Paramilitärs machen Druck

Montt macht mobil

Die Regierung Guatemalas will die ehemaligen Paramilitärs honorieren und setzt dabei den Friedensvertrag aufs Spiel.

Sonntagnachmittag im Touristendörfchen San Pedro la Laguna am Atitlán-See. Ein Pickup mit vier Männern fährt im Schritttempo durch die Straßen, einer von ihnen, der auf der Pritsche steht, verkündet immer wieder durchs Megaphon, dass am Abend um 18 Uhr im großen Saal des Rathauses ein erstes Treffen der ehemaligen Pac (so genannte Zivile Selbstverteidigungspatrouillen) stattfinden wird. Alle ehemaligen Mitglieder der rechten Paramilitärs seien hierzu eingeladen. Die durch die Straßen schlendernden Touristen beachten weder den Pickup, noch verschwenden sie einen Gedanken an die Brisanz der Botschaft.

Dabei wurden erst vor drei Wochen eine deutsche Wissenschaftlerin sowie zwei Reporter der New York Times von organisierten ehemaligen Paramilitärs kurzzeitig festgehalten, verprügelt und misshandelt. Bereits einige Wochen zuvor hatten Paramilitärs einige hundert Touristen festgehalten, Straßen blockiert, eine Ölraffinerie, die Maya-Ruinen von Tikal und den Flughafen von Santa Elena besetzt. Das war am 17. Juni, als im nordöstlichsten Departement, dem an der Grenze zu Mexico und Belize angrenzenden Peten, 25 000 ehemalige Patrulleros erstmals den Aufstand probten und Guatemala wieder in die Schlagzeilen brachten. Sie forderten die Regierung auf, pro Kopf 20 000 Quetzal (etwa 2 500 Euro) für ihre Dienste während des Bürgerkrieges in den achtziger Jahren zu zahlen, also für Morde an tatsächlichen und vermeintlichen Oppositionellen, an Frauen, an Kindern, für Vergewaltigungen und Terror.

Seit dem Aufstand der Paramilitärs in Peten geht die Mobilisierung weiter, bis in das abgelegene San Pedro la Laguna im westlichen guatemaltekischen Hochland, eine auf 1 560 Metern gelegene Idylle für Rucksacktouristen aus aller Welt, wo sich an diesem lauen Sonntagabend vor zwei Wochen rund 800 ehemalige Angehörige der Pac versammelten. Zwischenzeitlich demonstrierten in elf verschiedenen Departements über 120 000 ehemalige Paramilitärs. Im halben Land sei bereits mobilisert worden, vermeldete die unabhängige Tageszeitung Prensa Libre. Bis zu einer Million Ehemalige soll es nach Angaben der so genannten Wahrheitskommission in Guatemala geben, die jederzeit die Macht übernehmen könnten.

Politische Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die ehemaligen Patrulleros stramm zur rechten Regierung stehen und die Mobiliserung wohl von der regierenden FRG und ihrem Parteivorsitzenden Efraín Ríos Montt heimlich forciert wurde. Der General, ehemalige Diktator und heutige Parlamentspräsident ließ zu Anfang der achtziger Jahre die Pac während seiner blutigen Diktatur aufbauen und betrieb mit ihr und dem Militär eine Politik der verbrannten Erde. Zehntausende wurden damals verschleppt, getötet oder misshandelt. Insgesamt werden dem Militär und den Paramilitärs 200 000 Morde und bis zu zehn Millionen Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges zur Last gelegt.

Es könnte deshalb ein taktischer Coup von Ríos Montt sein, alte Geister wieder zu wecken, um das Land fest in den Griff zu bekommen. Zumal er im kommenden Jahr erneut Präsident werden will. Bislang verbietet die Verfassung zwar die Kandidatur ehemaliger Dikatoren, doch das Parlament berät derzeit ein neues Wahlrecht und eine Verfassungsänderung, um den Wunsch Montts zu erfüllen. Mit einem Wahlgeschenk von umgerechnet 2 500 Euro an eine Million ehemalige Patrulleros könnte diese Rechnung aufgehen. Und wenn nicht, steht womöglich ein neuer Putsch bevor. Der Führer der Paramilitärs machte schon mal klar, dass der neue Präsident nur einer sein könne, der auch die Gunst der Pac genießt.

Und so sucht die bei der Bevölkerung unpopuläre Regierung händeringend nach Geld, um sich Stimmen zu kaufen. Auf dem internationalen Finanzmarkt sollen 700 Millionen Dollar aufgenommen werden. Dreist fragte man auch bei der so genannten internationalen Staatengemeinschaft an. Die EU, die USA, die Uno und Deutschland winkten empört ab, nur Taiwan wollte sich finanziell engagieren.

Nun soll eine neue Steuer eingeführt werden, um die Mörder von einst zu bezahlen, was nicht nur die lokalen Wirtschaftsverbände in Rage versetzt. Menschenrechtsgruppen sowie die Uno lehnen die Pläne der rechten Regierung kategorisch ab und sprechen von einem offenen Bruch des 1996 geschlossenen Friedensvertrages. Er sehe unter anderem die Entschädigung der Opfer, eine gerechtere Landverteilung und die Verfolgung der Täter vor, nicht aber deren Belohnung, die einer Verhöhnung des millionenfaches Leides gleichkäme.

Doch Präsident Alfonso Portillo lässt keinen Zweifel daran, dass er die ehemaligen Pac-Leute für ihren »Dienst am Vaterland für den Frieden« bezahlen will. Auf einer Kundgebung vor tausenden Paramilitärs versprach er, einen Plan auszuarbeiten, wie viel jeder bekommen werde und wie das zu finanzieren sei. Verkünden will er ihn am 15. September, dem Nationalfeiertag.

Politische Kommentatoren halten diese Versprechen für äußerst brisant. Sollte Portillo die geweckten Hoffnungen nun nicht vollständig erfüllen, werde es an diesem Tag zu einer Explosion der Gewalt kommen.

Noch stellt man sich in der Regierung allerdings auf Feierstimmung ein. Nachdem der ehemalige Präsident Alvaro Arzú vor fünf Jahren die Paraden zum Nationalfeiertag schlicht verbot, soll es in diesem Jahr nun erstmals wieder eine geben.

Doch viel zu feiern gibt es nicht. Nach gut zweieinhalb Jahren Amtszeit der rechten Regierung häufen sich die Morde an kritischen Journalisten, Gewerkschaftern und Menschenrechtlern. Immer wieder werden Büros von Menschenrechtsgruppen überfallen, Todesdrohungen ausgesprochen. »Wir leben bereits in einer Angst wie damals im Bürgerkrieg«, sagt eine Menschenrechtsaktivistin, die anonym bleiben will.