Parteitag der KP

Gott ist Kommunist

Trotz der versprochenen Demokratisierung hält die vietnamesische KP an ihrem Machtmonopol fest.

Wenn die weltliche Legitimation eines Regimes schwindet, bemühen seine Träger gern die Religion. Die Kommunistische Partei Vietnams, deren sozialistische Ideologie immer weniger mit den Zuständen im Land harmoniert, will jetzt religiöse Aktivitäten ermutigen. Das verkündete Premierminister Phan Van Khai am Dienstag vergangener Woche bei einem Treffen mit Kirchenvertretern. Pham Xuan Thieu, Minister und Vorsitzender des Generalrats der Evangelischen Kirche Südvietnams, bedankte sich für die staatliche Unterstützung und kündigte an, die Kirche werde ihre Mitglieder ermutigen, ihren Glauben mit den Prinzipien der Nation zu verbinden.

Voraussetzung für den Schulterschluss von Gott und KP ist allerdings eine staatstragende Haltung der religiösen Gruppen, gegenüber dissidenten Geistlichen ist die Toleranz gering. Im Mai wurde der katholische Priester Nguyen Van Ly wegen regimekritischer Äußerungen verhaftet, wegen eines Hunger- und Durststreiks schwebt er in Lebensgefahr. Thich Quang Do, das stellvertretende Oberhaupt der Vereinigten Buddhistischen Kirche Vietnams, steht unter Hausarrest.

Für den Aufbruch zu mehr Demokratie, der Ende April vom Neunten Parteitag der KP in der Hauptstadt Hanoi ausgerufen wurde, sind die Grenzen eng gezogen. Die KP ist nach wie vor die einzige legale Partei im Land, und das soll auch so bleiben. Ihre Parteitage geben den Entwicklungskurs für die nächsten fünf Jahre vor. Dass im April ein Generationenwechsel in der Parteiführung eingeleitet wurde, galt allgemein als positives Signal. Zum neuen Parteichef wurde der bisherige Parlamentspräsident Nong Duc Manh gewählt, mit seinen 60 Jahren zählt er zur jüngeren Generation der Staatsführung.

Mit Manh bekleidet nun zum ersten Mal ein Angehöriger einer »ethnischen Minderheit« das höchste Amt in der KP und damit im Staat. Seine Wahl galt als Versöhnungsangebot an die 54 Bevölkerungsgruppen im Land. Ein solches Zeichen hat Hanoi bitter nötig. Im zentralen Hochland toben seit Februar Unruhen, gegen die Proteste der Minderheiten setzte die Regierung das Militär ein. Aus dem abgeriegelten Gebiet dringen kaum noch Nachrichten nach außen, am 18. Juni gab die Regierung aber bekannt, dass Prozesse gegen 52 Menschen vorbereitet werden, die an regierungsfeindlichen Protesten teilgenommen haben sollen.

Noch wichtiger als die Zugehörigkeit zur Minderheit der Tay ist für Manhs Beliebtheit, dass er als unehelicher Sohn des weiterhin populären Revolutionsführers und Staatsgründers Ho Chi Minh gilt. Auch wenn Manh diese Spekulation mit den Worten abtut, »alle Vietnamesen sind doch Ho Chi Minhs Kinder«, sieht er dem Revolutionshelden, der sich während des Zweiten Weltkrieges bei den Tay versteckte, verblüffend ähnlich.

Der Wahl waren interne Machtkämpfe vorausgegangen. In der KP haben sich mächtige Familienclans etabliert, deren Auseinandersetzungen weniger politische Richtungskämpfe als Streitereien um lukrative Pfründen sind. Manhs 69jährigem Amtsvorgänger Le Kha Phieu, einem ehemaligen hohen Offizier, war unter anderem vorgeworfen worden, mit Hilfe des militärischen Geheimdienstes die Telefonanschlüsse anderer Politbüromitglieder abgehört zu haben.

Nach dem Willen des Parteitages soll Vietnam nun mit Unterstützung des IWF bis 2010 zu einer modernen Industrienation heranwachsen. Dass dieses Ziel wenig realistisch ist, räumte mittlerweile auch Planungsminister Tran Xuan Gia indirekt ein. »Ungünstige und unvorhersehbare Ereignisse können in den kommenden Monaten einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Landes haben«, erklärte er am Dienstag vergangener Woche bei einem Treffen mit IWF-Vertretern.

Vietnam profitierte in den neunziger Jahren von den Handelsbeziehungen zu den südostasiatischen »Tigerstaaten«. Arbeitsintensive Industrien, die sich einst in den »Tigerstaaten« niedergelassen hatten, wanderten wegen der inzwischen gestiegenen Lohnkosten zum Teil weiter nach Vietnam.

Zu einem Billiglohnland zu werden, war für einen Staat, der sich noch immer sozialistisch nennt, eigentlich eine zweifelhafte Errungenschaft. Doch immerhin wuchs die Wirtschaft zwischen 1990 und 1997 jährlich um sieben bis elf Prozent. Während der Asienkrise verließen die ausländischen Investoren aber das Land. Seitdem sind nur wenige zurückgekehrt; das Wirtschaftswachstum fiel auf fünf Prozent. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die weit verbreitete Korruption.

Trotz drastischer Strafen - es gab sogar mehrere öffentliche Hinrichtungen - ist die Regierung der Korruption nicht Herr geworden. Während höhere Funktionäre sich schlicht bereichern wollen, können die meisten Staatsangestellten von ihrem Gehalt kaum leben. Die Einkommen im Staatsapparat sind kaum gestiegen, die Lebenshaltungskosten hingegen sehr. So bleibt den Staatsdienern kaum etwas anderes übrig, als »Steuern«, die offiziell »Nebeneinnahmen« heißen, selbst einzutreiben. So kassieren Polizisten Strafgelder, und Lehrer erteilen ihren Schülern »Nachhilfestunden«, ohne die sie ihre Prüfungen nicht bestehen würden. Die Korruption darf mittlerweile von den Medien diskutiert werden, doch geändert hat sich bisher wenig.

Auch die Entwicklung der Landwirtschaft stagniert nach anfänglichen Erfolgen. Nach der Privatisierung zu Beginn der neunziger Jahre stieg die Produktivität der bäuerlichen Kleinbetriebe. Aus dem einstigen Nahrungsimporteur wurde zeitweilig der zweitgrößte Reisexporteur der Welt. Doch jetzt kann Vietnam seine landwirtschaftlichen Hauptexportgüter Reis und Kaffee nicht mehr gewinnbringend auf dem Weltmarkt absetzen, und den oft bettelarmen bäuerlichen Familienbetrieben fehlen die Investitionsmittel, um auf andere Produkte umzusteigen.

Beim Kaffeeexport hat die Regierungspolitik die ohnehin schwierige Lage noch verschärft. Vietnam hatte sich über Absprachen der anderen kaffeeproduzierenden Staaten hinweggesetzt und mehr und billigere Bohnen angeboten. Der Weltmarktpreis sank, zum Ärger der Kaffeebauern in anderen Regionen der Welt. Und letztlich auch zum Schaden der vietnamesischen Produzenten.