Reiterstaffel gerettet

Traurige Rösser

Es ist offensichtlich nicht viel los in Berlin, Schulden hin, Schulden her. Deshalb wurde die Reiterstaffel zum Thema. Denn die Reiterinnen und Reiter der Berliner Polizei, deren vornehmste Aufgabe es war, hochdekorativ durch die Wälder zu traben oder ausländischen Familien das Grillen im Tiergarten zu verbieten, sollten ein Teil der Fußtruppe werden. So war es bereits seit Mitte der neunziger Jahre angekündigt. Doch erst Ende des vergangenen Jahres konkretisierte sich der Plan, und der neue Senat aus SPD und PDS beschloss schließlich, die Reiterstaffel einzusparen, die zur Wahrnehmung der Polizeiaufgaben ohnehin nicht notwendig ist.

Doch die Rotroten hatten ihre Rechnung ohne die konservativen Medien Berlins gemacht, die den Erhalt der Reiterstaffel forderten. Allen voran schritt die B.Z. Das Blatt gründete die »Aktion Bürgersinn«, sammelte mehrere Zehntausend Euro an Spendengeldern, druckte Protestpostkartenvorlagen und ließ »Rettet die Reiterstaffel«-Aufkleber verteilen - natürlich immer mit großem B.Z.-Logo darauf. Zum einen ging es um die armen Tiere, denen der Weg zum Abdecker bevorstand, zum anderen aber ging es um Politik. Sogar Dieter Bohlen ließ es sich nicht nehmen, großzügig Geld gegen die Pläne der herzlos pferdemörderischen Sozikommunisten zu spenden.

Bürgerärger wurde mobilisiert: »Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in Berlin geht uns alle an. Jetzt werden wir dem Senat zeigen, dass die Bürger in der Politik auch noch ein Wort mitzureden haben«, zitierte die B.Z. einen Claus Otterbein vom Pferdesportverband Berlin-Brandenburg. Und am 16. Februar sollte es dann so weit sein. Die hiesigen Reitvereine wollten mitsamt ihrer Pferde protestierend vor das Rote Rathaus ziehen. Diese »Groß-Demo« (B.Z.), die vom breiten Bürgerprotest getragen sein sollte, fand dann mit immerhin 5 000 Teilnehmern tatsächlich statt.

Allerdings anders als erhofft. Denn inzwischen war die Politik, namentlich Innensenator Ehrhart Körting (SPD), sehr nervös geworden. Er hatte sich nicht entblödet, gemeinsam mit Bundesinnenminister Otto Schily einen Plan auszuklüngeln: Schily, der Dienstherr des Bundesgrenzschutzes, welcher seit geraumer Zeit in Berlin auch normale Polizeiaufgaben wie etwa die Überwachung von U-Bahnhöfen oder Fußballspielen übernimmt, wird die Reiterstaffel einfach in den BGS integrieren. Das verkündete Körting kurz vor dem Beginn der Demo, die somit eine Demo der Freude war. Die Gäule sind gerettet. Und da die Reiterstaffel nun unter Bundeshoheit steht, müssen ihre Einsätze in Berlin auch nicht mehr aus der Landeskasse bezahlt werden, sondern vom Bund.

Wenngleich alle sich freuen, ist doch einer sehr betrübt. Das Sturmgeschütz der konservativen Presse, Georg Gafron, der die ihm unterstehende B.Z. zum Organ des Protestes gemacht hatte, der Aufkleber hatte drucken und fünf Titelstorys hatte schreiben lassen, sah sich nämlich betrogen. »Deutschlands größte Trickser« nannte die B.Z. Schily und Körting, und im Leitkommentar schrieb Gafron, dass für ihn der Kampf um die Reiterstaffel noch nicht beendet sei. Da man sie dem Land Berlin weggenommen habe, habe sich die PDS durchgesetzt. »Die Berliner Genossen bekamen ein Problem vom Halse und ein guter Fototermin für den Minister als Pferderetter war auch noch drin. Aber, es bleibt eben dabei: Am Aus der Berliner Reiterstaffel hat sich nichts geändert.« Denn jetzt gehört sie dem Bund. Schlimm. Echt ganz doll schlimm.