Treffen der Shanghai Five

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Beim Treffen der Shanghai Five kritisierten Russland und China die US-Politik, doch von einem strategischen Bündnis sind beide Staaten weit entfernt.

Einig ist man vor allem gegen seine Feinde und weltpolitischen Gegner. Russland und China, die führenden Staaten im Forum der Shanghai Five, kritisieren gemeinsam die US-Politik und sorgen sich wegen der Ausbreitung militanter islamistischer Gruppen in Zentralasien. Für die Bildung eines politischen Blocks reichen die Gemeinsamkeiten jedoch nicht, zudem fehlt eine ideologische Basis.

Dies bestätigte sich Mitte Juni in Shanghai beim jüngsten Treffen des Forums, dem auch Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan angehören. Der russische Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Jiang Zemin nutzten das Treffen für Verhandlungen über eine Sicherheitskooperation und engere Handelsbeziehungen. Gespräche über solch pragmatische Ziele ersetzen die ideologischen Debatten der Vergangenheit. Trotz des gemeinsamen Gegners USA war das chinesisch-sowjetische Verhältnis während des Kalten Krieges meist gespannt. Nach der Auflösung der Sowjetunion wich dann das vor allem auf der chinesischen Seite noch stark ausgeprägte Misstrauen langsam einer stärkeren Zusammenarbeit.

Während Russland immer tiefer in die politische und wirtschaftliche Krise geriet, erwies sich der chinesische Reformkurs als erstaunlich stabil. Die katastrophale wirtschaftliche Entwicklung in Russland und der Verlust von dessen Weltmachtrolle diente der chinesischen Führung vor allem als abschreckendes Beispiel und als Mahnung gegenüber der Bevölkerung, keine überstürzten politischen Reformen zu fordern, sondern der wirtschaftlichen Entwicklung den Vorrang zu geben.

China gewann in der Weltpolitik ständig an Bedeutung. Es war diese Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen beiden Staaten, die es der chinesischen Führung ermöglichte, eine größere Annäherung an Russland zu suchen. Gleichzeitig zeichnete sich seit 1996 eine erneute Verschlechterung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen ab. Russland bot sich in den strategischen Überlegungen der chinesischen Führung als natürlicher Bündnispartner in einer eventuellen Auseinandersetzung mit den USA an.

Das 1996 ins Leben gerufene Forum der Shanghai Five erwies sich hier als nützliches Instrument. Ursprüngliches Hauptziel des Forums war die gemeinsame Bekämpfung radikal islamischer Tendenzen in den zentralasiatischen Staaten und den an Russland und China grenzenden Regionen. Die beteiligten Staaten bemühten sich aber auch, die Erschließung und Ausbeutung ihrer Bodenschätze zu koordinieren. Zugleich boten die regelmäßigen Treffen der Shanghai Five auch eine willkommene Gelegenheit für informelle Gespräche zwischen Russland und China.

Beide Seiten, vor allen Dingen aber die chinesische, bemühten sich nach Kräften, die weltpolitische Bedeutung der russisch-chinesischen Beziehungen und der Shanghai Five herauszustreichen. So bezeichnete der chinesische Regierungssprecher Zhu Bangzao das Forum als Modell für den »Aufbau einer neuen internationalen politischen und wirtschaftlichen Ordnung«. Doch von einer strategischen, tendenziell antiamerikanischen Allianz kann kaum die Rede sein.

Während sich China auf dem Sprung zum wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gegenspieler der USA im asiatisch-pazifischen Raum befindet, wird der außenpolitische Handlungsspielraum Russlands durch seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Westen stark eingeschränkt.

Doch nicht nur die Ausgangspositionen sind verschieden, beide Staaten haben auch zum Teil widersprüchliche Interessen. Große Sorge macht ihnen die zunehmende Involvierung US-amerikanischer Firmen in die Ausbeutung der Ölvorkommen Zentralasiens, vor allem in Kasachstan, und der ständig wachsende Einfluss der USA in der Region. Dies führte während der Tagung der Shanghai Five zu leichten Verstimmungen bei den teilnehmenden zentralasiatischen Staaten, die sich ihre Bündnispolitik nicht diktieren lassen wollen.

Für Russland, das die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien als seinen Hinterhof betrachtet, ist jedoch auch China ein potenzieller Konkurrent. Zudem strebt die russische Regierung ein engeres Bündnis mit Indien an, dem wichtigsten Rivalen Chinas in der asiatischen Politik.

Entsprechend konnten sich Russland und China auch auf dem jüngsten Treffen der Shanghai Five nicht auf eine gemeinsame Strategie gegen die US-amerikanische Außenpolitik einigen. Sowohl Putin als auch Jiang äußerten sich besorgt über das geplante amerikanische Raketenabwehrsystem NMD. »Unsere Ansichten über die US-Raketenabwehr stimmen mit denen Chinas überein«, behauptete der russische Außenminister Igor Iwanow. Doch im Detail gab es Meinungsverschiedenheiten. Während Russland ein allen Staaten zugängliches, auf taktischen Raketen basierendes Abwehrsystem favorisiert, steht China einem solchen Vorschlag äußerst skeptisch gegenüber. Die Pekinger Führung befürchtet, dass ein solches System die Chancen einer erfolgreichen Rückeroberung Taiwans im Kriegsfalle deutlich verringern würde.

Einig waren sich alle Regierungen in Shanghai darin, »Extremismus, Terrorismus und Separatismus« in der Region zu bekämpfen. In China gibt es vor allem in der Nordostprovinz Xinjiang starke separatistische Tendenzen; die russischen Erfahrungen in Tschetschenien sind hier ein abschreckendes Beispiel. Bewaffnete Islamisten sind vor allem in Tadschikistan präsent, doch auch Kirgisien und Usbekistan waren in den vergangenen Jahren immer wieder massiven islamistischen Angriffen ausgesetzt.

Vor allem aus diesem Grund wurde Usbekistan jetzt in das Forum aufgenommen. Die zentralasiatischen Staaten fürchten jedoch, dass Russland die islamistische Bedrohung zum Vorwand nimmt, um seine politische und militärische Präsenz in der Region wieder zu verstärken. Diesen Verdacht bestätigte Putin in Shanghai indirekt: »Der russische Rückzug aus Zentalasien nach dem Fall der Sowjetunion hat ein Vakuum geschaffen, (...) das religiöse Extremisten und terroristische Organisationen zu füllen versuchen.«

Trotz der gemeinsamen Frontstellung gegen den Islamismus gibt es auch hier Konflikte. Pakistan wurde, vor allem auf Betreiben Tadschikistans, wegen seiner Hilfe für die afghanischen Taliban - denen die Unterstützung der Islamisten in Zentralasien vorgeworfen wird - bis heute die Teilnahme am Forum der Shanghai Five verwehrt. China jedoch hält an seinem Bündnis mit Pakistan fest.

Es sind also vor allen Dingen Pragmatismus und gemeinsame regionale Interessen, die die russisch-chinesischen Beziehungen bestimmen. Man bekämpft gemeinsam den islamischen Einfluss und baut die Wirtschaftsbeziehungen aus. Die russische Rüstungsindustrie sowie die Waffenbestände der ehemaligen Sowjetunion sollen China zur Modernisierung seiner Armee dienen. Peking revanchiert sich mit großzügigen Krediten für den nördlichen Nachbarn. Gemeinsame globale Strategien aber haben die ungleichen Partner nicht entwickelt, und das dürfte auch in Zukunft so bleiben.