Zweifels Hochplateau

Was tun die Literaturen?

Die Zeitschrift Literaturen befindet sich auf der Höhe der Zeit. Sie fragt Scharlatonio Negri »Was tun?«, hat also die Avantgarde auf ihren Seiten, pflegt aber auch die Zöpfe, Zoten und Zweifel. »Im Jahr 1953 saß Paul Celan abgebrannt in Paris und träumte davon, Raymond Queneaus ›Stilübungen‹ ins Deutsche zu übersetzen. Er bekam dann doch nur den Auftrag, zwei Maigret-Romane zu übertragen. ›Hier irrt Maigret‹ gelang ihm noch ganz passabel – wurde aber aus dem deutschen Buchhandel gezogen. Der unsägliche ›Maigret und die schrecklichen Kinder‹ liegt noch immer auf, obwohl Celan für diese Arbeit als ›Dilettant‹ gefeuert worden war. Er wandte sich dann Höherem zu, etwa mit seiner interessanten, mit paradoxen Mitteln vorgehenden Übertragung von Rimbauds Gedicht ›Das trunkene Schiff‹. Zu Queneau, dessen sich etwa in Italien kein Geringerer als Umberto Eco annahm, hat es dann leider nicht mehr gereicht.«

Für Rimbaud reichte es zwar, auf die kahlen Gipfel der Queneau, Eco und Kommissar Maigret schaffte es der Dilettant aber nicht. Das schreibt der mit paradoxalen Mitteln wohl versehene Stefan Zweifel, der einst zu einem »Pornosophen« promovierte, welcher das »Modell des Menschen als Maschine und die freischwebende Imagination sich zur Imachination verdichten« sieht, »die das Räderwerk der alleserfassenden Sinnmaschine heiß- und leerlaufen« lässt. Wer frei Schwebendes verdichten kann, ohne unter die heiß und leer laufenden Räder der Sinnmaschine zu kommen, bei dem reicht es auch zu fast allem anderen.

Jedenfalls zu solchen Sätzen. »Das beste Verkaufs-Argument« für ein Werk des konservativen Ministers Luc Ferry »steht nicht etwa im Buch, sondern neben ihm: seine atemberaubend schöne, aus hohem Adel stammende Frau Marie-Caroline. Sie ist gerade mal halb so alt wie er.« Auf den Höhen der Literatur tummelt er sich ohne Sauerstoffmaske, auf denen der Gesellschaft aber wird die Luft merklich dünn und Zweifel gerät ins Hecheln: »Die Brüste von Madame sollen beim Ablegen des BH – nach oben schnellen. Voilà.« Womit er uns möglicherweise bedeuten will, die prallen Früchte, an die seine Griffel nicht heranreichen, seien ohnehin nicht echt.

Auf den Dilettanten Celan kann er hinabschauen, aber die Brüste von Madame hängen zu hoch, das bringt den Zweifel ins Zürnen: »In einer Zeit, wo die Plasma-Bildschirme für die moderne Video-Kunst das geworden sind, was das Silikon schon lange für Pamela Anderson ist – nämlich das Aufblasen von Substanzlosigkeit zum Medienereignis –, greifen manche Kuratoren in ihrer Panik auf die Substanz der Literatur zurück und entdecken für uns die Manuskripte als Kunstwerke.« Dabei ist es doch auch nur eine Frage der Zeit, bis ein Manuskript des Zweifel als ein Kunstwerk entdeckt wird, in welchem z.B. die Substanzlosigkeit von Celan oder die Brüste von Madame aufgeblasen, mit Glibber gepolstert und so lange begriffelt werden, bis eine Seite für Literaturen voll gemacht ist. Das ist zwar ziemlich platt, aber auch die Höhe.

stefan ripplinger