Rechtliche Anerkennung deutscher Huren

Sex macht Arbeit

Der rot-grüne Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Prostitution benachteiligt ausländische Huren.

Sabine Christiansen bot der rot-grüne Gesetzesentwurf zur Verbesserung der sozialen und rechtlichen Situation der Prostituierten immerhin einen Anlass, die Frauenquote in ihrer Sendung vorübergehend anzuheben. In ihrer Talkrunde Anfang Mai ging es allerdings nur am Rande um die soziale Absicherung von Prostituierten, an erster Stelle stand der Zustand nationaler Sitte und Moral.

Die meisten Berichte in der Tagespresse rückten dagegen die Arbeitsbedingungen und Diskriminierungen von SexarbeiterInnen in den Vordergrund. Viele bezogen sich auf eine dimap-Umfrage von 1999, bei der sich mehr als zwei Drittel der Befragten für eine rechtliche Anerkennung der Prostitution ausgesprochen hatten. Die Wertvorstellungen der Bevölkerung haben sich verändert; Prostitution gilt nicht mehr als sittenwidrig.

Die rot-grüne Bundesregierung will diesen Konsens rechtlich verankern. »Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung«, heißt es in dem im Mai erstmals im Bundestag diskutierten Gesetzentwurf. Huren und Stricher sollen künftig ihren Lohn einklagen können, damit erhielten sie Zugang zur Sozialversicherung. Außerdem will man im Strafgesetzbuch den Absatz zur »Förderung der Prostitution« streichen, der bisher schon das Bereitlegen von Kondomen oder frischer Wäsche unter Strafe stellte. Mit dem Gesetz würde amtlich, dass Prostitution nicht mehr als Verstoß »gegen die guten Sitten« (Bürgerliches Gesetzbuch) gilt.

Sind damit die Prostituierten in der Neuen Mitte angekommen? Die Hurenorganisationen Hydra und Dona Carmen sehen das nicht so. Sie bezeichnen den Entwurf zwar als »ersten Schritt«, der einige Verbesserungen mit sich bringe. Aber im Grunde schaffe die Regierung lediglich ein neues Sondergesetz, nachdem die Hurenvertretungen seit Jahren um die Anerkennung von Prostitution als Beruf und die Abschaffung diskriminierender Paragrafen und Gesetze gekämpft hätten. Der Zuhälterparagraf werde nicht gestrichen, Werbung bleibe nach wie vor verboten und die Sperrgebietsverordnungen würden nicht angetastet.

Dass sich die Gesetzesvorlage kaum an den Forderungen der SexarbeiterInnen orientiert, lässt auf andere Ursachen für den rot-grünen Vorschlag schließen. Zur Normalisierung hat sicher das mediale Zelebrieren von bezahltem Sex in Talkrunden und Sendungen wie Wa(h)re Liebe beigetragen, das hohe Einschaltquoten hervorbringt. Auch mit der Aufwertung der so genannten symbolischen Ökonomie in den Standortdebatten bekam die Prostitution einen neuen Stellenwert. Bereits Ende der achtziger Jahre diskutierten Frankfurter Kommunalpolitiker darüber, dass ein ausdifferenziertes Dienstleistungssexangebot einen Standortfaktor für die Messestadt darstellt.

Eine vollständige Normalisierung von Sex als Dienstleistung will Rot-Grün aber vermeiden. Schließlich handelt es sich um einen prosperierenden Markt, die Zahl der Freier dürfte künftig kaum sinken. Eine Anerkennung von Prostitution als Beruf würde ein neues moralisches Dilemma aufwerfen: Dass das Arbeitsamt Frauen und Männern mit dem Hinweis auf die guten Beschäftigungschancen künftig eine Umschulung zur oder zum Prostituierten nahe legen müsste, ist der moral majority dann doch schwer zu vermitteln. Dieses Moralproblem löste sich allerdings in Luft auf, würden die sozialstaatlichen Sicherungssysteme endlich vom Prinzip der Lohnarbeit abgekoppelt.

Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber aber nicht im Sinn. Vielmehr stehen die einschließenden Effekte des Vorschlags ganz im Zeichen der bisherigen Versuche der Bundesregierung, der Beschäftigungskrise mit einer Deregulierung des ersten Arbeitsmarkts und der Etablierung zweiter, dritter und vierter Arbeitsmärkte zu begegnen. Die Sexindustrie, in der 400 000 Personen als Prostituierte arbeiten, macht Schätzungen zufolge zwölf Milliarden Mark Umsatz im Jahr. Dem Begründungstext zu der Gesetzesinitiative ist zu entnehmen, dass man auch eine Entlastung der öffentlichen Kassen erwartet, da die Huren und Stricher im Fall von Krankheit und Arbeitslosigkeit oder im Alter nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen wären.

Eine Legalisierung von Sexarbeit ohne Änderungen im Ausländergesetz und ohne die Abschaffung der Sperrgebietsverordnungen hat gleichzeitig aber auch ausschließende Effekte. Die Hälfte der Prostituierten hat keine Aufenthalts- oder Arbeitspapiere. Für sie wird sich die Situation verschlechtern.

Bereits die Sperrgebietsverordnungen haben etwa in Frankfurt und Hamburg zu einer Segregation des Arbeitsmarkts geführt. In den Bordellen der so genannten Toleranzzonen arbeiten unter schlechten Bedingungen im Vergleich zur Clubprostitution fast ausschließlich ausländische Frauen. Die Razzien, die dort angeblich zur Bekämpfung des Menschenhandels durchgeführt werden, treffen zu 90 Prozent illegalisierte Huren, denen die Abschiebung droht.

Diese Situation dürfte sich mit dem neuen Gesetz verschärfen. Respektable und kriminelle Sexarbeit fallen damit weiter auseinander. Dass der Gesetzentwurf fast nur deutschen Prostituierten Erleichterungen bringt, wird zwar in der Berichterstattung kritisiert, zugleich jedoch gegen die Illegalisierten gewendet. Indem man sie ohne Umschweife mit Menschenhandel und »organisierter Kriminalität« in Verbindung bringt, werden die Frauen erneut zum Objekt gemacht und kriminalisiert. Die kleine Errungenschaft, dass der Gesetzgeber Prostituierte künftig als Rechtssubjekte anerkennt, führt so auf der anderen Seite zu einer verstärkten Objektivierung von AusländerInnen. Und die Razzien bleiben.

In der Frauenbewegung der siebziger Jahre schieden sich beim Thema Prostitution die Geister. Viele sahen in ihr den Kulminationspunkt von Patriarchat und Kapital und hielten eine Legalisierung für fatal, da sie die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers festschreibe. Das erschwerte die Solidarisierung mit den Prostituierten. Bestenfalls erschienen sie im Sinne eines »we are all prostitutes«, das auch gegen die bürgerliche Ehe gerichtet war, als Opfer des Patriarchats. Sex innerhalb eines heterosexistisch organisierten Kapitalismus, so die damalige Logik, ist diesem immer unterworfen.

Die aktuelle Debatte um Prostitution hat die Opferlogik zwar teilweise überwunden, aber gleichzeitig ist die Kapitalismuskritik aus ihr verschwunden. Sie thematisiert Kapitalismus und Rassismus nicht mehr als konstituierende Elemente im Verhältnis von Gender und Arbeit und kreist um »veränderte Wertvorstellungen«, ohne die Zumutungen einer ausdifferenzierten Dienstleistungsökonomie und die restriktive Migrationspolitik anzugreifen.