Das neue Bibel-TV

Das Wort zum Sonntag gibt's jetzt täglich

Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wird er auch. Seit Oktober ist Bibel-TV on air. Ein Sender mit einem lupenrein himmlischen Programm.

Im Kultthriller »Das Schweigen der Lämmer« beschwert sich der Ex-Psychiater Dr. Hannibal Lecter über die Foltermethoden, die das FBI bei ihm anwendet. In seiner Zelle werde er 24 Stunden täglich mit Prediger-TV berieselt, was einfach nicht auszuhalten sei.

Häftlingen in deutschen Knästen werden derartige Schikanen auch weiterhin erspart bleiben, auch wenn bei dem einen oder anderen Justizvollzugsbeamten angesichts des Starts von »Bibel-TV« vielleicht schon Hoffnungen geweckt worden sind. Aber Bibel-TV ist eindeutig kein Prediger-Fernsehen, wie es in den USA zur Verblödung ganzer Generationen gebraucht wird. »Bei uns wird es keine Predigten geben. Es gibt auch in den USA eine ganze Menge christlicher Sender, bei denen nicht gepredigt wird«, sagt Bibel-TV-Chefredakteur Henning Röhl gegenüber Jungle World. Stattdessen wird sich Bibel-TV 24 Stunden täglich mit der Interpretation der Bibel beschäftigen.

Viel mehr als die Interpretation des möglicherweise meistgelesenen Buches der Welt kann sich der kleine Sender in Hamburg finanziell auch gar nicht leisten. Mit einem Dreijahresbudget von etwas mehr als sieben Millionen Euro sind Dienstreisen ins Gelobte Land oder Live-Kreuzigungen auf den Philippinen schwer zu finanzieren. »Wir haben für europäische Verhältnisse ein Minibudget und beschäftigen derzeit sieben Mitarbeiter«, sagt der ehemalige MDR-Programmplaner Henning Röhl.

Mit der Unterstützung seiner sieben Jünger hofft Röhl aber dennoch, ein Programm auf die Beine zu stellen, das bei den deutschsprachigen Bibel-Junkies auf Interesse stößt: »Ich wäre froh, wenn wir täglich 100 000 Zuseher bekommen würden«, sagt Röhl.

Zum bescheidenen Quotenerfolg beitragen soll vor allem die Contemporary Christian Music. »Bibel-TV Jericho« wird jene Sendeleiste heißen, in der junge begnadete Sängerinnen und Sänger rhythmisch von Gitarren begleitet mit Jesus-Gassenhauern Lagerfeuerjungscharstimmung verbreiten. Christen können sich den Gang zur rhythmischen Messe ihres Vertrauens also in Zukunft ersparen.

Aber nicht nur flotte Musiksendungen sollen die Jünger zukünftig auf den richtigen Weg führen. Anders als Talkshows wie »Vera am Mittag«, wo die Nöte des bedrängten Personals zur Belustigung des Pöbels an die Öffentlichkeit gezerrt werden, kümmert sich Bibel-TV demnächst sehr ernsthaft in spiritueller Manier um die Sorgen der Gemeinschaft. Mit Beiträgen wie »Die Bibel lebt«, »Kirche in Bewegung« oder »Gottesdienst für Zweifler« wird die dreißigminütige Eigenproduktion »Bibel-TV Magazin« Christen in Alltagssituationen porträtieren. Die wöchentlich ausgestrahlte Sendung ist nicht allein über den Himmelssatelliten Astra 1D zu empfangen, sondern schon seit Wochen übers Kabelnetz im Sendeschema von NBC zu bekommen. »Unser Anteil an Eigenproduktionen ist aber äußerst gering«, gibt Henning Röhl zu.

Nur rund zehn Prozent der ausgestrahlten Formate werden im Bibel-TV Headquarter in Hamburg gefertigt. Der Rest wird eingekauft. Vor allem christlich inspirierte Spielfilme sollen für Quoten sorgen. So auch der neueste Jesus-Knüller, der auch auf bibel-tv.de downloadbar ist. Der Kritiker von Bibel-TV meint: »Frei von Pathos und ohne Starrummel«. Ähnliches gilt wohl auch für das Samstagabend-Movie, dessen genauer Titel laut Homepage noch gar nicht feststeht, das aber mit Sicherheit »ein Film von einem der bekanntesten Regisseure Großbritanniens« sein wird. Was für die ARD die »Lindenstraße« ist, ist für Bibel TV die »Abrahams«. Diese »Familienserie zum Alten Testament« will jene Komponente im Programm sein, mit der Bibel-TV die neuesten Entwicklungen von vor ungefähr 3 000 Jahren covert. Nur »Dallas« ist älter.

Spirituell flankiert wird das Sendeschema von einem Format, das bald dem »Wort zum Sonntag« Konkurrenz machen wird: Die Bibel-TV-Lesungen, vorgetragen von den beiden Schauspielern Rainer Luxem und Eva Weißmann. Schon 180 Folgen der lockeren Liturgie haben die Pioniere von Bibel-TV vorproduziert, täglich fünf Minuten wird man auf Sendung sein mit den neuesten Episoden aus dem Buch der Bücher. Wer sich da nicht von den RTL II News lossagen kann, dem kann nicht mehr geholfen werden.

»In den nächsten Wochen ist unser Programm schon voll, da haben wir genug vorproduziert«, so Henning Röhl. Schön, dass die Bibel so viel Stoff hergibt.

Aber auch auf die großen epischen Formate des investigativen Infotainments muss man bei Bibel-TV nicht verzichten. Ebenfalls an einem der nächsten Samstage zur Prime Time um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird die Jesus-Dokumentation »Der Mann am Kreuz«, die erzählt, »wie er wirklich war« (Untertitel). Zeitzeugen aber werden auch hier fehlen.

Bibel-TV sendet nicht alleine des Gewinns wegen. Denn wahrhaft viel Geld wird mit diesem Programm voraussichtlich nicht zu verdienen sein. Und das ist durchaus beabsichtigt. War doch nicht schon Jesus Christus so etwas wie die erste Non-Profit-Organisation? »Wir sind eine gemeinnützige Gesellschaft und nicht auf Gewinn ausgerichtet«, gibt sich Röhl bescheiden.

Als Eigentümer des christlichen Spartenkanals haben sich neben dem Fachverleger Norman Rentrop die katholische und die evangelische Kirche eingetragen. Dennoch lehnt Bibel-TV jegliches missionarische Engagement ab; Gottesdienste werden grundsätzlich nicht übertragen. »Wir sind ein ausgesprochen christlicher Sender. Dennoch leben wir in einer Marktwirtschaft«, erklärt Röhl. Anders gesagt: Auch auf Bibel-TV wird einem vermutlich Werbung nicht erspart bleiben. Jedoch mit gewissen Einschränkungen: »Beate Uhse muss nicht bei uns buchen«, sagt Röhl. Wird sie vermutlich auch nicht. Hat sie doch schon längst ihren Platz in höheren Gefilden eingenommen.

Bundespräsident Johannes Rau freut sich bereits auf Bibel-TV und lobt das Zeitgemäße des Konzepts: »Das ist nicht Archäologie, und das ist nicht Astrologie, sondern das ist eine Botschaft, der zuzuhören sich lohnt«, sagte er gegenüber jesus.de. Viel konkreter wurde da schon der ehemalige Fußballprofi Jorginho, der 1994 mit Brasilien Weltmeister wurde. Bibel-TV ist für ihn eine »Supermöglichkeit«. Wann, wenn nicht gerade jetzt, brauche Deutschland Jesus Christus.