Krise der extremen Rechten in Hamburg

Ab ins Nirwana

Nach dem Hamburger Wahlerfolg der Schill-Partei könnten die Republikaner, die DVU und die NPD bedeutungslos werden.

Das Flehen und Betteln der Deutschen Volksunion (DVU) und der Republikaner (Rep) im Hamburger Wahlkampf war vergeblich. Schon lange vor den Wahlen ließen die beiden rechtsextremen Parteien keine Gelegenheit aus, ihre Wähler aufzufordern, statt der »Schill-Kopie« die »Originale« zu wählen.

»Die Schill-Partei hat in Sachen Innere Sicherheit reihenweise Forderungen übernommen, die seit vielen Jahren in dem Wahlprogramm der DVU stehen«, betonte etwa der Spitzenkandidat Heinrich Gerlach. Ähnliches ließ auch sein Kollege von den Republikanern, Thomas Nissen, verlauten: »Ronald Schill hat unsere Forderungen zur Inneren Sicherheit und Mittelstandsförderung aufgegriffen.« »Geben Sie sich nicht mit der Kopie zufrieden«, lautete der verzweifelte Appell an die rechtsextreme Klientel.

Doch die ließ sich von dem Gejammer nur wenig beeindrucken und stimmte am 23. September fast geschlossen für Ronald Schills Partei Rechtsstaatliche Offensive, die auf 19, 4 Prozent der Stimmen kam. Hamburgs Rechtsparteien hatten mit Verlusten gerechnet, doch ein solches Debakel hatte keine von ihnen erwartet. Bei den letzten Wahlen 1997 erreichten DVU, Rep, NPD und der Bund freier Bürger zusammen noch über acht Prozent der Stimmen. Am Sonntag vor zwei Wochen schafften sie nicht einmal ein Prozent. Die DVU erwischte es am schlimmsten, nur 0,7 Prozent machten noch ihr Kreuzchen bei Hamburgs vormals viertstärkster Partei. 1997 hatte die DVU mit 4,97 Prozent nur knapp den Einzug in die Bürgerschaft verpasst, sie zog damals aber in viele Bezirksparlamente ein. Die Republikaner sanken von 1,8 auf 0,1 Prozent und die NPD erreichte stolze 0,0 Prozent.

»Mehr als 20 Prozent der Wähler haben per Stimmzettel Forderungen ihre Zustimmung erteilt, die seit Jahr und Tag von den Rechten erhoben werden«, sagte DVU-Bundessprecher Bernd Dröse nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. »Diesmal war für rechts neben Schill nun wirklich nichts drin«, konstatierte Dröse, doch bald schon werde sich zeigen, »wer der ðwahre SchillЫ sei. Nämlich die DVU, die »einzige Protestpartei«.

Die Republikaner gaben bis heute keine Stellungnahme zu dem Wahlergebnis ab. »Wir möchten uns hiermit bei allen Hamburger Wählerinnen und Wählern recht herzlich für Ihr uns entgegengebrachtes Vertrauen und Ihre uns gegebene Wahlstimme bedanken«, heißt es auf der Homepage des Landesverbandes. Der sonst so redselige Landesvorsitzende Nissen schweigt.

Sofort kommentierten hingegen die parteiunabhängigen Neonazis aus Norddeutschland die Wahl. Das Nationale Infotelefon (NIT) von André Goertz freut sich darüber, dass die Schill-Partei »aus dem Stand ein solches Ergebnis erzielen« konnte. Die »Diffamierungen« Schills als »rechtspopulistischen Rattenfänger« und als »Volksverhetzer« hätten nicht gewirkt. Die Hamburger hätten für »die einzige politische Alternative« gestimmt, denn die Reps und die DVU hätten längst ihre Chancen vertan.

Auch die Freien Nationalisten des Internet-Projekts stoertebeker regen sich über den »Fall der Rechtsparteien« nicht auf. Im Gegenteil: Der Erfolg der Schill-Partei zeige, dass der Hamburger Wähler des »ewigen Streits der Rechtsparteien« überdrüssig sei. Den rechten Parteien mangele es an »vorzeigbaren Vertretern«.

Allein das Aktionsbüro Norddeutschland um die Neonazis Christian Worch und Thomas Wulff kann Schills Wahlerfolg nichts abgewinnen. Es hat auch gleich eine verschwörungstheoretische Erklärung parat: »Seit Monaten wird den Bürgern vorgegaukelt, dass der Ex-Strafrichter gnadenlos ðrechtsÐ sei« um »nationale Protestwähler« davon abzuhalten, einer »ernstzunehmenden nationalen Oppositionspartei« zuzustimmen, glaubt das Aktionsbüro. Die Schill-Partei habe mit Unterstützung von Politik und Medien verhindern können, dass die DVU »wenigstens die Hälfte des Potenzials auf sich vereinigen« konnte.

Seit dem Wahlabend bemüht sich der voraussichtlich neue Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), das Image seines künftigen Partners für die Bürgerblock-Koalition aufzupolieren. Der einst in der Union als liberal geltende CDU-Spitzenkandidat wird nicht müde zu beteuern: »Schill ist für Recht und Ordnung, nicht rechtsradikal«, und »Hamburg bleibt weiterhin liberal und tolerant«. Hatte Beust bereits mit seinem Koalitionsangebot vor der Wahl den Rechtsexzentriker Schill als akzeptablen Kandidaten aufgewertet, hilft jetzt auch CDU-Generalsekretär Lorenz Meyer mit, Schills Regierungsbeteiligung schönzureden. Dieser sei nicht rechts von der CDU, betont Meyer, »Schills Ziele kann man problemlos mit uns angehen«.

Beust versucht Bedenken an einer Koalition mit der Schill-Partei zu zerstreuen. Immerhin bestünden »97 Prozent inhaltliche Überschneidungen«. Allein aus den Reihen des dritten Koalitionspartners, der FDP, sind besorgte Stimmen zu vernehmen. Aber nicht vom Hamburger Spitzenkandidaten Rudolf Lange, der sich über den Wiedereinzug in die Bürgerschaft freut und verspricht, dass »liberale Positionen« künftig sichtbar werden.

Das bezweifelt der Bundesvorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, der derzeit Debatten über mögliche Regierungspartner seiner Partei kaum gebrauchen kann. Westerwelle hofft, dass die FDP kein Bündnis mit Schill eingeht. Noch deutlicher wurde das Präsidiumsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: »Man muss nicht mit aller Macht unter Aufgabe der eigenen Positionen an die Regierung.«

»Richter Gnadenlos« zeigt derweil Verständnis für die FDP. »Wir werden die FDP nicht überfordern.« Auch die übergelaufenen Wähler der Republikaner und der DVU sollen sich nicht sorgen. Dem Hamburger Abendblatt erklärte er, die Zustimmung von rechts sei »gut«, und versprach, auch »diese Protestwähler« zu bedienen.