Griechenland will deutsches Eigentum pfänden

Recht so!

Die Behauptung der Bundesregierung, die griechischen NS-Opfer seien bereits gemäß einem Vertrag von 1961 entschädigt worden, ist falsch. Denn die deutsche Seite war damals nur bereit, die aus politischen, »rassischen« und religiösen Gründen Verfolgten mit Abstrichen in die Vereinbarung einzubeziehen. Zudem betrachtete man die Wehrmachtsverbrechen nicht als verfolgungswürdig. Die wenigen Angeklagten wurden durchweg freigesprochen.

Dass die griechischen NS-Opfer überhaupt entschädigt wurden, verdanken sie den Erfordernissen der westeuropäischen Integration und dem Aufbau der Nato. Die Bevölkerungen der deutschen Nachbarstaaten erzeugten so viel politischen Druck, dass die Akzeptanz der deutschen Beteiligung an internationalen Bündnissen ohne eine Geste der Besänftigung nicht zu erreichen gewesen wäre. Kurz nach dem Londoner Abkommen von 1953, das der Bundesregierung zugestand, die Reparation und damit einen großen Teil der Entschädigungsforderungen erst im Rahmen eines Friedensvertrages zu regeln, schloss die deutsche Regierung daher mit elf Staaten Entschädigungsvereinbarungen ab. Im Anschluss an diese so genannten Westverträge wurde auch die Entschädigung der griechischen NS-Opfer vereinbart. Angesichts der großen Lücken im Abkommen sah sich die griechische Regierung jedoch zu der Erklärung gezwungen, sich weitere Verhandlungen vorzubehalten.

Gerade weil die Bundesregierung wusste, wie viele Forderungen noch gestellt werden könnten, setzte sie 1990 alles daran, den Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht als Friedensvertrag erscheinen zu lassen. Damit war die Frage der Entschädigung zunächst vom Tisch. Innenpolitischen Widerspruch gegen dieses Vorgehen gab es nicht, und außenpolitisch fühlte sich die Regierung durch den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität abgesichert.

Zu Unrecht. Gerichte in den USA erklärten die deutsche Weigerung, Zwangsarbeiter zu entschädigen, zu einem Verstoß gegen das Recht. Die griechischen Gerichte entwickelten diese Argumentation weiter, sie halten es für angebracht, die Immunität der Bundesrepublik Deutschland aufzuheben und deutschen Besitz zugunsten der Wehrmachtsopfer von Distomo pfänden zu lassen. Die rot-grüne Regierung sieht sich dadurch mit Entwicklungen im internationalen Recht konfrontiert, die sie selbst, nicht zuletzt mit ihrer Politik gegenüber Jugoslawien, vehement gestärkt hat.

Statt dem legitimen Anliegen der Opfer endlich nachzukommen und zu zahlen, beschuldigt die Bundesregierung ihrerseits nun die griechische Justiz, gegen ein universales Prinzip des Völkerrechts, die Souveränität der Staaten, zu verstoßen. Damit verschärft sie ihre Argumentation, die sie schon gegenüber den Forderungen der griechischen NS-Opfer benutzte.Die Bundesregierung erklärte, wenn die NS-Verfolgten weiterhin auf ihrem Recht zur Entschädigung beharrten, belasten sie die zwischenstaatlichen Beziehungen. Gleichzeitig forderte sie die Athener Regierung zur Schadensbegrenzung auf. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, prophezeite der deutsche Botschafter Karl Heinz Kuhna negative Auswirkungen für den Tourismus.

Ein solches Verhalten spricht nicht unbedingt für die rot-grüne Außenpolitik, die vorgibt sich an den Menschenrechten zu orientieren. Für das Erinnerungsvermögen in Deutschland spricht es ebenfalls nicht. Was bleibt da anderes übrig, als die Bundesregierung mit den Mitteln des internationalen Rechts, mit ihren eigenen Waffen, zu schlagen?