrid will der konservative Kandidat für das Bürgermeisteramt, Ruiz Gallardon, 6 000 neue Polizisten anheuern und die Straßenprostitution, die ausschließlich Migrantinnen betrifft, verbieten. Erstaunlicherweise erläuterte er in einer Wahlkampfrede, dass »Sicherheit nicht nur von der Polizei« abhänge, »sondern auch vom Recht auf eine Arbeit«. Die Volkspartei verkörpere deshalb »die Partei der Beschäftigung«. Eine mutige Behauptung. Denn unter der Regierung Aznar weist Spanien mit 11,6 Prozent die höchste Erwerbslosenrate in der gesamten EU auf.