Das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr

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Das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr könnte im Krieg gegen den Terror zum Einsatz kommen.

Seitdem US-Präsident George W. Bush nach den Attacken auf die USA die Operation »Dauerhafte Freiheit« angekündigt hat, fühlen sich selbst kleine Geister zu Großem berufen.

So schickte die Bild-Zeitung für ihre Leser das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) bereits nach Afghanistan, um dort Terroristenverstecke mit Messern und automatischen Waffen zu stürmen: »Greifen sich deutsche Elite-Soldaten Ussama bin Laden?« Die Welt am Sonntag wusste am 23. September, dass Einheiten des Kommandos Spezialkräfte unter größter Geheimhaltung - offenbar nicht geheim genug für die WamS - längst an den afghanischen Grenzen eingetroffen seien. Nicht mit Luftwaffenmaschinen, nein, als zivile Flugpassagiere sollen sie ins Einsatzgebiet gelangt sein. Dort bereiteten sich die Männer aus der Zeppelin-Kaserne im baden-württembergischen Calw auf eine Militäraktion gemeinsam mit US-Einheiten und zwei anderen Verbündeten vor.

Das Verteidigungsministerium dementierte diese Meldungen. Es sei lediglich ein Krisenunterstützungsteam zum Schutz der deutschen Botschaft in Pakistan mit einer Linienmaschine angereist. Im übrigen wies das Ministerium darauf hin, »dass derartige Meldungen im Sinne der Sicherheit der deutschen sowie verbündeter Soldaten und ihrer Angehörigen unverantwortlich sind«.

Wie sollen Journalisten Soldaten gefährden, die gar nicht da sind? Meldungen über Geheimgespräche mit den USA dementierte Verteidigungsminister Rudolf Scharping indes nicht. Er räumte ein, dass der Bundestag - also auch die Öffentlichkeit - über einen möglichen Einsatz von Bundeswehreinheiten im Rahmen eines US-Vergeltungsschlages erst nachträglich informiert werden könnten. Das sei dann möglich, »wenn unmittelbar Gefahr droht oder der Schutz einer Operation gewährleistet werden muss«.

Für die Betroffenen scheinen diese militärischen Sandkastenspiele der Medien und der Politiker nur schwer erträglich zu sein. Sonst hätte sich nicht ausgerechnet der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, Brigadegeneral Reinhard Günzel, zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einer »Fachsimpelei« in der Presse hinreißen lassen. Der 57jährige hält eine Ergreifung Ussama bin Ladens »ohne erhebliche eigene Verluste in Kauf zu nehmen, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt für so gut wie unmöglich«.

Auch die Spezialkräfte der USA, Israels, Frankreichs und Großbritanniens stimmten mit dieser Auffassung weitgehend überein. Eine Operation von Sonderkommandos gegen den bis zu 200 Mann starken Schutzkräftekordon um bin Laden »würde ein Blutbad« geben, warnte der General. »Keine Spezialeinheit der westlichen Welt könnte einem solchen Einsatz zustimmen.« Günzel meinte trocken, dass nach dem 11. September vor allem die Risikobereitschaft der Politiker gestiegen sei. Wenn es künftig darum gehe, das Leben Tausender zu retten, werde wohl eher der Tod speziell zur Terrorismusbekämpfung ausgebildeter Soldaten in Kauf genommen.

Einem studierten Historiker, der den Job bei der Elitetruppe der Bundeswehr für die »Krönung« seiner Laufbahn hält, rutschen so brisante Aussagen, die sogar wesentliche Teile der US-Strategie in Frage stellen, nicht zufällig heraus. Wurde dem General zuvor also eine Art Himmelfahrtskommando angetragen, das er mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit abwenden wollte? Scharping erwägt disziplinarische Schritte gegen ihn.

Günzel hält seine Männer »für die besten Soldaten Deutschlands, vielleicht sogar die besten der Welt. Die gehen, wenn es sein muss, auf den Himalaya, weil sie brennen.«

Die Geschichte des KSK ist relativ einfach zu erzählen. Sie begann mit einem Gefühl. Politiker hatten sich für peinlich berührt erklärt, nachdem elf Mitarbeiter der Deutschen Welle im April 1994 nicht von deutschen, sondern von belgischen Fallschirmjägern aus den Bürgerkriegswirren in Ruanda gerettet werden mussten.

So wurde ab April 1996 der Aufbau einer Eliteeinheit in Angriff genommen, die ausgerechnet Ende 2001 ihre vorgesehene Stärke von rund 960 Mann erreichen soll. 400 von ihnen sind Einsatzkräfte. Der Verband besteht aus vier Kommandokompanien und einer Fernspähkompanie. Die vier Züge der Kompanien sind jeweils auf Luft-, Wasser- und Landoperationen sowie auf Aktionen in Gebirgen und in der Arktis spezialisiert.

Neben Fallschirmjägern, die mit Atemgeräten aus 8 000 Metern Höhe abgesetzt werden können, gibt es Scharfschützen, die mit britischen Hochleistungsgewehren auf 800 Meter Entfernung treffen sollen. Die Truppe hat ein eigenes Ausbildungs- und Versuchszentrum. Die Soldaten, ausschließlich Offiziere und Feldwebel, dürfen nicht älter als 38 Jahre sein. Im Dienst tragen sie schwarze Masken, ihre Identität soll möglichst geheim gehalten werden.

Das Aufgabenfeld der KSK ist breit gefächert. Die in der Öffentlichkeitsarbeit immer wieder gern angeführte Befreiung deutscher Geiseln im Ausland wird wohl die Ausnahme bleiben. Vor allem geht es um die Gewinnung von »Schlüsselinformationen in Krisen- und Konfliktregionen« und um den »Kampf gegen besonders wichtige Ziele auf gegnerischem Territorium«. Das sind in der Regel Kommandozentralen und Regierungsgebäude. Bekämpft werden sollen auch »Terroristen im Aufgabenbereich der Streitkräfte«.

Afghanistan wäre übrigens nicht das erste Einsatzgebiet der Kommandotruppe. Seit Jahren jagen Teams im Kosovo und in Bosnien untergetauchte serbische Militärs. Nach tagelanger Beobachtung holten Männer des KSK am 15. Juni 1998 in der serbischen Stadt Foca Milorad Krnojelac aus dem Bett. Er war einst Kommandant eines Internierunslagers und sitzt sitzt nun in Den Haag.

Der damalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe lobte: »Ich gratuliere zu dieser überzeugenden Leistung.« Seither soll es drei weitere Zugriffe gegeben haben. Eine Aktion am 12. Oktober des vergangenen Jahres scheiterte, nachdem sich ein früherer Anführer einer paramilitärischen Einheit mit einer Handgranate selbst getötet hatte. Drei KSK-Soldaten sollen dabei schwer verletzt worden sein.

Wann Scharping auch für sein Kommando Spezialkräfte endlich den bereits mehrfach von ihm prophezeiten Nato-Bündnisfall ausrufen darf, ist noch ungewiss. Denn US-Präsident Bush will selbst seine Verbündeten erst eine Stunde vor dem Beginn der Operation unterrichten, damit nichts an die Öffentlichkeit dringt. Er scheint schon von Rudolf Scharping gehört zu haben.