Eine offene Rechnung

Opfer von Menschenrechtsverletzungen klagen gegen Firmen, die das Apartheidsregime in Südafrika unterstützten. Mit dabei sind fünf deutsche Unternehmen. von steffen falk

Wir werden diesen Prozess kriegen«, zitierte die Welt in der vergangenen Woche die kämpferischen Worte des US-amerikanischen Anwalts Michael Hausfeld. Er sprach von dem angestrebten Verfahren südafrikanischer Apartheidsopfer gegen europäische und nordamerikanische Banken und Unternehmen, die das rassistische Regime unterstützten. 91 Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen sowie die Khulumani Support Group, eine Vereinigung von Selbsthilfeorganisationen, die 32 000 Apartheidsopfer vertritt, sind die Kläger. Angeklagt wurden 22 Banken und Konzerne, darunter auch die deutschen Unternehmen Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, Daimler-Chrysler und Rheinmetall.

Die Nichtregierungsorganisation Medico International, seit 1997 die wichtigste deutsche Unterstützerin der internationalen »Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika«, lud am vergangenen Montag zu einer Pressekonferenz in den Frankfurter Presseclub. Neben Michael Hausfeld saß die Südafrikanerin Thandiwe Shezi auf dem Podium, stellvertretend für die Kläger und als Vorstandsmitglied von Khulumani.

Am 11. November 2002 hatte die amerikanische Anwaltskanzlei von Michael Hausfeld zusammen mit einer südafrikanischen Kanzlei die Klage eingereicht. Die juristische Grundlage dafür ist der Alien Tort Claims Act, ein amerikanisches Rechtsmittel, das schon im Jahr 1789 vom ersten Kongress des Landes verabschiedet wurde. Nach diesem Gesetz können Ausländer US-amerikanische oder andere Unternehmen mit Niederlassungen in den USA verklagen, wenn ein Zusammenhang zwischen deren Tätigkeit und erlittenen Schäden nachgewiesen werden kann. Erstmalig angewandt wurde das Gesetz durch die Sammelklagen der Anwälte Ed Fagan und Michael Hausfeld gegen Unternehmen, die vom Holocaust und der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus profitiert hatten.

Die Anklageschrift beruft sich auf das internationale Gewohnheitsrecht und die Verurteilung der Apartheid als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« durch die Vereinten Nationen. Alle genannten Firmen umgingen nachweislich das 1973 von der UN beschlossene Öl- und Handelsembargo, das bis 1993 aufrecht erhalten wurde. Sie lieferten Waffen oder Waffenteile, unterstützten die militärische Logistik oder Infrastruktur des Regimes.

Der Firma Rheinmetall wird zum Beispiel vorgeworfen, mit Hilfe von gefälschten Exporterklärungen für die Errichtung einer kompletten Munitionsfabrik gesorgt zu haben. Als Rechtsnachfolgerin von Daimler-Benz muss sich Daimler-Chrysler für die Produktion von Pkw, Kleinbussen und anderen kommerziellen Fahrzeugen verantworten. Die in Südafrika hergestellten Kleinbusse des deutschen Automobil- und Rüstungskonzerns waren es unter anderem, die in den achtziger Jahren »für die Besetzung und Kontrolle der schwarzen Stadtviertel« eingesetzt wurden. Mittels seiner Beteiligung an der von der südafrikanischen Regierung gegründeten Motorenfirma Atlantis Diesel Engines (ADE) umging Daimler-Benz 1978 das ein Jahr zuvor beschlossene UN-Waffenembargo. Eine komplette Stadt namens Atlantis wurde von Daimler-Benz entworfen, in der die Arbeiter von ADE wohnten und der Kontrolle des Unternehmens unterstanden. »So wie ich es verstanden habe, errichteten die Behörden ADE aus strategischen Gründen«, wird der Vorstandsvorsitzende von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, in der Anklageschrift zitiert.

Den drei deutschen Banken wird die jahrelange Finanzierung des rassistischen Regimes durch Kredite vorgeworfen. In einer Studie schätzt Gottfried Wellmer die Gewinne deutscher Unternehmen und Banken aus ihren Geschäften mit dem Apartheidsregime auf insgesamt 8,4 Milliarden Mark.

Die Republik Südafrika war schon lange vor 1993 hoch verschuldet. Allein die Kosten des Bürgerkrieges, der 1980 begann, werden auf 115 Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit den genannten Krediten, die nun den Großteil der südafrikanischen Auslandsverschuldung ausmachen, wurde das bankrotte Regime am Leben erhalten.

»Schuldenerlass ist eine Form von Wiedergutmachung«, sagte der Anwalt Charles Abrahams von der südafrikanischen Kanzlei, die auch die Opfer vertritt. Er sprach damit eine mögliche Form der Entschädigung an. Denn weniger um individuelle Zahlungen geht es den Opfern des Rassistenstaates, sondern vielmehr darum, mit den Entschädigungssummen dringend notwendige Veränderungen der ökonomischen und sozialen Machtstrukturen Südafrikas einzuleiten.

Die so genannte Hausfeld-Klage ist keine Sammelklage mehrer Einzelpersonen, sondern besteht aus einer Reihe von Einzelklagen. Eine direkte Schädigung der Apartheidsopfer muss den beschuldigten Firmen jedoch nicht nachgewiesen werden, denn als Opfer der Apartheid gilt jede farbige Person, die in der entsprechenden Zeit in Südafrika oder einem der angrenzenden Länder gelebt hat. Mit Geld lasse sich das geschehene Unrecht nicht wieder gutmachen, sagte Thandiwe Shezi. Den juristischen Weg einzuschlagen, wurde für die Betroffenen nötig, da die Beschuldigten sich nicht auf eine außergerichtliche Einigung in Form von freiwilligen Zahlungen einließen.

Auch die Regierung des Präsidenten Thabo Mbeki hofft möglicherweise auf einen Schuldenerlass. Einem öffentlichen Eintreten für die Kläger steht aber das befürchtete Ausbleiben von Investitionen internationaler Konzerne im Wege.

Medico International fürchtet eine öffentliche Schlammschlacht, wie sie seinerzeit die von Ed Fagan und Michael Hausfeld angeklagten Holocaustprofiteure begonnen hätten. Denkbar sei auch, dass einige Firmen den Rückzug aus so genannten Good-Will-Projekten, mit denen sie sich ein soziales Image zu verleihen suchen, androhen könnten.

Eine Stellungnahme der deutschen Unternehmen zu den Vorwürfen steht noch aus. Angehörige der Konzerne trafen sich aber bereits in New York, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. Im November des vergangenen Jahres wurde in Washington eine Rechtshilfegruppe für Firmen gegründet, die aus unterschiedlichen Gründen den Alien Tort Claims Act fürchten. 50 Konzerne haben sich bereits angeschlossen.

Die Vertreter der internationalen Kampagne rechnen sich dank der Unterstützung der renommierten Kanzlei von Michael Hausfeld gute Erfolgschancen aus. Eine Entscheidung, ob es zum Prozess kommt, soll noch in diesem Jahr gefällt werden. Michael Hausfeld erwartet in sechs bis acht Monaten den Beschluss über die Erhebung der Anklage in den USA.