Krise der europäischen Telekommunikationsunternehmen

Auf Netzsuche

Das Mobiltelefon der Zukunft bringt viele Unternehmen in Schwierigkeiten.

Sie glaubten, ein Schnäppchen zu machen. Doch die Käufer der UMTS-Frequenzen im Mobilfunkbereich haben sich womöglich verrechnet. Technische Probleme bei den Endgeräten und im Bereich des Netzaufbaus führten jetzt dazu, dass der Terminplan für den kommerziellen Start der Dienste geändert werden musste. Die Telekommunikationsunternehmen Mannesmann Mobilfunk (D2), T-Mobil (D1), e-plus, Viag Interkom, Group 3G und MobilCom gingen zum Erwerbszeitpunkt der Lizenzen, im August 2000, davon aus, den Verkauf in diesem Jahr starten zu können. D2 Vodafone und T-Mobil sprechen inzwischen davon, im Laufe des nächsten Jahres beginnen zu wollen. Gewinne erwarten sie in diesem Jahrzehnt nicht mehr.

Die neuen Prognosen tragen erheblich zur Talfahrt der Telekom-Riesen an den Börsen bei und kratzen am Image der Branche. Dabei hatte die Grundlagenforschung so viel versprochen. Die Nutzung der UMTS-Frequenzen sollte die Basis zum Aufbau von Mobilfunknetzen der so genannten dritten Generation bilden. Die hohen Datenübertragungsraten sollten die Informationsgesellschaft direkt zu den Reisenden bringen. Die Möglichkeit zu telefonieren ist in dieser Vision nur ein Angebot unter vielen. Die Idee vom permanenten Zugriff auf Unternehmensnetzwerke und Großdatenbanken wurde ergänzt mit Vorstellungen von online-digitalem Fernsehen und erweitertem News- und Shoppingservice.

Während der Versteigerung der Lizenzen mischte sich bei den Telekommunikationsunternehmen die Euphorie über den gerade stattfindenden Handyboom mit der Panik, ohne UMTS ab 2005 die geschäftliche Basis zu verlieren. In dieser Situation bezahlten die Unternehmen für die europäischen Lizenzen insgesamt um die 120 Milliarden Euro. Den Hauptanteil von 50,5 Milliarden Euro sicherte sich dabei der deutsche Fiskus durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post.

Obwohl die Märkte in allen kapitalistischen Ländern von Großunternehmen beherrscht werden, die meistens vorher Staatsunternehmen waren, sind die finanziellen Belastungen enorm. Der deutsche Unternehmensriese Telekom muss beispielsweise im Jahr 2002 geschätzte Zinszahlungen in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro leisten. Die Projekte zum Aufbau der entsprechenden Netze befinden sich dabei noch im Anfangsstadium. Die Kosten für die Realisierung werden in ganz Europa auf weitere 120 Milliarden Euro geschätzt.

Kein Wunder, dass die Töne im Umgang mit der Regulierungsbehörde schriller werden, und die freiwillig akzeptierten Lizenzbedingungen nun von den Unternehmen kritisiert werden. So führte der Druck der Lizenzhalter in Deutschland im Juni 2001 zu ersten Zugeständnissen der Regulierungsbehörde. Um die Investitionskosten für den Aufbau der Netze zu reduzieren, wurde den Unternehmen gestattet, eine so genannte begrenzte Zusammenarbeit einzugehen. Eine gemeinsame Nutzung von Netzstrukturen ist seitdem möglich. Diese lizenznehmerfreundliche Entscheidung wurde vom neuen Leiter der Regulierungsbehörde, Matthias Kurth, gefällt und ermöglichte gemeinsame Projekte sowohl von T-Mobil und Viag Interkom als auch von e-Plus und Quam, der Marke der Group 3G.

Die Anbieter haben aber auch Probleme mit der allmählichen Sättigung auf dem heiß umkämpften Mobilfunkmarkts. Nach dem Run auf Handys zwischen 1999 und 2000, der fast eine Verdoppelung der Zahl der Mobilfunkteilnehmer mit sich brachte, gibt es jetzt, nachdem 70 Prozent der Bevölkerung bedient sind, kaum noch neue Kunden.

Gleichzeitig kommt es zu weiteren Fusionen und Firmenkäufen im strukturell hoch verschuldeten Umfeld der Telekommunikationsunternehmen. Die niederländische KPN übernahm Ende Januar die restlichen 22,5 Prozent der e-plus-Aktien von der US-Telefongesellschaft Bell South. Vodafone versucht gerade, seine Marke bei D2-Nutzern, nach der Übernahme von Mannesmann vor zwei Jahren, durchzusetzten.

Die hektischen Versuche, durch Firmenankäufe in Europa die kritische Marktmasse zu erreichen, ist nicht allein der Großmannssucht einer Managerelite geschuldet, sondern einer Marktlogik, die gerade im Telekommunikationsbereich auf viele Kunden angewiesen ist. Marktteilnahme bedeutet hier den Aufbau von komplexen und teuren technischen Anlagen. Auf die Unternehmen kommen hohe Fixkosten zu, die unabhängig von der Zahl der Kunden sind. Das heißt, dass ein großer Anbieter für Mobildienste weniger Aufwand pro Kunde betreiben muss, als sein kleinerer Konkurrent.

Diese Bedingungen machen Mobilcom und insbesondere Quam zu potenziellen Krisenkandidaten. Während Mobilcom zumindest als Drittanbieter auf einen eigenen Kundenstamm zurückgreifen kann, versuchte der Neuling Quam Ende 2001 einen Spätstart ins konventionelle Mobilfunknetz. Dem enormen Werbebudget von 50 Millionen Euro standen allerdings technische Schwierigkeiten entgegen. Quam musste kurz vor dem lukrativen Weihnachtsgeschäft den Vertragsverkauf wieder einstellen.

Die Situation in Deutschland brachte eine der beiden Mütter des Unternehmens, die spanische Telefónica, in erhebliche Schwierigkeiten. Der Konzern hat seit Anfang Februar das Engagement bei seiner italienischen Tochter aus finanziellen Gründen nicht mehr erhöht. Ein Schritt, der unter Umständen zum Entzug der fast 3,3 Milliarden Euro teuren Anbieterlizenz in Italien führen könnte.

Und je prekärer die wirtschaftliche Lage der Anbieter wird, umso schneller wird es in der öffentlichen Debatte wieder um Arbeitsplatzerhaltung, Standortattraktivität und den gesamtwirtschaftlichen Schaden gehen. Hinter den Kulissen geht es dann um Subventionen und Lizenzkostenerlasse. Denn insbesondere der Fusionsfreudigkeit der Telekommunikationsunternehmen ist auch nach den geltenden Bestimmungen eine Grenze gesetzt. So fällt eine der teuren Lizenzen entschädigungslos an den Staat zurück, wenn zwei Anbieter zusammengehen. Ein erneuter Verkauf könnte dann unter günstigeren Bedingungen für die Unternehmen erfolgen als im Herbst 2000. Das ist der Punkt, an dem die Anbieter bei ihren Angriffen auf die Regulierungsbehörde ansetzen.

Da die Industrie international stark verflochten ist, fällt es den staatlichen Akteuren schwer, weitere Nachgiebigkeit bei den Lizenzbedingungen oder finanzielle Hilfe für die Unternehmen als nationale Wohltat zu verkaufen. Da es aber eine hohe Zahl von deutschen Anteilseignern in den betroffenen Unternehmen gibt, wird sich in Deutschland eine Begründung für staatliche Unterstützung schon finden lassen.