Wem der Wecker klingelt

in die presse

Auch eine berechtigte Abscheu vor Namenswitzen kann nicht von der Erkenntnis ablenken, dass, wenn Völker aufwachen, gerne ein Wecker im Spiel ist.

Der Betreiber der website wecker.de war gerade auf Erweckungsmission beim irakischen Volk, um sowohl dem Weltfrieden als auch seiner Weltkarriere nachzuhelfen. Der Stuttgarter Zeitung vertraute dieser Konstantin Wecker an, dass er den Menschen im Irak zeigen möchte, »dass aus dem Westen nicht nur UN-Waffeninspekteure kommen«.

Es kam für die Irakis schlimmer. Aus dem Flugzeug stieg der Mann, der über Rudolf Scharping sagt: »Er ist mein Kumpel geblieben.« Der Bunten sagte der Künstler im Jahr 1993: »Viele wundern sich über unsere Freundschaft. Aber ich kenne Rudolf auch als einen Menschen, der bis vier Uhr morgens meinen Geburtstag feiert, meine Freunde mit seinem Witz begeistert.« Nicht mal seine Freunde lässt er ungeschmäht.

Seinem Tagebuch, das auf wecker.de nachzulesen ist – daneben schrieb er für die Münchner AZ ein Extra-Reisetagebuch, der Mann sprüht nur so vor Kreativität –, vertraute Wecker an, dass er sich vor dem Flug in den Irak schlau gemacht hat. Er fahre »in ein Land, das bereits 1917 von britischen Truppen belagert war«, in ein Land, »dessen Grenzen, ungeachtet der Stammesverbindungen, die das kulturelle Wesen des nahen Ostens nun mal ausmachen, willkürlich von Briten und Franzosen festgelegt wurden«. Aber auch in ein Land, »von dem ich nicht mehr weiß, als man aus Lexika und ein paar nüchternen Geschichtsbüchern erfahren kann«.

Sein Interesse am Land, fasst die Stuttgarter Zeitung zusammen, hat mit dem dortigen Regime nichts zu tun: »Schließlich begann er, sich mit dem Irak zu beschäftigen, weil er den Krieg und die US-Politik ablehnt.«

Wie man derart starke Gegner besiegt, hat Wecker in seinem Künstlerleben oft erleben dürfen. Er habe mal mit einer Gruppe Neonazis diskutiert, erzählte er dem Wiener Kurier, da habe er einen der Nazis umarmt, »und das dürfte für ihn einschneidend gewesen sein, denn wenig später hab ich erfahren, dass er deswegen politisch umgedacht hat«.

martin krauss