Return to Sender

Nach halbjährigem Sendebetrieb schaltete sich das Dresdner Piratenradio Outaspace vorläufig ab, will aber bald weitermachen, legal oder illegal. von normann bierbaum

Ein Zimmer mit Kachelofen, abgewetzten Sesseln und ein paar Mikros. Es gibt eine Anlage, ein Mischpult und ein paar Plattenspieler, auf einem Regal steht eine Leuchte mit der roten Aufschrift »On Air«: Das ist das Studio des Dresdner Piratensenders Radio Outaspace (OS), der in der ersten Märzwoche durch seine Selbstabschaltung einem Peilteam der Telekom entkommen konnte. Der Sender, der ein halbes Jahr lang ein bisschen Abwechslung in das Dresdener Radioprogramm brachte, ist von der Frequenz 100,9 Megahertz verschwunden. Es rauscht.

Sechs Monate lang war Radio Outaspace in ganz Dresden zu hören, obwohl die Sendeleistung lediglich 40 Watt betrug. 5 000 Watt sind bei den großen Sendern üblich. Zum Schluss sorgten etwa 100 RadiomacherInnen für wöchentlich 80 Stunden Programm. Um die Leute vor drohenden Bußgeldern zu schützen, musste sich das Radio vorerst jedoch vom Sendebetrieb zurückziehen.

»Die MacherInnen stehen aber nach wie vor in den Startlöchern«, sagt Sven, der zu den MitbegründerInnen zählt. Mit Radio Outaspace habe man den Behörden bewiesen, dass es genug Leute gibt, die freies Radio machen und hören wollen. Ziel sei es, eine legale Vollfrequenz für Dresden zu erkämpfen. Mit ColoRadio, dem offiziellen freien Radio Dresdens, haben sie sich für eine Kampagne zusammengetan. Schon lange hat ColoRadio, das wöchentlich vier Stunden auf der Frequenz von Radio NRG senden darf, vergeblich um eine eigene Frequenz gekämpft. Bei den Behörden herrsche »Angst vor freier Meinungsäußerung«, glaubt Sven.

Die Idee, einen freien Sender aufzuziehen, entstand beim Radiohören und Lästern über das laufende Programm. Rein technisch sei der Aufbau eines Senders ja auch nicht schwierig, so Sven. Mit einer selbst gebastelten UKW-Wanze machten sie die ersten Versuche. Ein Mikrofon, ein kleiner Schaltkreis, ein Draht als Antenne, und fertig ist ein Sender mit etwa 100 Metern Reichweite. Im Internet fanden sie die Baupläne für größere Sender, in Elektrogeschäften besorgten sie sich die Einzelteile im Wert von 100 Euro und bastelten sie zusammen. Damit gingen sie ab Juni 2002 aufs freie Feld, um anrückende Peilwagen besser beobachten zu können, und strahlten ihre auf Minidisc vorproduzierten Sendungen aus. Im Herbst wurde aus diesen ersten Versuchen dann ein »richtiges Radio« mit eigenem Studio. Ein Ragga-Soundsystem sendete am ersten Oktoberwochenende mit Sängerin live von dort. Die HörerInnenzahl wuchs, und viele neue Leute, die Lust hatten, Radio zu machen, kamen hinzu. Einige waren schon mit einem Piratenradio auf dem im Sommer stattfindenden alternativen Stadtteilfest Bunte Republik Neustadt aktiv gewesen, andere hatten Lust, ihre eigenen Hörspiele zu basteln und auszustrahlen. »Ich will einfach eigenständiges Radio machen und meine Lieblingsmusik senden«, meint Fernando, der einmal in der Woche gemeinsam mit Petty Pü und Mr. Zylinder mit »Besser als Berlin!« auf Sendung war, um Soul, Sixtiesmusik und Britpop zu verbreiten. »Viele finden einfach schön, dass es eine Abwechslung zum normalen Radio ist.«

In der letzten Zeit gaben sich Vertreter der jugendlichen Subkulturen im Studio von Radio Outaspace die Klinke in die Hand. Die Fritz-Heckert-Show präsentierte Hardcore, Off Beat Reggae und Dub, Spheric Beats elektronische Musik, Maria vom Ostbahnhof empfing im Salon des schlechten Geschmacks, auch Bands wie die Hamburger Indierocker Tomte meldeten sich im Studio an.

Die illegalen Radioaktivitäten haben den Verhandlungen um legale Vollfrequenzen für freie Radios in Sachsen einen neuen Schub gegeben. Mit dem Angebot der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), jeweils drei Stunden täglich auf einer gemeinsamen Mantelfrequenz der sächsischen Privatradios zu senden, geben sich die Bürgerradios nicht mehr zufrieden. Sie fordern Vollfrequenzen für sich. Im Januar schrieb die Landesanstalt sechs Frequenzen aus. Um den sächsischen Radiowerbemarkt vor auswärtigem Zugriff zu schützen, soll für diese Frequenzen ein gemeinsames Senderprojekt sächsischer Privatradios initiiert werden, die für ein Mantelprogramm sorgen. Dort könnte dann auch drei bis vier Stunden täglich »nichtkommerzielles Lokalradio« als »Fensterprogramm« stattfinden. Hauptargument der Landesanstalt für ihr Mantelkonzept: Der Zusammenschluss der Privaten könne einen Großteil der Kosten abdecken. Denn eine öffentliche Finanzierung der freien Radios ist in Sachsen im Unterschied zu den übrigen Bundesländern nicht gesetzlich vorgesehen.

Im Unterschied zu den Bürgerradios in Chemnitz und Leipzig hat ColoRadio aus Dresden aber bereits im Vorfeld signalisiert, dass es an der Mantellösung kein Interesse hat. Deshalb wird die Dresdner Frequenz allein von den Privaten bedient werden.

Die Landesanstalt und die Regulierungsbehörde Telekom (Reg TP) hatten sich in Dresden lange Zeit gegen die Vergabe neuer Frequenzen gesperrt. Diese sei technisch gar nicht möglich, argumentierten die Behörden. Allerdings gingen sie nur von den bestehenden technischen Voraussetzungen der Telekom aus, so ein Vertreter der freien Radios in Sachsen.

Um die Probleme des Radios in und um Dresden zu verstehen, muss man sich mit ein paar geografischen Details vertraut machen: Der Dresdner Funkturm steht weit außerhalb der Talsenke und bestrahlt stärker die Umgebung als die Stadt selbst. Neue Frequenzen könnten bestehende Sender tatsächlich stören. Das von ColoRadio geforderte »Kirchturmradio« direkt in Dresden hingegen bliebe in der Senke, die zu DDR-Zeiten als »Tal der Ahnungslosen« berühmt wurde. Kein Westsender drang in diese Niederung.

Die Freigabe einer Antenne innerhalb Dresdens wäre eine Lösung für ein freies Radio rund um die Uhr. ColoRadio hat sowohl einen geeigneten Turm als auch einen alternativen Anbieter für den Sendebetrieb gefunden. Die Leute von Outaspace wollen deshalb im Kampf um eine Vollfrequenz vorerst auf Diplomatie setzen.

Ob es auf dem Verhandlungsweg schnell zur gewünschten Vollfrequenz kommt, ist allerdings fraglich. Im Medienrat soll beim nächsten Treffen auch die Option eines neuen Sendestandorts besprochen werden, so Martin Deitenbeck, Geschäftsführer der SLM, im Interview mit dem Chemnitzer Radio T. Im Fall einer Zustimmung müsse bei der Staatskanzlei die Planungsfreigabe beantragt werden. Wird diese erteilt, beantragt die Landesmedienanstalt die Regulierung einer Frequenz. Und das kann dauern. Die Regulierung der drei Leipziger Frequenzen hat beispielsweise drei Jahre gedauert.

Nach einem halben Jahr freien Radios scheint ein jahrelanges Warten auf eine Frequenz für Radio Outaspace nicht akzeptabel zu sein. »Mit der vorläufigen Selbstabschaltung haben wir uns den Schalter bewahrt, den wir auch wieder umlegen können.« Einen Monat wolle man den Behörden Zeit geben, um über die Vergabe einer legalen Vollfrequenz zu entscheiden, so Sven. »Andernfalls gehen wir wieder auf Sendung.«

Radio Outaspace streamt mittlerweile im Netz: www.radio-outaspace.de.vu