Neues HipHop-Magazin aus Berlin

Battle the System

Für den Rap-Underground kämpfen die MacherInnen des Fanzines Punch Zeilen aus Berlin-Kreuzberg, das dem Label- und Rapper-Zusammenhang Royal Bunker angegliedert ist. In konsequenter Überaffirmation der Szene-Items Knarren, Goldketten etc. ziert ein US-Army-Panzer das Titelblatt des Schwarzweißblatts, dessen Name auch mal mit Proletarisches Zentralorgan oder Panzer & Zärtlichkeit variiert wird.

Überhaupt nimmt die Verarsche von HipHop-Klischees viel Platz im Heft ein. Ob die Respekt erheischenden Verhaltensratschläge (»Falls Leute dich etwas fragen, was sie gerüchteweise über dich gehört haben, antworte grundsätzlich nicht, oder wenn doch, dann lache nur kurz hämisch und spucke auf den Boden«), die Beschreibung der Pimp-Akademie (»Jedes Semester gibt es zur Abschlussfeier Präsentationen verschiedener Drive-by-Techniken«) oder die Modetipps - herkömmliche Authentizitätstechniken werden erstmal kritisiert.

Andererseits scheinen an den Punch Zeilen alle Debatten, die Anfang der Neunziger die Underground/Mainstream-Dichotomie wahlweise als Illusion, Identitätsfalle oder bildungsbürgerliche Distinktion problematisierten, vollkommen vorbeigegangen zu sein. Der Kampf gegen die Dominanz der Plattenindustrie und der Massenmedien ist Thema von vielen Interviews, und die Kultivierung von Underground artikuliert sich als linke Repolitisierung. So macht das Graffiti-Projekt Dosensport aus Rostock klar, was die Videoüberwachung von Bahnhöfen fürs Sprayen bedeutet, und die anarchistische Crew Looptroop legt ihre Kritik an Polizei und Staat dar: »I don't battle emcees, I battle the system!«

Von Royal Bunker werden auch die Berliner M.O.R. gefeatured, die vom rechtsextremen Musikblatt Rocknord in eine Reihe mit rechten HipHop-Crews gestellt wurden (Jungle World, 15/02). Auf ihrer Website reagieren die Leute von Royal Bunker auf die daraufhin in der Szene entbrannte Diskussion. Sie stellen klar, dass sie »deutschnationalen Rap« und »Nazi-Texte« nicht unterstützen und räumen ein, dass Zeilen der multinationalen Crew M.O.R. wie: »Affen wie Afrob fliehen aus dem Zoo und halten sich für MCs« problematisch sind und »rassistisch verstanden werden können«.

Dass Battlekultur auch reaktionäre politische Positionierungen begünstigen kann, wenn sie bloß als »Tabubrechen« verstanden wird, ist hier angekommen, da betont wird, dass man in Zukunft vorsichtiger mit im US-Rap gängigen Vokabeln wie »nigga« umgehen will. Eine politische Sensibilisierung der HipHop-Szene hat also zumindest bei Royal Bunker stattgefunden. Das Statement »Es gibt keinen deutschnationalen HipHop« ist in diesem Kontext nicht zwangsläufig Ausdruck von Naivität, sondern Teil des Bemühens, durch symbolische Ausschlüsse die Machtverhältnisse im kulturellen Feld HipHop zu Ungunsten von rassistischem Rap zu beeinflussen.

Ob dies erfolgreich sein wird oder aber die rechten Unterwanderungsversuche, entscheidet sich möglicherweise nicht in der aktiven HipHop-Szene, sondern dadurch, ob es anderswo gelingt, massentauglichen Rap mit rechtem Image zu etablieren.

Punch Zeilen ist zu beziehen über