François Ozons »Acht Frauen«

Grauen mal acht

»Hitchcock hätte seine Freude gehabt. 'Acht Frauen' ist ein Krimi, Screwball-Comedy; Musical und Melodrama in einem«, freut sich die tageszeitung über François Ozons neuen Film nach einer Vorlage des Theaterstücks von Robert Thomas. »Das ist keine Besetzung mehr, sondern eine Hitliste mit geballter Superpower«, jubelt gar der Spiegel.

Donnerwetter. War doch auf der Besetzungscouch wirklich kaum noch Platz, nachdem sich mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Fanny Ardant, Virgine Ledoyon, Danielle Darrieux, Ludivine Sagnier und Firmine Richard die französische Weltauswahl der ersten Schauspielerinnen-Liga hingesetzt hatte und nicht mehr aufstand.

Ob das gut war? Erfreut steigen wir in die ersten Szenen ein. In einer verschneiten Villa trifft sich eine Großfamilie zur Weihnachtsfeier. Zur Bescherung gibt's das tote - männliche - Familienoberhaupt Marcel. Wer hat es umgebracht? Alle acht Damen im Alter von 17 bis scheintot verdächtigen sich untereinander, den Mann abgestochen zu haben.

Das Problemlösungsspiel beginnt. Alle haben außerdem Geheimnisse, Intrigen und sexuelle Bedürfnisse, die sich in der Wintervilla sukzessive ver- und entwickeln wie Loriots Roulade beim Essen mit Evelyn Hamann. Das wäre alles ja ganz chic, allerdings musste Regisseur Ozon leider auf seine Inszenierung meterdick Buttercremetorte schmieren. Jeder der acht Grazien bekommt ihren unterirdischen Gesangsauftritt, und vor allem Gaby alias Catherine Deneuve treibt einem mit ihrem Gesinge die Tränen in die Augen. Muss man sich nach einem so reichen Schauspielerinnenleben so erniedrigen? Wo war der Produzent, als er nötig gewesen wäre?

Richtig, Hitchcock begegnet uns hier jedenfalls nicht, und auch nicht Screwball, Krimi oder Melodram. Wäre der Film kein Musical, wäre »Acht Frauen« mit seiner dünnen Story und schlappen Auflösung nie auf Kinolänge gekommen. Nur deswegen mussten die gequälten Darstellerinnen - wie weiland im Hollywood-Kinderfilm - ans Chanson-Mikro.

»Acht Frauen« - das sind acht bunte Glasperlen, die uns von der Leinwand heimleuchten. Aber wie Emanuelle Béart als Hausmädchen Louise, dem Hauspatriarchen als Fellatio-Künstlerin zugeteilt, sagt: »Manchmal tut's das Einfache, Madame.« That's it - François Ozon kann sich nicht entscheiden zwischen halb schmierig und halb bekloppt. Und so folgt er in »Acht Frauen« seinem 1997er Film »Sitcom«, der auch nur von seiner Postpost-Surrealität lebte. Aber genau die könnte ja absurderweise auch wirklich die aktuelle französische Wirklichkeit mit ihren Chiracs, Le Pens und kaputten Linken exakt abbilden.

So gilt für »Sitcom« wie für »Acht Frauen«: Das französische Kino wird zum aktionistischen Spartenkanal. Ein bisschen nationale Filmförderung in der Tasche, eine Handvoll guter Schauspielerinnen, die für jede Peinlichkeit zu haben sind, dann Kamera drauf, und zwei Stunden abfilmen, was die noch so alles anstellen. Sie hatten offensichtlich genauso viel Spaß daran wie der Regisseur.

»Acht Frauen«. F 2002 R: François Ozon, D: Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Fanny Ardant, Virgine Ledoyon , Danielle Darrieux, Ludivine Sagnier und Firmine Richard