Anhörungen in der Leuna-Affäre

Bitte nicht wecken!

Der ehemalige Generaldirektor von Elf Aquitaine, Loik Le Floch-Prigent, sagte kürzlich der Wochenzeitung Die Zeit das, was eigentlich alle längst wissen: Beim Erwerb der ostdeutschen Leuna-Raffinerie Anfang der neunziger Jahre sollen Schmiergelder geflossen sein.

Die »Lobbymaßnahmen« sollen vor allem zwei Zielen gedient haben. Der Wiederaufbau der Raffinerie sollte vom Staat mit zwei Milliarden Mark subventioniert werden, und zudem sollte es eine Garantie dafür geben, dass in Deutschland keine Pipeline gebaut werde, die es den Konkurrenten im Mineralölgeschäft ermöglicht hätte, ihr Produkt an die Küste zu liefern. Nach Angaben von Le Floch-Prigent sollen Gelder an einige Bundesländer gezahlt worden sein, damit sie den für sie lukrativen Pipeline-Bau dennoch nicht genehmigten.

Wie das Geld nach Deutschland gelangt sein könnte, enthüllte dann letzte Woche das Magazin stern. Demnach sollen die Millionen vom Lobbyisten Dieter Holzer auf fünfzig deutsche Konten verteilt worden sein. Beweise dafür liegen angeblich bei der Staatsanwaltschaft Vaduz in Liechtenstein.

Spätestens diese Enthüllung hätte die Saarbrücker Staatsanwaltschaft, die im Oktober letzten Jahres den Fall Holzer übernommen hat, aus ihrem Tiefschlaf reißen müssen. Aber weit gefehlt. Ihr Sprecher Raimund Weyand bezeichnete den Bericht des stern sogleich als »Unsinn«. Man habe keine Hinweise auf Schmiergeldzahlungen.

Woher auch. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat bisher nicht einmal ein Rechtshilfeersuchen in Vaduz gestellt. Dort wird inzwischen gegen zwölf Personen ermittelt, auch gegen Holzer. In Vaduz bezweifelt man zurecht, dass in Deutschland überhaupt ein Interesse an Aufklärung besteht. Kritik kommt auch aus der Schweiz. Der Genfer Oberstaatsanwalt Bernard Bertossa klagt, in der Schweiz seien die Ermittlungen abgeschlossen, während in Deutschland nichts geschehen sei.

Tatsächlich weigern sich hiesige Staatsanwaltschaften seit Jahren, energisch zu ermitteln. Inzwischen glaubt niemand mehr ernsthaft daran, dass deutsche Behörden Licht in die Staatsaffäre bringen könnten, in der es um ein jahrzehntealtes System schwarzer Kassen und die direkte Einflussnahme der Wirtschaft auf das Handeln der Regierung geht. Die lasche Ermittlung scheint Methode zu haben. Die Leuna-Affäre soll möglichst eine französische bleiben, Regierungskriminalität in Deutschland darf kein Thema werden. Schließlich stehen der Ruf der viel gepriesenen deutschen Nachkriegsdemokratie und der Wiedervereinigung auf dem Spiel. Dass beide mit Korruption in Verbindung gebracht werden, will niemand hören.

Deshalb ist auch vom Untersuchungsausschuss des Bundestags nicht mehr viel Erhellendes zu erwarten. Die Vernehmung von Holzer in der letzten Woche brachte gar nichts. Er brüskierte die Ausschussmitglieder sogar noch, indem er in der anschließenden Pressekonferenz behauptete, der Ausschuss habe »nichts anderes im Sinn, als die historische Leistung von Helmut Kohl herabzuwürdigen«.

Dabei zeigte sich der Ausschuss-Vorsitzende Volker Neumann (SPD) nicht mal besonders interessiert an dem Bericht des stern und wiegelte umgehend ab. Man fühlt sich erinnert an den Dezember 1999 und die anfängliche Unlust der SPD, den Ausschuss überhaupt einzurichten.

Nun will die CDU die Vernehmung von Bundeskanzler Gerhard Schröder beantragen. Denn letzte Woche erklärte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs (FDP), im Zusammenhang mit der Verhinderung eines Pipelinebaus von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt ein Gespräch mit Schröder geführt zu haben, der damals niedersächsischer Ministerpräsident war. Aber eine Verstrickung Schröders in den Pipeline-Komplex dürfte ähnlich lasch untersucht werden wie alle bisherigen Vorwürfe. Und notfalls verwandelt sich der Untersuchungsausschuss endgültig in einen Schweige-Workshop.