Revolutionsfeiern in Ägypten

Nassers Schatten

Mit martialischen Militärparaden und glühend-patriotischen Reden gedachten am Dienstag vergangener Woche Ägyptens Machthaber eines Helden des antikolonialen Befreiungskampfes, den sie ideologisch allerdings schon vor Jahrzehnten zu Grabe getragen haben: Gamal Abdel Nasser.

Vor 50 Jahren war es ihm an der Spitze der so genannten Freien Offiziere gelungen, durch einen Staatsstreich König Faruk vom Thron zu jagen. Ein revolutionärer Paukenschlag, der nicht nur das Ende des autokratischen Königshauses besiegelte und den Anfang vom Ende kolonialer Fremdbestimmung durch die britische Mandatsmacht bedeutete. Mit seinem politischen Charisma und radikalen sozialen Reformen rief er auch die jüngere Generation auf den Plan, die ihm spätestens seit der Verstaatlichung des Suezkanals 1956 fast blind die Gefolgschaft leistete.

»Kopf hoch, mein Bruder! Denn die Tage des Kolonialismus sind endlich vorbei!«, so die gängigen politischen Parolen der pronasseristischen Studentenbewegung, die ein Schlaglicht auf den revolutionären Zeitgeist und die damalige Aufbruchsstimmung in Ägypten werfen. Ein Zeitgeist, der nicht nur in Ägypten, sondern schon bald darauf in der gesamten arabischen Welt Schule machte und von Tripolis bis Damaskus eifrige Nachahmer fand.

Und das, obwohl sich schon bald nach der Machtübernahme Nassers die Unzulänglichkeiten und politischen Widersprüche des Systems offenbarten. Seine moderne, staatsdirigistische Wirtschaftspolitik ließ sich nicht ohne weiteres mit der traditionellen Wirtschaftsweise in Ägypten vereinbaren. Der ideologisch-kulturelle Monismus erstickte jeden intellektuellen Diskurs, und von der Muslimbruderschaft bis zur unabhängigen Linken wurden alle politischen Kräfte unterdrückt, die sich dem autoritären Herrschaftsapparat der Arabisch-Sozialistischen Union widersetzten.

Schon bevor die Niederlage im Krieg gegen Israel 1967 den Nasserismus diskreditierte, hatte in Ägypten eine politische Abkehr vom einstigen Hoffnungsträger der »entrechteten arabischen Massen« eingesetzt. Polizeistaat, Parteipropaganda und gebetsmühlenartige Ritualisierung nasseristischer Herrschaftsprinzipien lösten in der Bevölkerung Entfremdung und einen Rückzug ins Private aus.

Doch 50 Jahre nach dem Putsch Nassers lassen sich Ägyptens Machthaber nicht den Spaß an nostalgischen Jubelfeiern nehmen und sehen dabei gerne über die Schattenseiten des damaligen Systems hinweg. Patriotische Slogans und historische Eklektizismen werden wieder bemüht, vom antikolonialen Freiheitskämpfer Nasser bis hin zum »Helden des Oktoberkriegs« Anwar al-Sadat.

Den neu aufgelegten Mythos Nasser hat Ägyptens allein regierende Nationaldemokratischen Partei (NDP) nicht ohne Grund für sich entdeckt. Steht es doch um ihr Ansehen in der Bevölkerung angesichts grassierender Korruption, der Gleichschaltung politischer Parteien und anhaltender Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Organisationen nicht zum Besten. Das seit über zwei Jahrzehnten herrschende System Präsident Hosni Mubaraks haben die Schatten der späten Nasser-Ära wieder eingeholt.