Demonstration gegen strikte Abtreibungsgesetze

Ihr Kinderlein kommet

In Polen sind die Abtreibungsgesetze besonders strikt. Am 8. März wollen Frauenorganisationen dagegen demonstrieren.

Das wird dem polnischen Papst Johannes Paul II. überhaupt nicht gefallen. »Mein Leben - meine Wahl«, lautet das diesjährige Motto der Demonstration am 8. März in Warschau. Die Veranstalterinnen, verschiedene Frauenorganisationen, erwarten über 1 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was für polnische Verhältnisse ziemlich viel wäre. Feministinnen, Managerinnen, Studentinnen und Hausfrauen wollen für eine andere sexuelle Erziehung in den Schulen, für einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln und für die Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes demonstrieren.

Zwar ist es auch in Polen möglich, eine Schwangerschaft abzubrechen, aber es müssen strenge Bedingungen erfüllt sein. So muss die Schwangerschaft eine Bedrohung für die Gesundheit oder für das Leben der Frau darstellen, die Folge einer Vergewaltigung sein oder es muss sich bei den medizinischen Untersuchungen herausstellen, dass eine schwere und unheilbare Behinderung des Kindes oder eine lebensgefährliche Krankheit sehr wahrscheinlich ist.

Doch nicht einmal, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, ist ein Schwangerschaftsabbruch ohne weiteres möglich. Zuerst muss die Frau einen Arzt finden, der ihr die nötige Bescheinigung ausstellt, denn jeder Arzt kann sich auf die so genannte Klausel des Gewissens berufen und die Ausstellung verweigern, was auch recht häufig geschieht. Und damit nicht genug. Es gibt inzwischen viele Ärzte und Krankenhäuser, die sich weigern, überhaupt eine Abtreibung durchzuführen. Mit der Nennung eines Heiligen in ihrem Namen signalisieren die jeweiligen Kliniken, dass dort kein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird.

Auch für Frauen, die vergewaltigt wurden, ist es nicht einfach, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, obwohl dies gesetzlich so vorgesehen ist. So haben viele Probleme damit, rechtzeitig die geforderte Bescheinigung von der Staatsanwaltschaft zu bekommen. Bekannt wurde der Fall einer Richterin, die es 1999 ablehnte, ein solches Papier auszustellen, da es ihr Gewissen nicht erlaube, »ungeborene Kinder zu töten«. Obwohl jährlich etwa 2 000 Vergewaltigungen bei der Polizei gemeldet werden, wurden 1999 nur 53 Abtreibungen aus diesem Grund durchgeführt. Im Jahr 2000 war es sogar nur eine. Der Schutz des ungeborenen Lebens wird in Polen in allen Fällen über die Interessen der Frauen gestellt.

Das war nicht immer so. Bis 1993 hatte ausschließlich die Frau das Recht, über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Die katholische Kirche lief dagegen seit Anfang der neunziger Jahre Sturm. Mit Erfolg. 1993 unterschrieb der damalige Präsident Lech Walesa ein Gesetz, in dem Abtreibungen aus gesellschaftlichen und medizinischen Gründen für unzulässig erklärt wurden.

Zwar liberalisierte die sozialistische Regierung den Abtreibungsparagraphen 1996 wieder, aber nur ein Jahr später erklärte das Verfassungsgericht die Abtreibung aus sozialen Gründen für verfassungswidrig. Aktivisten der katholischen Organisation Pro Life hatten mit der Unterstützung des erzreaktionären Senders Radio Maria und der Gewerkschaft Solidarnosc unzählige Messen und »Nationale Märsche zum Schutz des Lebens« organisiert, an denen Tausende von Polen teilnahmen. Das Abtreibungsgesetz existiert nun wieder in der Form von 1993.

Und es hat Folgen. Im gesamten Jahr 1999 wurden nur 151 legale Abtreibungen in staatlichen Krankenhäusern vorgenommen. Wenn man weiß, dass es in Polen fast neun Millionen Frauen im so genannten gebärfähigen Alter gibt und Verhütungsmittel nicht weit verbreitet sind, erscheint diese Zahl absurd. Die polnische Nichtregierungsorganisation Föderation zugunsten der Frauen und der Familienplanung geht davon aus, dass jährlich 190 000 illegale Schwangerschaftsabbrüche in Polen vorgenommen werden.

Die illegalen Abtreibungen werden im so genannten »Abtreibungsuntergrund« durchgeführt, meist sind das private Praxen, selten Krankenhäuser. In Zeitungen wie der Gazeta Wyborcza annoncieren zahlreiche Frauenärzte, die illegal abtreiben. »Alle Dienstleistungen und Behandlungen aller Art«, lauten die Stichworte, unter denen die Frauen das Gewünschte finden. Und die Ärzte verdienen gut an ihnen. Zwischen 400 und 850 Euro müssen Frauen für diese Dienstleistung bezahlen.

Im Ausland ist es wesentlich billiger, aber dem so genannten Abtreibungstourismus wurde ein Riegel vorgeschoben. 1995 bis 1997 gab es mehrere Prozesse gegen Reiseagenturen, die Fahrten zu Kliniken hinter der östlichen und südlichen Grenze Polens organisiert hatten. Die Angeklagten bekamen hohe Strafen. So wurde Jerzy T. 1997 vom Kreisgericht in Lublin zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsentzug und einer Geldstrafe in Höhe von 815 Euro verurteilt, da er es Frauen ermöglicht hatte, in der Ukraine abzutreiben. Um Kundinnen hatte er in der Zeitung Kurier Lubelski mit den Worten »Hervorrufen der Menstruation« geworben.

Die Schwangeren, die es sich nicht leisten können, illegal abzutreiben, versuchen es mit den altbekannten Mitteln. Bei einer Befragung von Krankenhauspersonal gaben 1999 zahlreiche Schwestern an, dass es immer öfter »verdächtige« Schwangerschaftskomplikationen gebe, da Frauen mit »irgendwelchen Kräutern, heißen Bädern und Selbstverstümmelungen« eine Abtreibung versuchten.

Aber auch der Zugang zu den verhältnismäßig teuren Antibabypillen wird seit 1999 erschwert. Von der Liste der Medikamente, die der Staat mitfinanziert, wurden fünf Pillen gestrichen. Geblieben sind drei ältere Mittel mit einem hohen Anteil an Hormonen, die viele Frauen schlecht vertragen.

Aber auch diese werden von Ärzten nicht immer problemlos verschrieben. So weigerte sich ein Internist im Jahr 2000, einer Patientin die Pille zu verschreiben. Sie reichte daraufhin eine Klage beim Ärztlichen Kreisgericht in Warschau ein. Das Gericht hielt das Verhalten des Arztes aber nicht für unangemessen. Er wurde allerdings wegen »Beleidigung des Ärztestandes« ermahnt, da er Ärzte, die Verhütung propagieren, mit Joseph Mengele verglichen hatte.

Es verwundert daher nicht, dass das Fach »Sexuelle Erziehung« 1999 an den Schulen abgeschafft wurde und stattdessen die »Vorbereitung für das Leben in der Familie« gelehrt wird, nicht selten von einem Priester. Die Lehrbücher, die vom Ministerium für Ausbildung für das Fach ausgewählt wurden, kritisieren Ärzte, Sexualwissenschaftler und Lehrer wegen ihrer diskriminierenden Stereotypen und der traditionellen Rollenbilder, die darin verbreitet werden.

Was die Politik der Schulbehörde beabsichtigt, kann man in den neuen Lehrbüchern nachlesen. »Aus der Sicht der Epidemiologie von Aids wäre die Rückkehr zur traditionellen Moral, in der der einzige Raum der sexuellen Aktivitäten eine treue Ehe ist, zweifellos die erfolgreichste Lösung«, heißt es in dem Schulbuch »Auf dem Wanderweg zum Erwachsenwerden«. Es erschien im Jahr 1999.