Angriffe der UCPMB

Offensive ohne Chancen

Die Angriffe des UCK-Ablegers UCPMB in Südserbien stören gleichermaßen die Pläne von Kfor, Serben und Kosovo-Albanern.

Nur wenige Tage nach seiner Vereidigung musste Colin Powell die ganze Mühsal seines Amtes in nur wenigen Stunden durchleben. Der neue serbische Premier Zoran Djindjic, der Vorsitzende der gemäßigten kosovo-albanischen Partei LDK, Ibrahim Rugova, der mazedonische Präsident Boris Trajkovski, der rumänische Außenminister Mircea Geoana und der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic waren am 25. Januar zum Antrittsbesuch in Washington eingetroffen. Für den neuen US-amerikanischen Außenminister bedeuteten die fünf Gäste fünf Probleme.

Djindjic erörterte mit Powell die möglicherweise düstere Zukunft von Slobodan Milosevic und die Probleme mit den albanischen Separatisten im südserbischen Presevo-Tal. Rugova brachte den US-Außenminister in eine missliche Lage, weil er nach der Unterredung verkündete, er habe dessen grundsätzliche Zustimmung für eine Unabhängigkeit des Kosovo erhalten. Der mazedonische Präsident beklagte gegenüber Powell die zunehmenden Aktivitäten der UCK in Mazedonien. Rumäniens Außenminister wiederum beschwor die USA, ihre Truppen nicht vom Balkan abzuziehen. Den gleichen Wunsch äußerte auch Djukanovic, weil eine eventuelle Unabhängigkeit Montenegros militärisch abgesichert sein müsse.

Im gesamten Süden Serbiens scheint erneut ein Konflikt zu köcheln, den albanische Separatisten offenbar nachdrücklich anheizen. Vergangene Woche war in der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica wieder einmal ein Aufruhr des albanischen Teils der Bevölkerung gegen die dort lebenden Serben und gegen französische Kfor-Soldaten losgebrochen sowie ein Fahrzeug der OSZE angegriffen worden.

»Ich weiß nicht, warum das passiert ist, denn bisher haben uns beide Seiten in Ruhe gelassen«, erklärt die OSZE-Sprecherin Claire Trivina in Pristina gegenüber Jungle World. Obwohl die Proteste der albanischen Bevölkerung in Kosovska Mitrovica auf ein isoliertes Ereignis zurückzuführen sind - den Tod eines albanischen Jungen, den Serben verschuldet haben sollen -, verwundert diese Auskunft. Immer wieder haben in den letzten 18 Monaten Kosovo-Albaner versucht, den serbischen Teil der Stadt anzugreifen.

Für Nervosität sorgen eher die bewaffneten Aktivitäten einer kleinen, aber überaus entschlossenen albanischen Gruppierung in der entmilitarisierten Pufferzone zwischen Kosovo und Serbien im Presevo-Tal. Die dort agierende UCPMB kämpft seit November vergangenen Jahres gegen serbische Polizeieinheiten. Sogar zwei kleinere Dörfer hat die hundertprozentige Tochtergesellschaft der UCK schon erobern können. Doch jetzt setzen die schätzungsweise 600 bis 800 Kämpfer zu einer neuen Offensive an. Gleichzeitig liefern sich im Norden Mazedoniens UCK-Einheiten, deren Ziel es ist, die vorwiegend von Albanern bewohnten Gebiete Mazedoniens an das Kosovo anzuschließen, immer wieder Feuergefechte mit der mazedonischen Polizei.

Politische Beobachter in Pristina beunruhigt vor allem die grenzüberschreitende Vernetzung der separatistischen Guerillagruppen. »Die Rebellen in Mazedonien und im Presevo-Tal agieren in enger Abstimmung«, sagt die inzwischen an der Universität von Pristina beschäftigte ehemalige OSZE-Sprecherin Beatrice Lacoste.

Damit hatte man im Westen nicht gerechnet, und umso schärfer fallen die Reaktionen auf die jüngsten bewaffneten Aktionen aus. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Vorgehen der UCPMB, selbst Nato-Generalsekretär Chris Robertson wandte sich gegen die »Aggression der Terroristen«. Nur der österreichische Generalsekretär des Europarats, Walter Schwimmer, sprach nebulös von »einer ungelösten Situation, die von unverantwortlichen Parteien ausgenutzt« werde. Er forderte »Albaner im Kosovo und in Südserbien, die Kfor sowie die jugoslawische Regierung« auf, sich »strikt« an das Abkommen von Kumanovo zu halten.

Wegen dieses im Juni 1999 mit den jugoslawischen Streitkräften geschlossenen Abkommens darf die Kfor offiziell nicht einschreiten. Demnach dürfen sich weder Kfor-Truppen noch die jugoslawische Armee in der fünf Kilometer breiten Pufferzone im Süden Serbiens aufhalten. »Wir wüssten nicht, was wir dagegen unternehmen sollten. Unsere Leute dürfen da nicht rein«, meint Steve Schapal, Kfor-Sprecher in Pristina.

Deshalb ist nun die EU gefragt. Zwei Beobachter hat die Union nach Bujanovac, der größten Stadt des Presevo-Tals, entsandt. Frank Plancon, Koordinator der Zwei-Mann-Friedensstreitmacht, hofft auf ein baldiges Engagement der OSZE. Die Organisation ziert sich allerdings noch, da sie eine ähnliche politische Pleite befürchtet wie zwei Jahre zuvor im Kosovo.

»Wir sollten sehr vorsichtig sein, wenn wir Peacekeeping-Aufgaben übernehmen, denn darauf sind wir eigentlich nicht vorbereitet«, warnte Mans Nyberg, Sprecher der OSZE in Wien. Auch seine Kollegin in Pristina, Claire Trivina, weiß noch nichts von einem Einsatz: »Wir haben keine Leute dort, und noch haben wir auch keinen Auftrag, dort welche zu stationieren.«

Die derzeitige Situation im Presevo-Tal erinnert an jene im Kosovo im Winter 1998/99. Nach der Unterzeichnung des Holbrooke-Milosevic-Abkommens zogen sich die jugoslawischen Streitkräfte größtenteils planmäßig aus ihren Stellungen im Kosovo zurück. Die UCK nutzte das militärische Vakuum und rückte nach.

Inzwischen hat die serbische Regierung einen Plan ausgearbeitet, wie die Probleme in der Region zu beseitigen sind. Die rund 70 000 Albaner im Presevo-Tal sollen besser in die serbische Gesellschaft integriert und so von ihren Sezessionsbestrebungen abgebracht werden. Gleichzeitig schloss sie eine Verschiebung der Grenzen aus.

Dieser Plan trifft auch bei der so genannten internationalen Gemeinschaft auf Zustimmung. Powell gab Djindjic beim Treffen in Washington seinen Segen. »Der Außenminister unterstützt unsere Strategie, diese Probleme politisch zu lösen«, meinte Djindjic nach seiner Unterredung mit dem Golfkriegsveteranen.

Die UCPMB bringt die Pläne sämtlicher Konfliktparteien auf dem Balkan durcheinander, doch anders als die UCK kann deren Ableger vorerst nicht auf Unterstützung hoffen. Die Kosovo-Albaner wissen, dass zusätzliche Gebietsansprüche derzeit nicht durchzusetzen sind, und ahnen, dass die Aktionen der Splittergruppen in Mazedonien und im Presevo-Tal die angestrebte Unabhängigkeit behindern. Denn weder die Serben noch die Interventionskräfte dürften Grenzverschiebungen dulden.