Nicht ohne meinen Sohn

Im Erbfolgestreit der österreichischen Kronen Zeitung wurde eine salomonische Lösung gefunden. von martin schwarz, wien

Kompliziert ist sie geworden, unsere Welt, und leicht läuft man Gefahr, im Labyrinth der unerfreulichen Entwicklungen der Zeitläufte die Orientierung zu verlieren oder auszurutschen auf der Bananenschalenhaftigkeit des Weltgeschehens. Um dem vorzubeugen, gründete der österreichische Verleger Hans Dichand, mittlerweile 82 Jahre alt, schon 1959 die Neue Kronen Zeitung und machte daraus die meistgelesene Tageszeitung Österreichs.

Täglich liefert die Krone ihren rund 2,9 Millionen Lesern feinsten Kampagnenjournalismus zu aktuellen Geschehnissen der Weltpolitik oder auch zu hiesigen Befindlichkeiten. Doch noch nie intervenierte die Zeitung in eigener Sache. Vor wenigen Tagen änderte sich das plötzlich: »Häupl für österreichische Kronen Zeitung« prangte es da auf der Titelseite. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hatte sich in einen Streit eingeschaltet, der seit einigen Wochen zwischen den beiden Krone-Eigentümern, der Essener WAZ-Gruppe und dem Gründer und Chefredakteur Hans Dichand, schwelt.

Dichand wollte Mitte Januar seinen 37jährigen Sohn Christoph als neuen Chefredakteur installieren, doch die WAZ traute dem Junior die durchaus verantwortungsvolle Position nicht zu und stellte sich quer. Häupl schlug sich auf die Seite von Dichand und hielt es »für sehr wichtig«, dass die Krone in österreichischer Hand bleibe. Denn das Blatt gehört zum Portfolio des Geschmacks eines durchschnittlichen Österreichers wie die alpenrepublikanische Gewohnheit, Eigelb in den Kaffee zu mixen und ein solches Gebräu als Spezialität und Auswuchs echten Patriotismus zu bejubeln.

In den vergangenen Wochen sah es tatsächlich so aus, als wolle die WAZ-Gruppe der Krone einen Chefredakteur aufnötigen. »Ungeheurer Nepotismus« sei die Entscheidung von Dichand, seinen Junior als Boss zu installieren, unkte der WAZ-Geschäftsführer Erich Schumann. »Jeder muss wissen, dass er zwar sich Chefredakteur nennen kann, aber nicht die Befugnis hat, als Chefredakteur aufzutreten«, so Schumann.

Dabei ist Christoph Dichand schon seit Jahren als Chefredakteur der farbenprächtigen Sonntagsbeilage Krone bunt erfolgreich, eines Blattes, für das man das Wort »Feuilleton« nicht zwangsläufig hätte erfinden müssen, das aber dennoch sonntägliche Kurzweil bietet mit Geschichten über Lippizaner, wöchentlicher Sexberatung, einem ausführlichen Horoskop für alle Sternzeichen und fesselnder Berichterstattung über Hollywood. Schnipsel-Journalismus also für die Stunden zwischen samstäglichem Kater und der Angst vor dem Montag im Büro. Als gelernter Jurist, der in Rekordzeit studierte, schrieb Christoph seine Doktorarbeit über Persönlichkeitsrechte in den Medien. Ein Thema, zu dem sein Vater ihm sicherlich einiges erzählen konnte.

Doch trotz des makellosen Lebenslaufs wollten die Partner aus Deutschland die Erbfolge in Wien nicht akzeptieren. Zwar betonte Schumann, man wolle eine »österreichische Lösung« finden, doch Dichand sen. verstand es prächtig, die Vorbehalte gegen seinen Sohn als antiösterreichisches Ressentiment der Deutschen darzustellen. »Die Krone soll unabhängig und österreichisch bleiben«, sagte er dem ORF.

Derartige Mobilisierungen antideutscher Reflexe klappen schon seit Jahren hervorragend, und Hans Dichand weiß das. Noch dazu hatte er sein Vorgehen juristisch abgesichert. Zwar gehören sowohl ihm als auch der WAZ-Gruppe jeweils 50 Prozent der Krone, doch Dichand kann sich auf eine Vereinbarung aus dem Jahre 2001 stützen, die auch seine Mitgesellschafter kennen dürften: »Die Gesellschafter nehmen zur Kenntnis, dass Herr Hans Dichand bzw. seine Gruppe – die Gruppe ist die Familie – Herrn Dr. Christoph Dichand zum Chefredakteur bestellt, wenn Herr Hans Dichand als Chefredakteur aus welchen Gründen auch immer ausscheidet.«

Dagegen führt die WAZ-Gruppe ins Feld, dass die Krone dringend Erfolge bräuchte und Christoph Dichand eben dazu »nicht geeignet« sei. Die Krone gehöre zu den »am schlechtesten verdienenden Zeitungen im Konzern«, so Schumann.

Der wenig freundliche Wortwechsel zwischen Essen und Wien ist Ausdruck eines schon seit Jahren schwelenden Konflikts zwischen den beiden Partnern um die künftige Strategie des Blattes. Hans Dichand will die Zeitung auch in der Region rund um den Bodensee etablieren und damit nach Deutschland vorrücken, was die Essener nicht ganz so gut finden. »Dabei habe ich ihnen versichert: Wenn wir ein Stück nach Deutschland hineingehen, würden wir vor Essen stoppen«, so Dichand gut gelaunt über die offensichtlichen Revierstreitigkeiten. Mit seinem Sohn Christoph würde die Krone einen Boss bekommen, mit dem die WAZ wohl die gleichen Schwierigkeiten hätte wie mit dem Senior.

Der Junior will das auch gar nicht bestreiten. »Ich stehe in der Tradition meines Vaters und damit für die Unabhängigkeit der Redaktion der Kronen Zeitung. Dies ist nicht nur politisch gemeint, sondern bedeutet auch: unabhängig von deutschem Konzerndenken (…). Das ist auch der Grund, warum die WAZ mich bekämpft. Sie kennen mich aus den Gesellschaftersitzungen und wissen, dass ich eine eigene Meinung habe, die ich auch konsequent durchsetze«, erklärte Christoph Dichand der sagenhaft bunten österreichischen Infotainment-Illustrierten News.

Der Kompromiss aber, der nun zwischen der WAZ und Dichand gefunden wurde, lässt Zweifel zu, ob es dem Junior tatsächlich problemlos gelingt, seine Meinung »konsequent durchzusetzen«. Der Sohn bekommt einen »geschäftsführenden Chefredakteur« zur Seite gestellt (ein Modell, das schon aus Washington bekannt ist, wo ja Bush jun. mit Dick Cheney auch eine Art »geschäftsführenden« Präsidenten in Rufweite hat). Der zweite Mann in der neuen Doppelspitze wird – immerhin darauf konnte man sich einigen – ein Österreicher sein. Nachdem Hans Mahr, derzeit Chefredakteur von RTL und dringend preiszukrönendes Pokerface bei Kanzlerinterviews, wohl aus dem Rennen ist, werden nun drei Namen kolportiert: die stellvertretenden Krone-Chefredakteure Christoph Biro und Georg Wailand sowie Klaus Herrmann, Redaktionsleiter des oberösterreichischen Ablegers der Krone.

Wie deren Loyalitäten beschaffen sind, ist derzeit noch nicht absehbar, aber die Krone selbst champagnerisiert die Lösung schon jetzt als millenniumstauglich. »Die Dichand-Gruppe und die WAZ-Mediengruppe sind überzeugt, mit dieser einvernehmlich gefundenen Lösung den Erfolg der Kronen Zeitung für die Zukunft gesichert zu haben. Die Kronen Zeitung bleibt die unabhängige Zeitung der Österreicher«, schreibt die Krone zur Beruhigung der von deutscher Invasionslust schon arg deprimierten Leser.

Die Wiener Redaktion jedenfalls hat Christoph schon mit Applaus bedacht, als er kürzlich von seinem Vater als Nachfolger vorgestellt wurde. Für den Fall, dass sie dem Junior Schwierigkeiten gemacht hätte, hatte Christophs gütiger Daddy bereits einen Fluchtplan in der Tasche: »Dann nehm’ ich ihn bei der Hand und wir gehen beide.« Gut, dass der Braindrain abgewendet werden konnte.