Kaffeewerbung im Fernsehen

Neue Jobs für Ed, Usch und O

Aus der TV-Werbung konnten Kinder früher viel fürs Leben lernen. Nur die Kaffeewerbung war und ist in dieser Hinsicht unbrauchbar.

Einen Nachnamen hatte die glückliche kleine Familie nicht, aber der war auch nicht notwendig. Denn Vater Ed, Mutter Usch und der kleine O repräsentierten einen deutschen Kaffeehersteller namens - wer hätte das gedacht - Eduscho. Vielleicht dachten die Marketingexperten des Unternehmens damals wirklich, sie hätten den ganz großen Wurf gelandet, aber in Wirklichkeit dauerte es nicht lange, bis die Familie wieder aus der Werbung verschwand. Die eigens aufgelegten Plastikfigürchen waren wohl kein besonders großer Erfolg, gibt man heute bei Google die Namen von Ed und Co. ein, erscheint exakt gar nichts.

Aber wieso sollten sich die Kinder von damals auch an blöde Familienminiaturen erinnern, wenn es im Fernsehen weit Spannenderes anzugucken gab? Den knuddeligen Blümchen pflückenden Teddy von Bärenmarke etwa. Oder Frau Tilly, die ihren Kundinnen hinterrücks Handbäder in Palmolive verabreichte. Zwei kartoffelförmige Handpuppen, die für eine Creme namens Atrix warben. Das HB-Männchen, das fast so schöne Wutanfälle bekam wie man selbst, wenn man unmögliche Strumpfhosen anziehen sollte. Das Schäfchen von der Perwoll-Werbung, das so unendlich traurig wurde, wenn es auf einem kratzigen Pulli landete.

Und schließlich wurden im Rahmen des Werbefernsehens alle Geheimnisse der höchst mysteriösen Welt der Erwachsenen gelüftet. Wenn man vorm TV nur gut genug aufpasste, wäre das Leben als Grown Up ein Klacks, so viel stand fest.

Alles nur eine Frage der richtigen Produktauswahl. Geküsst würde man später zum Beispiel nur, wenn man Strahler-Zahnpasta verwendete. Wenn man mal einen schlechten Tag erwischt haben würde, wäre dies nicht weiter schlimm, denn dann würden plötzlich die Jungs von Kosaken-Kaffee ins Zimmer springen, »Komm Brüderchen, trink!« rufen und eine Riesenparty starten, allerdings galt das wohl nur für Männer. Frauen stiegen in solchen Situationen in die Badewannen und überließen sich ganz der geheimnisvollen Wirkung von Badedas mit Rosskastanien-Extrakt. Oder relaxten bei einem Gläschen Frauengold, waren schon kurz darauf wieder wie neu und konnten sich an den Hausputz machen.

Wenn der nicht so ganz klappte, musste man sich jedoch keine großen Sorgen machen, denn dann würde Meister Propper kommen. Alles Sachen, die man sich unbedingt merken musste. Selbst die Werbung für Waschmittel, heute ein Synonym für Langeweile pur, war damals sehr spannend. Wo hätte man sonst erfahren können, dass in Gardinen böse kleine Wesen mit langen Zähnen wohnen, die Gilb heißen und der Todfeind der modernen, hygienebewussten Hausfrau sind? Dass sich die eigentlich so harmlos ausschauenden Kügelchen von Fakt mit der Riesenwaschkraft in der Waschmaschine zu einer großen Faust entwickeln, die es den Flecken zeigt? Dass Mütter die Fähigkeit haben, sich völlig mühelos in zwei verschiedene, wenn auch vollkommen identisch aussehende Ichs aufzuspalten?

Gut, geahnt hatte das wahrscheinlich jedes halbwegs aufgeweckte Kind schon lange, aber so richtig klar wurde die Sache dann erst mit dem Aufkommen der Lenor-Werbung und dem dazugehörigen »Siehst du, jetzt hast du ein gutes Gewissen«.

Bloß von der Kaffeewerbung konnte man gar nichts lernen. Der Tchibo-Onkel mit der Melone auf dem Kopf erläuterte ähnlich staubtrocken wie die Dujardin-Stimme die Vorteile seines Produktes, bei Ed, Usch und O tat man das, was man schon von zu Hause her als unerträglich lahmarschige Veranstaltung kannte, nämlich um einen festlich gedeckten Tisch herumsitzen und Kaffee trinken.

Irgendwann jedoch erneuerte Jacobs das Genre und führte Frau Karin Sommer ein. Nicht weiter verwunderlich, denn als erster Kaffeehersteller hatte das am 15. Januar 1895 in Bremen gegründete Unternehmen bereits sehr früh ein eigenes Markenprofil aufgebaut.

1930, damals wurde Kaffee in deutschen Geschäften noch lose und ohne Herstellerkennung verkauft, war Walter J. Jacobs, der Neffe des Gründers Johann, in die Firma eingetreten. Zuvor hatte er einige Jahre in den USA verbracht und dort moderne Marketingmethoden kennen gelernt. Walter sorgte sofort dafür, dass der »Jacobs Bremer Qualitäts-Kaffee« nur noch in »vornehm aufgemachten Originaltüten« verpackt wurde, auf denen versichert wurde, dass das Produkt »täglich ganz frisch geröstet und sorgfältigst verlesen« sei. 1931 wurde dann der erste Werbeslogan erfunden: »Bis zur letzten Bohne ein Hochgenuss.«

Sehr lange dauerten diese Marketingversuche jedoch nicht. 1938 wurde die Kaffeewerbung von den Nationalsozialisten verboten, die Rohkaffee-Vorräte wurden wegen der Rohstoffknappheit sichergestellt.

1952 startete Jacobs neu, und gleich trieb man ausgiebig Reklame. Insgesamt wurde der Kaffee während des ersten Jahres in 500 Print-Titeln mit einer Gesamtauflage von 7,7 Millionen Ausgaben beworben, zwei Jahre später erfand Walter Jacobs den lange gebräuchlichen Slogan »Jacobs Kaffee - wunderbar«. Tatkräftig unterstützt von Karin Sommer, die bis 1984 als Repräsentantin der Durchschnittskaffeekocherin für das Unternehmen aktiv war. Danach gab es einen Wechsel zum Star als Präsentator für Kaffeebohnen. Den Anfang machte der »Botschafter des guten Geschmacks«, der Sänger Roger Whittaker, seit dem letzten Jahr ist Claudia Schiffer in der Jacobs-Werbung zu sehen.

Bei Eduscho durfte Mike Krüger ran, der extra für den Hersteller seinen Siebziger-Erfolg »Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche ziehn« zu einem Kaffee-kompatiblen Song umdichtete. Und der neue Melitta-Mann ist ein ehemaliger Darsteller aus der RTL-Erfolgssoap »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«.

So viel Promi-Einsatz ist nicht weiter verwunderlich, denn Kaffee ist schließlich ein gutes Geschäft: Unter den 30 werbeintensivsten Branchen erreichte die Kaffeesparte, inklusive Tee und Kakao, im Jahr 2000 hinter der Werbung für Massenmedien und noch vor der Reklame von Autoherstellern mit einem Aufwand von 180 Millionen Euro Platz zwei.

Vielleicht liegt das auch daran, dass Kaffeespots bis heute nicht so aussehen, als seien sie von hoch bezahlten Menschen mit originellen Ideen ausgedacht worden. Bis auf einen Ausrutscher während der achtziger Jahre, als für ein pseudo-new wavig gestyltes Produkt namens Swing einige betont lustige Epsioden verfilmt wurden, an deren Ende es immer hieß »Frech kommt weiter, sagt Hubert« geht es in den Spots bis heute im Großen und Ganzen um Menschen, die um mit frisch gestärkten weißen Tischdecken belegte Festtafeln herum sitzen und vor lauter Sehnsucht nach einer Tasse Kaffee kaum noch an sich halten können, oder um dynamische Gestalten, die gut gelaunt ihre Tassen erheben.

Oder um Frauen, die zu irgendeinem Großereignis eingeladen hatten und tatsächlich glaubten, dass sie mit irgendeinem Billig-Kaffee durchkämen. Ha! Da hatten sie aber die Rechnung ohne die Schwiegermutter oder eine andere weise Frau gemacht, die in die Küche geeilt kam, einen Schluck des völlig unaromatischen Gebräus nahm, es als völlig untrinkbar qualifizierte und nach viel Verzweiflung auf Seiten der Gastgeberin dann verschmitzt ein Päckchen Krönung aus der überdimensionierten Handtasche zog.

Die realen Situationen, in denen Kaffee getrunken wird, kamen und kommen dagegen nicht vor. Noch nie wurde ein völlig verschlafener Jemand gezeigt, der sich morgens, völlig unter Zeitdruck stehend, beim Versuch, gleichzeitig das Heißgetränk und eine mit irgendwas beschmierte Scheibe Brot zu konsumieren, ganz furchtbar den Mund verbrennt.

Auch der Bürotratsch der rund um die pausenlos laufende Kaffeemaschine versammelten Angestellten wird niemals gezeigt, ebenso wenig wie die zahlreichen Todesfälle, die unter mit Kaffee vollgesuppten Computertastaturen jeden Tag zu beklagen sind.

Stattdessen ist man zu Gast bei Gräfin Soundso, die in ihrem Ballsaal ob einer Tasse Kaffee vor Leidenschaft fast vergehen möchte, was kein wirklich schöner Anblick ist. Auch bei Dallmayr setzt man ganz auf Tradition, was der geübte Zuschauer daran erkennt, dass die ältliche Verkäuferin einer jungen die Schürze noch einmal glatt zupft, bevor die auf die Kundschaft - vielleicht ist sogar Gräfin Soundso darunter? - losgelassen wird.

Onko dagegen gelang es immerhin, mit einem Werbespot Rechtsgeschichte zu schreiben. »Onko statt Blumen« hatte es damals in der Reklame geheißen, in der männlicher Besuch darüber aufgeklärt wurde, dass sich die moderne Frau weit mehr über ein mitgebrachtes Päckchen Kaffee freuen würde als über Blumensträuße. Ein fataler Irrtum - Onko erhielt wegen der angeblichen Vergleichswerbung, die streng verboten ist, eine Abmahnung. Darauf warb man mit dem Slogan »für die kleinen Missgeschicke im Leben«. Etwas später wurden die Bilder von Onko-Trinkern mit »Don't worry, be happy« unterlegt.

Das Kaffeewerbungselend könnte jedoch zur großen Chance für Ed, Usch und O werden. Vielleicht erinnert sich bald ein nostalgischer Reklamemensch zurück an die kleine Familie, und dann darf die rothaarige Usch wieder in der Küche stehen und den Kaffee für ihren Ed zubereiten, während der mit dem kleinen O lustige Späße treibt.

Und wenn dann der Tisch so richtig schön gedeckt ist, kommen sie alle zu Besuch. Der Bärenmarke-Bär wird einen selbst gepflückten Strauß Blumen frisch von der Almwiese mitbringen, die Atrix-Püppchen könnten zusammen mit Frau Tilly Usch auf dem Gebiet der Handpflege beraten, und das Schäfchen aus der Perwoll-Werbung könnte sich auf das strahlend weiße Tischtuch kuscheln, denn Usch hat als perfekte Hausfrau schließlich ein gutes Gewissen. Bloß die Gilbs müssen leider draußen bleiben.