Politischer Aschermittwoch der Bundesregierung

Wolle mer se dranlasse?

Schröders Rezept gegen den Kater heißt: Wenn die ruhige Hand zittert, wird nachgekippt. Eine Büttenrede zum politischen Aschermittwoch.

Hätte ich davon gewusst, hätte ich als Oppositionspolitiker da doch stärker reingewichst!« Er muss ganz schön erregt gewesen sein, der Riester Walter, unser Arbeitsminister, zumindest zitiert ihn so die alternative tageszeitung aus der Berliner Kochstraße. Ja, wenn er »davon gewusst hätte«, was zehn Tage vor der letzten Bundestagswahl über die faulen Bilanzen der fleißigen bundesdeutschen Arbeitslosenbeamten in einem einschlägigen ARD-Magazin zur freien Ausstrahlung gelangte, wär's ein Segen gewesen für alle. So aber musste er die Rücktrittsforderungen der rotztriefenden Pappnasen Friedrich Merz (CDU-Sauerland), Gerhard Solms und Jürgen Koppelin (FDP-Pausenclowns) kauzig mit der rhetorischen Frage kontern: »Für wie bescheuert halten Sie mich?«

Nun gestehen wir dem IHK-geprüften Fliesenlegermeister mal zu, dass er damals womöglich zu knauserig war, seine GEZ-Gebühren zu bezahlen und auf das Eindösen während öder Politmagazine verzichtete. Was der Riester-Rentner dereinst in seiner Freizeit so trieb, fällt unter den Schutz der (bis zur Wiedervorlage noch gültigen) so genannten Privatsphäre. Vielleicht hat der damalige IG Heavy Metal-Vize ja auch einfach nur im Internet rumgeriestert und sich am Pöstchen-Inzest des DGB aufgegeilt. »Panorama« stand jedenfalls nicht auf seinem Programm an diesem ominösen Abend. Jedenfalls nicht für den Oppositionspolitiker. Und schon gar nicht zur Triebabfuhr.

Zwei Tage nach der Schröder-Wahl aber lag die perfekte Wichsvorlage definitiv auf dem Schreibtisch. Zumindest auf dem des allerobersten Arbeitslosigkeitsverwesers Bernhard Jagoda, eben jenes keck gepuderten Herrn, der - von der Richtigkeit der Aufsichtsbeamten überzeugt - jeden Monat die Ziehung der Arbeitslose präsentiert. Denn schon 1998 hat der (hiermit schon mal vorsorglich den Duden-Behörden als hochtaugliches Wort des Jahres vorgeschlagene) »Innenrevisor aus Rheinland-Pfalz« Alarm geschlagen.

Der gewiss in Bälde als Held der Arbeitslosen gefeierte und in der Frankfurter Rundschau als »Erwin Bixler« enttarnte Nestreiniger rumorte sehr zum Unwohl seiner 90 000 A-Amtsschimmelkollegen unaufhörlich durch sämtliche Instanzen, per Brief, per E-Mail, per Telefon - und es brauchte angeblich vier volle Jahre, bis das brisante Material dem Genossen Minister zur Kenntnis gelangte. Spätestens jetzt aber hätte Riester »stärker reinwichsen« können. Aber plötzlich kriegte unser Walter keine Gefühle mehr. Und ging kalt duschen. Macht ja auch keinen Spaß, wenn man dauernd dabei erwischt wird.

Ähnlich sinniert dieser tollen Tage wohl auch der undementierte Spaßkanzler, uns Gerhard Schröder. Ausgerechnet am Fastnachtsdienstag wollte Brüssel seinem rot-grünen Elferrat den Narhallamarsch blasen. Ein blauer Brief steht ins Haus. Nicht wegen Suff am Steuer; dafür hat man seine Chauffeure. Auch nicht wegen fehlender mündlicher Beteiligung. Im Gegenteil. Das Maul ist weit, das da nichts zu sagen hat.

Denn es kommt hart auf hart mit dem Blassen aus Bayern. Der Stoiber Edmund will, und zwar unbedingt. Vielleicht kann der sogar noch mehr, als mal locker so eben »800 000 Arbeitsplätze« versprechen. Haben wir doch schon bei der letzten Wahl verschossen, diesen Gimmick. Lächerlich. Geglaubt hat's keiner, und gewählt haben sie uns trotzdem. Bitte, gerne, kann er haben, soll er doch gegen mich antreten. Ich sach mal: Zieht dem Bayern die Lederhosen aus! 20 Uhr 15 beim Jauch!

Weißwurst gegen Currywurst. BMW gegen VW. Durchfall gegen Gastritis. Sozusagen »stellvertretend für eine stolze, entschlossene und dankbare Nation« (Brezel Bush der Zweite bei der eigenwillig unprotokollarischen Eröffnung der Olympic Winter Games).

Ach, es hätte alles so lustig werden können in diesen tollen Tagen. Aber vor dem Soap-Comedy-TV-Duell mit dem calgongesichtigen, nichtsnutzigen Christiansendurchfaller und Sepplhosenspoiler Stoiber wird der dementiert altherrenhaargefärbte Hannoveraner Humorhengst prächtig durchgepeitscht und scharf abgestriegelt. Ausgerechnet von Brüssel. Ausgerechnet von denen, die unsere deutschen Steuergelder »verbraten«.

Kein Respekt vor dem Sekt. Wer schmeißt denn die Party? Wer ist denn der größte Nettozahler? Wer hat denn den Stabilitätspakt erfunden? Wer baut denn die teuersten Autos? Wer hat denn die dunkelsten Brotsorten, die wenigsten Streiks, die meisten Arbeitslosen, die höchsten Schulden? Wer bremst denn auch für Tiere? Na, bitte!

»Versetzung gefährdet«, attestiert die EU-Kommission dem einstigen Klassenprimus im Europäischen Schulhaus. Eine 2,7 in Wirtschafts- und Sozialkunde reicht vielleicht noch für eine Lehrstelle als Fliesenleger, höhere Weihen aber sind ausgeschlossen. Jetzt rächt sich, dass »der kranke Mann Europas« (Stoiber) dereinst den Numerus Clausus von 3 Prozent beinhart durchgeprügelt hat. Das war in Maastricht, lange vor Pisa.

Aber um Ausreden für das eigene Versagen ist der Mannschaftskapitän vom FC Deutschland natürlich nicht verlegen. Da hält er's wie der Vogts, der Berti. Schuld ist immer der Schiri. Ja, kann denn etwa Gerhard Schröder etwas für den Konjunktureinbruch nach dem 11. September? Gibt es Beweise für das Gerücht, dass es in Wahrheit der ins Trudeln geratene Tiefflieger Scharping war, der das World Trade Center in Trümmer legen ließ, um seinem bevorstehenden Abschuss auszuweichen? Keinen einzigen. Da sehen Sie.

Dass er sich nun ausgerechnet vom bajuwarischen Kleinstaatler und K-Kandidaten hämisch ein »Versagen in der Europapolitik« vorwerfen lassen muss, schmerzt den nachweislich über eine Urlaubsbekanntschaft mit einem italienischen Pizzabäcker verfügenden Kanzler gewiss am meisten. Und wenn die ruhige Hand zittert, wird nachgekippt. Jetzt schenkt der Schönwettereuropäer Schröder Brüssel kräftig einen ein. Liberalisierung des Automarktes? Ohne ihn. Die geplante Kürzung der Ost-Investitionsbeihilfen der EU? »Inakzeptabel«, schrödert es. Da wird butz »interveniert«, aber knallhart.

Am Dienstag, an dem die EU-Finanzminister sich zur Abstimmung über den blauen Brief für Berlin versammeln wollten, sollte die Front der Verweigerer längst geschmiedet sein. Man hat ja seine Kumpel, die selbst Dreck am Stecken haben. Und zur Not lässt sich doch auch noch die grüne EU-Kommissarin Gabriele Schreyer ins Feld führen, die die unerwartete Rückzahlung von 2,3 Milliarden Euro durch die EU keck so kommentierte: »Das senkt das gesamtdeutsche Defizit um 0,1 Prozent. Das liegt jetzt als Fakt auf dem Tisch.« Schon sind wir nur noch bei 2,6 Prozent Neuverschuldung. Fuck you, Spaßbremse Brüssel!

So leicht lässt sich Schröders Dilettantenstadl die Stimmung eben nicht verderben. Und so wursteln sie weiter, wohl wirklich bis zur Wahl: die rheinische Kamelle Ulla Schmidt (Gesundheit!), Soldatenchef Scharping, Schröders Strafraumterrier Schily, der smegmatische Schmalhans Eichel und natürlich der kleine unverdächtige Kollege Riester, der nun brandaktuell und rekordverdächtig über (ungeschönt) 5,5 Millionen Arbeitslose waltert. Irgendwo grast auch noch die Brione Künast, und dann muss da noch so eine Krawatte sein ... wie hieß er noch gleich? Trittin? Oder arbeitet der jetzt schon bei Bertelsmann? Man kriegt ja nichts mehr mit!

Haben wir einen vergessen? Ach ja, Werner Müller. Wirtschaftsminister. Aber den kann man wirklich vergessen. Eine parteilose tote Hose, die gegen alles votiert und den sonst so hochheiligen freien Markt blockiert, sobald es seiner Lobby an die prall gefüllten Kassen gehen soll. Ob Post, Telefon, Gas oder Strom - die deutschen Monopolisten pfeifen sich eins: »Alles Müller, oder was?!« Den ehemaligen Manager haben sie im Sack. Der steht längst auf der Eon-Pensionsliste. Das macht dem Minister aber nichts. Schließlich hat er »einen Eid geschworen«, den er »sehr ernst nimmt«. Fragt sich nur, wem.

Ein Machtwort des Kanzlers? Fehlanzeige. Er feilt wahrscheinlich bereits an seinem Wahlkampfmotto: »Keinem soll es besser gehen als mir.« Ach, man wünscht sich, es fände sich jemand, der da wirklich »stärker reinwichst«. Doch jetzt beginnt erst mal die Fastenzeit.