Fünf Jahre 'De:Bug'

Murmeln in der Nische

Seit fünf Jahren gibt es die kryptische und sympathische De:Bug.

In einem Interview mit der Beute sagte die De:Bug-Mitherausgeberin Mercedes Bunz etwas, das sie vielleicht gar nicht hätte sagen müssen. Auf die Frage, wie denn die redaktionelle Praxis ihrer Zeitschrift aussehe, antwortete sie: »Es gibt keine redaktionelle Praxis.«

Das sah und sieht man der De:Bug auch an, jeden Monat wieder. Nimmt man die Jungle World zur Hand - so viel Selbstkritik muss sein - kann man sich bei manchen Texten natürlich auch fragen, ob der zuständige Redakteur im Halbschlaf redigiert hat oder nicht mehr dazu gekommen ist, sein Katerfrühstück einzunehmen. Auch bei uns schießen die Metaphern gelegentlich ins Kraut (schon wieder), haben manche Artikel dieselbe Wirkung wie Schlaftabletten, werden ungerade Sätze nach dem zweiten Lesen nicht gerade. Das soll aber auch so sein; zumindest tut man gerne so. Schließlich kann man einerseits nicht völlig verhehlen, dass die Produktionsbedingungen manchmal prekär sind, und andererseits hat man ja auch gar nichts dagegen, den eigenen nonkonformen Ansatz formal und inhaltlich transparent zu machen.

Doch bei der De:Bug werden die fehlende Lesbarkeit von Texten und die nicht vorhandene Vermittlung zwischen Medium und Leserschaft ganz generell geradezu in den Adelsstand erhoben. Da gibt es seitenlange Interviews mit Drum & Bass-Typen aus Südwestlondon, die wirklich gar nichts zu sagen haben und vom De:Bug-Schreiber dennoch akribisch zitiert werden. Nah dran sein, heißt hier wohl die Losung, auch wenn man so lediglich erfährt, dass der Drum & Bass-Typ gestern was mit Knoblauch gegessen hat.

Und es mag sie vielleicht geben, die fünf Leser, die mit all dem Gemurmel rund ums Internet etwas anfangen können. Jenseits dieser für sie wichtigen »elektronischen Lebensaspekte« dürften diese Leute aber eher eine traurige Existenz führen, denn hier ist der Hardcore-Nerd gefragt, und alle anderen sollten lieber gleich zu den Plattenkritiken greifen. Die De:Bug sieht eben nicht nur aus wie eine schicke Tageszeitung, sie stellt wie diese an den Leser auch denselben Anspruch nach interessegeleiteter Selektion; kein Mensch liest das Blatt von vorne bis hinten.

Die De:Bug ist eine kryptische, aber auch eine sympathische Zeitschrift. Sie ist wie die Jungle World ein Selbstausbeutungsprojekt, das seit fünf Jahren mit geringen Kapital- und Personalressourcen versucht, sich in einer vage abgesteckten Nische zu behaupten. Einer Nische, von der man vorher gar nicht wusste, dass es sie so überhaupt gibt. Natürlich hat die mögliche Existenz einer derartigen Zeitschrift viel mit dem Paradigmenwechsel hin zur elektronischen Musik zu tun, der sich nicht nur gegenüber Gitarrenmusik, sondern auch gegenüber Rave und Techno manifestierte. Natürlich geht es immer noch auch um Clubs und Partys, aber eben nicht mehr um eine diffuse raving society, sondern um das, was von ihr übrig geblieben ist, nämlich hundert Millionen Formen von Musik, deren einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie eher auf Sampler und Midi basieren als auf der Gründung einer Band.

Geld für Redakteure und Autoren gibt es bei der De:Bug gerade mal mehr als gar keins. Sascha Kösch etwa, ebenfalls Mitherausgeber der Zeitschrift, bringt sich hauptsächlich durchs Auflegen über die Runden, ansonsten haben die meisten Redakteure nebenbei ein Plattenlabel, machen selber Musik oder basteln in irgendwelchen Klitschen an Websites herum. Wie die Jungle World ist auch die De:Bug ein Berliner Projekt, das sich nie ganz von der Frage gelöst hat, die es sich schon bei der Geburt gestellt hat: »Werde ich überleben können?«

Beide Zeitungen existieren gegen die Logik eines freien Marktes, was bekanntlich nicht nur Freiheiten, sondern auch jede Menge Zwänge mit sich bringt. Die Jungle World etwa hat nicht nur wegen ihrer relativ geringen Auflage wenig Anzeigen, die De:Bug dagegen hat sogar doppelseitige Anzeigen von Viva, kann zur Platte des Monats jedoch niemals irgendein Viva-kompatibles Produkt küren, sondern immer nur eine möglichst obskure Scheibe aus dem schier endlosen Orkus der elektronischen musica obscura. Alles andere wäre Verrat am Leser.

Wie schwer es ist, im Eigenverlag zu erscheinen, hat zuletzt der Fall Spex bewiesen. Als man die Zeitschrift noch selber in der Hand hatte, war sie zwar besser, überleben konnte sie jedoch nur, indem sie sich übernehmen ließ. Dass es die De:Bug gibt, ist eigentlich ein Wunder.

Verglichen mit anderen Zeitschriften, die sich im weitesten Sinne mit elektronischer Musik und deren Produktionsbedingungen und -mitteln beschäftigen, wirkt sie in einem angenehmen Sinne undogmatisch und glaubt dennoch stärker als alle anderen Blätter an den langsam in Vergessenheit geratenden Distinktionsgewinn durch Popmusik. Wenn alle von Pop reden, muss man Pop eben wieder zu etwas ganz Speziellem stilisieren. All die obskure Musik auf noch viel obskureren Labels, die in der De:Bug Monat für Monat verhandelt wird, kann kein Mensch kennen, und doch wird stets aufopferungsbereit versucht, sie uns näher zu bringen.

Und das ohne Bescheidwissertum wie in der Groove und ohne so wie in der Spex zu tun, als gäbe es noch Platten, die über alle soziokulturellen und musikalischen Grenzen hinweg einen gemeinschaftlichen Konsens bilden könnten. In der De:Bug wird lieber jede zweite Platte mit der Höchstbewertung versehen und dann gesagt: »Hör' dir doch auch mal die hier an, kennt niemand, ist aber trotzdem gut.«

Emanzipatorisch ist die De:Bug lediglich dann, wenn es darum geht, Kleinstlabels oder Non-profit-Künstler gegen die Industrie zu positionieren. In ihrer Beschäftigung mit den »elektronischen Lebensaspekten« dockt die De:Bug immer wieder an die Überlebensaspekte der New Economy an. Dann wird ein wenig so getan, als gelte es, nur die cooleren Strategien als der normale E-Commerce-Depp zu haben, und schon ist das Internet wieder als ewiger Glücksversprecher brauchbar.

In der letzten Dezemberausgabe der De:Bug sprach man sich beispielsweise unter der Überschrift »Online Geld jagen - Weihnachtskapitalismus für alle« dafür aus, auf seltsamen Websites seltsame Dinge mit Hilfe der Visa-Karte anzuklicken, um sich so vom gemeinen Weihnachtsrummel in den nonvirtuellen Kaufhäusern fernhalten zu können. Besser shoppen wird hier als Distinktionsgewinn einer in Konsumfragen auch außerhalb des Plattenladens bestens informierten Subkulturelite propagiert. Und gar nicht gesehen, dass dieses Bemühen um ein »Besser im falschen« reine Augenwischerei ist.

Mit ihrem Anarcho-Gestus in allen Belangen rund ums Netz geriert sich die De:Bug als Erfüllungsgehilfe der New Economy, die noch nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass ein gewisser Anarcho-Gestus ihrer eigenen Durchsetzung nur dienlich ist. Das scheint hier jedoch niemanden zu stören. Solange die Musik gut ist.