Selbstmordanschläge auf Sfor-Camps vereitelt

Ein Bosnier namens Laden

Der Balkan gilt als europäische Filiale des al-Qaida-Netzwerkes. Nur knapp wurden Selbstmordanschläge auf Sfor-Camps verhindert.

Auf eines legt Amer Kapitanovic, der Pressechef des bosnischen Premierministers Zlatko Lagumdzija, Wert: »Nicht die Sfor hat in der vergangenen Woche diese mutmaßlichen Terroristen erwischt, sondern es war unsere bosnische Polizei.« Dass noch niemand davon weiß, begründet Kapitanovic gegenüber der Jungle World mit der schlechten Öffentlichkeitsarbeit des bosnischen Innenministeriums: »Die haben gerade in Zeiten wie diesen so gut wie keine PR-Strategie, dabei ist das jetzt so wichtig für unser Land.«

Dabei geht es weniger um Eifersüchteleien zwischen den bosnischen Behörden und der Sfor, sondern um viel mehr: »Ich bin entsetzt, was die internationalen Medien über uns schreiben. Bosnien ist ganz bestimmt kein sicherer Hafen für die Helfer Ussama bin Ladens und unser Staat ist nicht Pakistan. Wir sind ein europäisches Land, und niemand bei uns hat Sympathien für diese Mörder«, erklärt Kapitanovic.

Trotzdem gilt das Land den Initiatoren der internationalen »Allianz gegen den Terror« schon seit dem 11. September als unsicherer Bündnispartner. Vor zwei Wochen mussten die Botschaften der USA und Großbritanniens in Sarajevo tagelang schließen, weil ernst zu nehmende Hinweise auf einen geplanten Terroranschlag islamistischer Terroristen auf die beiden diplomatischen Vertretungen vorlagen.

In der vorletzten Woche schließlich wurden - von der bosnischen Polizei und nicht von der Sfor - elf Männer verhaftet, von denen angenommen wird, dass sie Verbindungen zum al-Qaida-Netzwerk Ussama bin Ladens unterhielten. »Wir glauben, dass wir eine terroristische Zelle ausgehoben haben«, meint Sfor-Sprecher Daryl Morrell.

Die elf hatten offenbar einen Plan ausgeheckt, der in seiner Ausführung an die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon erinnert. Mit Hubschraubern und Sportflugzeugen wollten sie die Sfor-Basen Eagle Base in der Nähe Tuzlas und Camp Connor bei Bratunac angreifen. Obwohl Sfor-Sprecher Morrell diese Vermutungen internationaler Medien nicht bestätigen wollte, erklärt Amer Kapitanovic: »Unser Innenministerium hat Hinweise darauf, dass sie diesen Plan tatsächlich ausführen wollten.«

Die Anschlagspläne von potenziellen Terroristen verschaffen dem Balkanland derzeit den zweifelhaften Ruf, eine wichtige Basis für das vermutete Terrornetzwerk Ussama bin Ladens zu sein. Dabei kommt es auch zu einer Rehabilitierung einschlägiger Zeitungsenten aus den vergangenen Jahren. Das bosnische Magazin Dani berichtete schon im September 1999, vollkommen ignoriert von anderen Medien, dass Ussama bin Laden stolzer Besitzer eines bosnischen Passes wäre. Als sich bosnische Behörden wenige Tage nach dem 11. September daran wieder erinnerten, suchten sie tagelang nach möglichen Unterlagen, die eine vielleicht unabsichtliche Einbürgerung beweisen könnten.

Ohne Erfolg. »Ich kann definitiv ausschließen, dass dieser Verbrecher einen bosnischen Pass besitzt. Was ich nicht ausschließen kann, ist, dass bin Laden einen gefälschten bosnischen Pass besitzt«, so Amer Kapitanovic.

Die Legende von einem Bosnier namens Laden passt zwar gut in die mühsamen Versuche diverser Verschwörungstheoretiker, Bosnien als al-Qaida-Filiale in Europa aufzubauen, ist aber nach der Ansicht von Kapitanovic schlicht und »einfach Bullshit«.

Weil es selbst einem reisewütigen bin Laden, der offenbar mehrmals auf dem Balkan war, auch gar nichts nützen würde, einen bosnischen Pass zu besitzen: Für Inhaber bosnischer Pässe gilt fast überall auf der Welt Visazwang. Sinnvoller für einen Meilensammler wie bin Laden wäre es gewesen, sich einen Pass eines EU-Landes zu besorgen, der die Grenzpforten beinahe jeden Landes auf der Erde mühelos zu öffnen imstande ist. Ziemlich verwegen sind auch jene Gerüchte von einem Foto, das den ehemaligen bosnischen Staatspräsidenten Alija Izetbegovic gemeinsam mit Ussama bin Laden zeigen soll.

Dennoch wird es Bosnien nicht gelingen, sämtliche Verbindungen zwischen dem islamischen Fundamentalismus und der eigenen Geschichte abzustreifen. Denn ob sich nun der geschickte Politiker Izetbegovic wirklich die Blöße gegeben hat, mit einer schon Mitte der neunziger Jahre zwielichtigen Figur wie bin Laden vor einem Fotografen zu posieren, ist irrelevant für die seltsamen Allianzen, die Izetbegovic während seiner Präsidentschaft eingegangen ist.

Als sein Staat zwischen 1992 und 1995 von serbischen Milizen attackiert wurde, verpflichtete Izetbegovic Tausende Kämpfer aus Pakistan, Saudi-Arabien, Ägypten, Algerien und anderen islamischen Staaten als Söldner im Dienste einer nicht so klaren Sache. Izetbegovic wollte die hartgesottenen »Mudschaheddin-Milizen« schlicht zur Verteidigung Bosniens instrumentalisieren, verkaufte ihnen aber den Kampf als Light-Version eines Dschihad. »Er wusste, dass die aus Bosnien einen islamischen Staat machen wollten, aber das war ihm zu diesem Zeitpunkt egal«, sagt Kapitanovic heute.

Zumindest in einigen Orten Zentralbosniens waren die Mudschaheddin-Milizen zeitweise derart beherrschend, dass sie sogar die Sharia, das islamische Strafrecht, einführen konnten. Etwa 400 dieser ehemaligen Kämpfer erhielten nach dem Ende des Bosnien-Krieges im Jahr 1995 zum Dank die bosnische Staatsbürgerschaft.

Der recht offene Umgang mit Staatsbürgerschaften wird wohl auch ein Thema des Prozesses gegen drei mutmaßliche bosnisch-muslimische Kriegsverbrecher sein, der vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verhandelt wird. Enver Hadzihasanovic, Mehmed Alagic und Amir Kubura wird vorgeworfen, in der ersten Hälfte des Jahres 1993 sowohl serbische als auch kroatische Zivilisten und gefangene Soldaten erschossen zu haben. Sie befehligten, so steht es jedenfalls in der entsprechenden Anklage des Tribunals, auch eine eigene Brigade, die nur aus arabischen Kämpfern zusammengesetzt war.

Wenn der Prozess gegen die drei muslimischen Kommandeure verhandelt wird, könnte sich auch das bislang eher einseitig gegen mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher ermittelnde Haager Tribunal plötzlich als kleines Rädchen im »Kampf gegen den Terrorismus« positionieren. Die Haager Chefanklägerin Del Ponte ließ schon vor zwei Wochen aufhorchen, als sie Vermutungen über einen Generalplan der fundamentalistischen Kämpfer auf dem Balkan anstellte.

Die Ermittlungen ihrer Behörde hätten ergeben, dass al-Qaida sowohl Bosnien, als auch das Kosovo, Teile Mazedoniens und natürlich Albanien zu islamisieren versucht habe. »Es gibt wirklich Hinweise darauf, dass die bei uns lebenden Fundamentalisten auch Kontakte zur UCK in Mazedonien und im Kosovo hatten«, sagt Amer Kapitanovic.

Verkehrte Welt. Slobodan Milosevic und andere mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher haben scheinbar das Stigma des Bösen abstreifen können, und selbst das Haager Tribunal macht jetzt mit bei der Suche nach den Freunden der Mörder von New York und Washington, die aber eindeutig nicht unter den Serben zu finden sein werden.

Besorgt ist man in Bosnien trotzdem. Die Republika Srpska versucht, den internationalen Trend zu nützen und präsentiert nun den Krieg in Bosnien als ein Wirklichkeit gewordenes Szenario des »Kampf der Kulturen«-Autors Samuel Huntington: Christentum gegen Islam.

Auch das ist ein Unsinn, und ein gefährlicher noch dazu, der das mühsam aufgebaute bosnische Staatswesen aus Muslimen, Kroaten und Serben zu destabilisieren droht. Dass sich die ehemaligen muslimischen Kämpfer nun als Finsterlinge herausgestellt haben, ist nichts anderes als ein historischer Kollateralschaden westlicher Balkan-Politik. Schließlich haben sie sowohl im Bosnienkrieg als Teil der Izetbegovic-Armee als auch im Kosovo-Krieg als Teil der UCK westliche Interessen durchgesetzt. Dass die ehemaligen Verbündeten dabei auch eigene Interessen verfolgen, hat man wohl übersehen.

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