Migranten in Südkorea

Warten aufs Finale

Während der Fußballweltmeisterschaft hält sich die Regierung zurück. Denn spektakuläre Polizeiaktionen, vermuten die Demonstranten aus Korea, Nepal, den Philippinen und Bangladesh auf dem Gelände der Myeongdong Kathedrale in Seoul, würden zu viel Aufsehen in der Weltöffentlichkeit erregen. Seit Mitte April demonstrieren sie mit einem Sit-In für die Rechte der ausländischen Arbeiter und gegen die staatliche Repression.

Unter dem Vorwand, die Rechte der Migranten besser schützen zu wollen, beschloss das koreanische Arbeitsministerium zusammen mit der Einwanderungsbehörde im März, alle so genannten Illegalen auszuweisen. Mit einem neuen Gesetz soll dann die Migration geregelt werden.

So waren die Illegalen, deren Zahl die Regierung auf 266 000 schätzt, unter Strafandrohung aufgefordert worden, sich bis zum 25. Mai von der Einwanderungsbehörde registrieren zu lassen. Anfang Juni gab das Justizministerium bekannt, dass 96 Prozent sich bei den Behörden gemeldet hätten. Wer jetzt noch fehle, müsse mit Inhaftierung und sofortiger Abschiebung rechnen. Die Registrierten dagegen dürften noch maximal ein Jahr lang bleiben. Dann aber müssten sie ebenfalls das Land verlassen, um anderen, weniger renitenten Arbeitsmigranten Platz zu machen.

Die Einwanderung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft zu regulieren, bedeutet in Südkorea nicht zuletzt, gegen den Widerstand der Migranten vorzugehen. Während sich die südkoreanische Gesellschaft dem Standard entwickelter Industriestaaten nähert, leben die ausländischen Arbeitskräfte unter frühkapitalistischen Bedingungen. Ihnen werden die härtesten, schmutzigsten und gefährlichsten Arbeiten zugewiesen, ihre Löhne liegen zwischen 230 und 360 Euro, oft wird auch gar nicht gezahlt.

Dagegen regt sich eine wachsende Opposition. Schon seit längerem erleben die Unternehmen und die Regierung immer mehr individuellen Widerstand. Ende Mai des vergangenen Jahres wurde dann die Migrantengewerkschaft ETU-MB (Equality Trade Union - Migrants Branch) unter dem Dach der militanten KCTU, des zweitgrößten südkoreanischen Gewerkschaftsverbandes, gegründet. Lee Yoon-joo, der Vorsitzende der ETU-MB, sieht darin den Grund für die Abschiebungspläne: »Um den nun organisierten Widerstand ein für allemal zu brechen, kamen die Herrschenden Koreas auf die Idee mit der Einführung des neuen Gesetzes.«

Die Gründung der ETU-MB sei die Aktion einiger »irregeleiteter linker Sektierer«, schrieb die Tageszeitung Chosun Ilbo im vergangenen Jahr. Doch die Migrantengewerkschaft entwickelte sich zu einer sehr agilen Bewegung. Am 27. April gingen über 1 000 Migranten auf die Straße und bekräftigten ihre Forderungen nach Visa mit einer Arbeitserlaubnis für mindestens fünf Jahre, nach dem Streikrecht, der Organisations- und Redefreiheit und nach der Amnestie aller so genannten Illegalen. Die Demonstration wurde von Anti-Aufruhr-Einheiten auseinandergetrieben, einige Aktivisten wurden auf die Fahndungsliste gesetzt. Am 1. Mai, der in Südkorea kein Feiertag ist, demonstrierten über 15 000 koreanische und ausländische Arbeiter gegen die Verschlechterung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Auch da kam es wieder zu Zusammenstößen mit der Staatsmacht.

Doch wegen der Unterstützungsaktionen koreanischer Arbeiter und Studenten, aber auch internationaler NGO, sind die bereits vorbereiteten Attacken auf die Organisatoren der Proteste abgeblasen worden. Zumindest bis zum Endspiel.