Ägyptische Behörden hetzen gegen Israel und Laizisten

Hüter des Glaubens

Ägyptische Behörden und Islamisten schüren den Hass auf Israel und auf religionskritische Intellektuelle.

Ich hasse Israel und liebe Hosni Mubarak«, lautet der Titel eines Songs des ägyptischen Folklorebarden Sha'aban Abdel Rahim, der sich derzeit nicht nur in Ägypten, sondern in der gesamten arabischen Welt großer Beliebtheit erfreut. Eine sinistre Hasstirade, mit der Abdel Rahim nicht nur den Nerv vieler Ägypter getroffen hat, sondern auch den der staatlichen Behörden.

Der für Kulturangelegenheiten zuständige Zensor hatte den Sänger dazu ermuntert, den ursprünglichen Titel, »Ich kann Israel nicht leiden«, etwas zu pointieren, um damit »der Gefühlslage des ägyptischen Volkes« zu entsprechen. Als »Sponsor des Hasses« bezeichnete unlängst der Sprecher des American Jewish Committee, Kenneth Bandler, den ägyptischen Sänger. Das Komitee machte den Fall publik und reichte Beschwerden ein, u.a. gegen den Fast-Food-Konzern McDonald's, der Abdel Rahim noch bis Ende Mai für seinen neuen Falafel-TV-Spot als Schauspieler beschäftigt hatte, obwohl Rahims antisemitischer Hassgesang in den Straßen Kairos schon in aller Munde war.

Doch damit nicht genug. Vom neuen anti-israelischen Zeitgeist und den Ressentiments gegen all diejenigen, die sich trotz des Stillstands im Nahost-Friedensprozess für einen friedlichen Dialog mit Israel einsetzen, zeugt auch das Beispiel des ägyptischen Autors Ali Salim. Der ägyptische Schriftstellerverband hatte Salim im Mai die Mitgliedschaft wegen seiner Kontakte zur israelischen Friedensbewegung entzogen. Auch in anderen Berufsverbänden und verstärkt seit dem Ausbruch der so genannten Al-Aksa-Intifada sind ähnliche Sanktionen gang und gäbe. Salim will jetzt mit einer Klage beim Verwaltungsgericht die Auflösung des Schriftstellerverbands erwirken. Er vermutet hinter seinem Ausschluss eine gezielte Kampagne der Studentischen Front der Azhar-Universität, des Zentrums der theologischen Gelehrsamkeit im sunnitischen Islam.

Die Studentenfront sorgte bereits im letzten Jahr für Schlagzeilen, als sie tausende Jugendliche gegen die Veröffentlichung eines angeblich blasphemischen Romans des syrischen Schriftstellers Haider Haider mobilisierte. Den zwei Tage lang wütenden Studentenunruhen vorausgegangen war eine Hetzkampagne der islamistischen Zeitung EI-Sha'ab. Sie hatte den Autor als Ketzer bezeichnet, weil er den Koran beleidigt und den Propheten als Schürzenjäger diffamiert haben soll. Obwohl ein Großteil der islamistischen Studenten nachweislich das Buch noch nicht einmal gelesen hatte, forderten sie unisono die Todesstrafe für den Schriftsteller sowie die Verleger aus dem Kulturministerium. Unter dem Druck des konservativen Klerus der Azhar-Gelehrten und des marodierenden studentischen Mobs verbot Kulturminister Faruq Hosni bereits kurz darauf den Vertrieb des Buches.

Im letzten Monat ereignete sich ein ganz ähnlicher Fall. Das Buch des als »marxistischer Mufti« bekannten Scheikh Khalil Abdelkarim wurde von den staatlichen Behörden vom Markt genommen, nachdem die Front der Religionsstudenten zuvor wochenlang gegen das »Teufelswerk« zu Felde gezogen war.

Die in jüngster Zeit dramatisch zunehmende Diskriminierung und Repression von Schriftstellern, Professoren und Theologen in Ägypten folgt einem immer gleichen Schema. Vermeintlich unislamische Publikationen werden von Angehörigen der Azhar-Universität oder von Vertretern der islamistisch dominierten Berufsverbände so lange gebrandmarkt, bis die staatlichen Behörden sich dem Willen der religiösen Eiferer beugen. Die als anstößig empfundenen Schriften verschwinden aus den Regalen, und die Autoren werden von islamistischen Kräften kurzerhand zu Apostaten erklärt. Ägyptens Boulevardpresse nimmt bei diesem religiös motivierten Terror gegen Intellektuelle meist eine Schlüsselrolle ein.

Jüngstes Beispiel ist die Klage eines islamistischen Anwalts gegen die wohl bekannteste arabische Feministin, Nawal el-Saadawi. Nahib Wahsh denunzierte die 70jährige Frauenrechtlerin, weil sie sich in einem Zeitungsinterview angeblich abfällig über den islamischen Glauben geäußert habe. Nicht nur der Anwalt, sondern auch der ägyptische Mufti Sheikh Wassl werfen ihr vor, sie habe die islamische Pilgerfahrt als »heidnisches Überbleibsel« bezeichnet und die Aufhebung des islamischen Erbrechts gefordert. Saadawi erklärte inzwischen, dass sie im Interview der Wochenzeitung EI-Midan falsch zitiert wurde. Doch das hinderte die Kairoer Justizbehörden nicht daran, eine Zwangsscheidungsklage zu genehmigen. Gemäß dem ägyptischen Hisba-Gesetz können muslimische Ehepartner gegen ihren Willen geschieden werden, wenn einer der beiden vom Glauben abfällt. Saadawi droht damit das gleiche Schicksal wie dem Linguistik-Professor Nasr Hamid Abu Zeid, der vor einigen Jahren wegen »unislamischer« Veröffentlichungen von seiner Frau geschieden wurde.

Mit der Unterdrückung religionskritischer Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten will sich die Staatsmacht als Hüterin des wahren Glaubens präsentieren. Dadurch macht sie sich allerdings zur Komplizin der Islamisten. Das harte Gerichtsurteil gegen den prominentesten ägyptischen Bürgerrechtler, Saad Eddin Ibrahim, wurde denn auch von ihnen mit Genugtuung aufgenommen. Der Soziologe und Leiter des renommierten Ibn-Khaldun-Forschungszentrums in Kairo hatte für eine Aufklärungskampagne Gelder der Europäischen Union angenommen. Für die ägyptische Justiz ein klares Indiz dafür, dass Ibrahim ein Agent des Westens und käuflich sei. In einem Eisenkäfig wurde Ibrahim zusammen mit seinen 20 Mitarbeitern im Gerichtssaal vorgeführt. Sieben Jahre Gefängnis, lautete der Richterspruch. Und der Weg in die Berufung verspricht kaum Erfolg.

Das Urteil hat inzwischen nicht nur bei zahlreichen internationalen Menschenrechtsorganisationen Proteste ausgelöst. Auch die US-Regierung kritisiert die Entscheidung des Kairoer Staatssicherheitsgerichts. Wie die arabische Tageszeitung Al-Hayat berichtet, erwägt der US-Kongress sogar eine Kürzung der Finanzhilfe für Ägypten. Knapp zwei Monate wolle man noch warten, ob in der Sache nicht doch noch ein Kompromiss gefunden werden kann.

In Kairo gibt man sich indes gelassen. »Viel Lärm um nichts«, befand kürzlich Präsident Mubarak im Fall Saad Eddin Ibrabim. Es handle sich schließlich um eine »gerichtliche und nicht um eine politische Angelegenheit«, so Ägyptens langjähriger autokratischer Herrscher.